Die Eigenschaften von Element 100 im Laserlicht
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung des GSI Helmholtzzentrums für Schwerionenforschung
GmbH astronews.com
14. November 2024
Wo endet das Periodensystem der chemischen Elemente und
welche Prozesse erlauben die Existenz der schwersten Elemente? Einem
internationalen Forschungsteam ist es nun gelungen, einer Beantwortung dieser
Frage näher zu kommen. Sie schauten sich dazu die Struktur von
Fermium-Atomkernen mit unterschiedlichen Anzahlen von Neutronen an.
Künstlerische Darstellung der Nuklidkarte –
die studierten Fermium-Isotope sind
hervorgehoben. Bild:
S. Raeder [Großansicht] |
Elemente jenseits von Uran (92 Protonen) – wie beispielsweise Fermium
(Element 100) – kommen nicht natürlich in der Erdkruste vor und müssen daher für
Experimente künstlich erzeugt werden. Sie bilden die Brücke zwischen den
natürlich vorkommenden und den sogenannten superschweren Elementen, die bei 104
Protonen beginnen. Quantenmechanische Schaleneffekte ermöglichen die Existenz
der superschweren Elemente, obwohl sie nur etwa zwei Tausendstel der
Kernbindungsenergie ausmachen, weil sie zu einer zusätzlichen Stabilisierung des
Atomkerns führen. Der kleine Beitrag ist entscheidend, um den abstoßenden
Kräften zwischen den vielen positiv geladenen Protonen entgegen zu wirken.
Das Schalenmodell erklärt quantenmechanische Effekte, deren Stärke von der
Anzahl der Bausteine der Atomkerne, den Protonen und Neutronen, abhängt und zu
einer Schalenstruktur im Atomkern führt. Ähnlich wie bei den Atomen, wo
vollständig gefüllte Elektronenschalen zu chemischer Stabilität und
Reaktionsträgheit führen, zeigen auch gefüllte Kernschalen (bei sogenannten
"magischen" Protonen-/Neutronenzahlen) eine erhöhte Stabilität. Infolgedessen
steigen ihre Kernbindungsenergien und die Lebensdauern.
In leichteren Kernen ist bekannt, dass gefüllte Kernschalen auch die
Kernradien beeinflussen. Mit der Laserspektroskopie können kleinste Änderungen
in der Atomstruktur analysiert und daraus Rückschlüsse auf Kerneigenschaften wie
den Ladungsradius, also die Verteilung der Protonen im Atomkern, gezogen werden.
Untersuchungen mehrerer Nuklide des gleichen Elements mit unterschiedlicher
Neutronenzahl zeigen einen stetigen Anstieg dieses Radius, es sei denn, eine
magische Zahl wird überschritten. Dann wird ein Knick beobachtet, da sich die
Steigung des radialen Anstiegs beim Schalenschluss ändert. Dieser Effekt wurde
für leichtere, kugelförmige Atomkerne bis hin zu Blei festgestellt.
"Mithilfe der Laserspektroskopie haben wir Fermium-Atomkerne mit 100
Protonen, aber mit verschiedenen Neutronenzahl im Bereich von 145 und 157
untersucht. Besonderes Augenmerk lag dabei auf dem Einfluss quantenmechanischer
Schaleneffekte auf die Größe der Atomkerne. So gelang es uns, die Struktur
dieser Kerne rund um den bekannten Schaleneffekt bei einer Neutronenzahl von 152
aus einer neuen Perspektive zu betrachten", erläutert Dr. Sebastian Raeder, der
Leiter des Experiments bei GSI/FAIR. "Bei dieser Neutronenanzahl wurde zuvor die
Signatur eines Neutronenschalenabschlusses in der Bindungsenergie beobachtet.
Dessen Stärke wurde durch Hochpräzisionsmassenmessungen bei GSI/FAIR im Jahr
2012 vermessen. Da nach Einstein Masse äquivalent zu Energie ist, geben diese
Messungen Hinweise über die zusätzliche Bindungsenergie, die der Schaleneffekt
liefert. Die Atomkerne um die Neutronenzahl 152 sind ideale Testkandidaten für
tiefergehende Studien, da sie nicht kugelförmig, sondern eher wie ein Rugby-Ball
geformt sind. Diese Deformation erlaubt den vielen Protonen des Kerns, etwas
weiter voneinander entfernt zu sein als in einer Kugel."
