Auf der Spur der klimaschädlichen Treibhausgase
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Optik und
Feinmechanik IOF astronews.com
14. Oktober 2024
Mit ihrer Weltraummission CO2M will sich die ESA der Frage
widmen, wie viel Kohlendioxid-Treibhausgas in der Erdatmosphäre genau von
Menschenhand verursacht wird. Für die Spektrometer an Bord der Satelliten haben
Forschende aus Jena die wohl wichtigste optische Baugruppe entwickelt und
gefertigt: den Disperser. Die erste flugtaugliche Baugruppe wurde nun
ausgeliefert.

Visualisierung des CO2M-Satelliten.
Bild: OHB [Großansicht] |
Treibhausgase wie Kohlendioxid (CO₂) schädigen unser Klima. Um ihre negativen
Auswirkungen zu begrenzen, stellen sich dringende Fragen wie: Wann und wo wird
wie viel CO₂ ausgestoßen? Wie verteilt es sich in der Atmosphäre? Und ganz
besonders: Wie viele dieser Gase sind speziell von Menschenhand gemacht? Diesen
Fragen will sich die Mission Copernicus Anthropogenic Carbon Dioxide
Monitoring (CO2M) der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) ab 2026 mit
zwei Erdbeobachtungs-Satelliten widmen. Die Satelliten sollen in einer
Konstellation arbeiten und hochauflösende spektrale Messungen von
atmosphärischem CO₂ durchführen, um die Emissionen von Städten, Ländern und
großen Industriegebieten genau zu kartieren. Zu diesem Zweck werden die
Satelliten mit Infrarot-Spektrometern ausgestattet sein.
Für diese Spektrometer haben Forschende aus Jena eine wesentliche
Schlüsselkomponente hergestellt: den sogenannten Disperser. "Beim Disperser
handelt es sich um die optische Baugruppe für das Spektrometer", erläutert
Thomas Höing, zuständiger Projektleiter am Fraunhofer-Institut für Angewandte
Optik und Feinmechanik IOF. "Der Disperser besteht aus jeweils zwei Prismen und
einem Gitter und fungiert als eine Art 'Farbzerleger'. Das heißt: Er spaltet das
von der Erde reflektierte Licht sehr genau in seine Spektralfarben auf und
ermöglicht somit hochpräzise Messungen des CO₂-Gehalts in der Erdatmosphäre."
Hochpräzise heißt in diesem Fall: Die CO2M-Satelliten können den
Kohlendioxid-Gehalt der Erdatmosphäre an jedem beliebigen Ort unseres Planeten
mit einer Genauigkeit von weniger als einhundert CO2-Teilchen pro
einer Milliarde Moleküle Luft bestimmen. Zusammen mit einer hohen Ortsauflösung
können die Satelliten auf globaler Ebene sehr genau analysieren, in welcher
Region und durch welche (menschlichen) Quellen die meisten Abgase ausgestoßen
werden. Die CO2M-Mission soll damit nicht nur dazu beitragen, den globalen
Kohlenstoffkreislauf besser zu verstehen, sondern letztendlich auch dabei
helfen, die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen. "Als Optikstandort
leisten wir damit einen wichtigen Beitrag zur Begrenzung des Klimawandels, denn
CO2M wird Entscheider mit belastbaren Zahlen versorgen", resümiert der
Projektleiter über das Missionsziel.
Ermöglicht werden diese hochpräzisen Messungen durch die im Disperser
verbauten optischen Gitter, die am Fraunhofer IOF in Jena hergestellt wurden.
"Die nanostrukturierten Gitter haben eine besonders hohe Effizienz von mehr als
90 % und einen geringen Polarisationsgrad von weniger als 10 %«, erläutert Höing.
Größe und Leistungsfähigkeit des Dispersers sind in dieser Form bisher
einzigartig und das Ergebnis einer umfassenden Teamarbeit am Fraunhofer IOF.
"Die Leistungsparameter der CO2M-Spektrometer sind extrem. Insbesondere in der
Kombination aus 'Größe plus Effizienz plus Polarisation plus Wellenlänge ist
gleich Präzision'. Gitter mit dieser Leistungsfähigkeit und Größe hat es noch
nie gegeben. In der Kombination mit zwei Prismen, welche die Leistungsfähigkeit
nochmals steigern, schon gar nicht", betont Dr. Falk Eilenberger, der Leiter der
Abteilung für Mikro- und Nanostrukturierte Optiken.
Möglich wird dies unter anderem durch ein spezielles, am Fraunhofer IOF
entwickeltes Gitterdesign. "Bei unserem Gitterdesign werden die Gittergräben mit
einem hochbrechenden Material gefüllt und dann mit einem plasmaaktivierten
Fügeverfahren auf den Prismen zwischenschichtfrei, atomar-fest verbunden",
erklärt Dr. Stefan Risse, Leiter der Abteilung für Präzisionsoptische
Komponenten und Systeme. "Diese optischen Komponenten mit extrem hoher
Dispersion sind durch eine spezielle isostatische Montierung an einer
Strukturmechanik aus Titan befestigt. Additiv gefertigte Leichtbau-Gehäuse,
verschiedene Beschichtungen sowie eine mit einem Laser aufgeraute lichtstreuende
Fläche dienen weiterhin der Minimierung von Streulicht. So kann das
Signal-Rausch-Verhältnis des Spektrometers optimiert werden."
Die CO2M-Mission ist Teil des europäischen Copernicus-Programms. Sie ist eine
von sechs Missionen, die entwickelt wurden, um die Erdbeobachtungskapazitäten
des Copernicus-Programms zu erweitern. Die Missionsreihe wird von der ESA im
Auftrag der Europäischen Union umgesetzt. Die Disperser für die
Infrarot-Spektrometer wurden am Fraunhofer IOF im Auftrag der Thales Alenia
Space entwickelt und hergestellt. Thales Alenia Space ist für die Entwicklung
des kompletten CO2-Messinstruments (der sogenannten CO2M-Payload)
verantwortlich, in das die Disperser integriert sind. Die erste flugtaugliche
Baugruppe zur Anwendung im All wurde nun vom Fraunhofer IOF vollständig an
Thales Alenia Space übergeben. Weitere Baugruppen folgen im Laufe des Jahres.
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