Dank des Einsatzes unterschiedlicher Verfahren für die Produktion sowie
methodischer Weiterentwicklungen der Laserspektrosopie untersuchte die
internationalen Kollaboration von 27 Partnerinstituten aus sieben Ländern in den
aktuellen Messungen Fermium-Isotope mit Lebensdauern von wenigen Sekunden bis zu
hundert Tagen. Die kurzlebigen Isotope wurden an der Beschleunigeranlage von
GSI/FAIR hergestellt, wobei teilweise nur ein Atom pro Minute für die
Experimente zur Verfügung stand. Zur Messung wurde ein
Laserspektroskopie-Verfahren genutzt, das Forschende vor einigen Jahren für
Messungen an Nobelium-Isotopen entwickelt hatten. Die produzierten Kerne wurden
in Argongas abgestoppt und nahmen dort Elektronen auf, um zu neutralen Atomen zu
werden, welche dann mithilfe von Lasern untersucht wurden. Die neutronenreichen,
langlebigen Fermiumisotope (Fermium-255, Fermium-257) wurden in Pikogramm-Mengen
am Oak Ridge National Laboratory in Oak Ridge, USA, und dem Institut Laue-Langevinin
Grenoble, Frankreich, hergestellt.
Eine radiochemische Präparation der Proben wurde an der Johannes
Gutenberg-Universität Mainz (JGU) durchgeführt. Im Anschluss wurde dort eine
Methode verwendet, bei der die Probe in einem Reservoir verdampft und im Vakuum
mit Laserlicht untersucht wurde. Laserlicht passender Wellenlänge bringt ein
Elektron in Fermium-Atomen von einem Orbital auf ein weiter außen liegendes
Orbital, und entfernt es schließlich ganz vom Atom, was effizient nachgewiesen
werden kann. Die nötige Energie für diesen schrittweisen Ionenbildungsprozess
ändert sich mit der Neutronenzahl. Diese kleine Änderung der Anregungsenergie
wurde gemessen, um Informationen über die Größenänderungen der Atomkerne zu
bekommen.
Die Untersuchungen erlaubten einen Einblick in die Änderungen des mittleren
Kernladungsradius in Fermium-Isotopen über die Neutronenzahl 152 hinweg. Die
Ergebnisse zeigen, dass die Kernladungsradien gleichmäßig ansteigen. Der
Vergleich dieser experimentellen Daten mit verschiedenen theoretischen
Berechnungen, die von internationalen Kollaborationspartnern mit modernen
theoretischen Kernmodellen durchgeführt wurden, ermöglicht eine Interpretation
der zugrunde liegenden physikalischen Effekte. Dabei wurde eine große
Übereinstimmung aller Modelle, trotz unterschiedlicher Berechnungsmethoden,
miteinander und auch mit den experimentellen Daten gefunden.
"Unsere experimentellen Ergebnisse und deren Interpretation mithilfe
modernster theoretischer Verfahren weisen darauf hin, dass bei den
Fermium-Atomkernen die Kernschaleneffekte keinen messbaren Einfluss auf die
Kernladungsradien haben, im Gegensatz zum starken Einfluss, den sie auf die
Bindungsenergien dieser Kerne haben", sagt Jessica Warbinek, zum Zeitpunkt der
Messung Doktorandin bei GSI/FAIR und JGU. "Die Ergebnisse bestätigen
theoretische Vorhersagen, dass mit steigender Kernmasse nicht mehr
Schaleneffekte dominieren, die nur von wenigen, einzelnen Kernbausteinen
bestimmt werden, sondern Effekte, die auf die Gesamtheit aller Neutronen und
Protonen zurückzuführen sind und Atomkerne eher als geladene Tröpfchen
betrachten."
Die experimentellen Verbesserungen eröffnen den Weg zu weiteren
laserspektroskopischen Studien von schweren Elementen in der Region rund um die
Neutronenzahl 152 und in noch schwereren Elementen, die bisher für solche
Messungen unzugänglich sind. Dies stellt einen wichtigen Schritt auf dem Weg zum
besseren Verständnis von Stabilisationsprozessen in schweren und superschweren
Elementen mit neuartigen Methoden dar. Weitere Entwicklungen werden es in
Zukunft erlauben, selbst geringfügige Effekte der Schalenstruktur aufzuspüren,
die der Grund für die Existenz der schwersten bekannten Elemente sind.
Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift Nature veröffentlicht.
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