Flug durch die Magnetosphäre von Merkur
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung astronews.com
7. Oktober 2024
Bei ihrem dritten Vorbeiflug am Merkur im Juni 2023 sind der
europäisch-japanischen Raumsonde BepiColombo neue Messungen aus der
Magnetosphäre des sonnennächsten Planeten gelungen. Etwa 30 Minuten lang
durchquerte BepiColombo den magnetischen Schutzschild des Merkur und
hatte so die Möglichkeit, die Verteilung und Eigenschaften der dortigen Teilchen
zu bestimmen.
Die Flugbahn von BepiColombo (hier in Gelb)
führte die Raumsonde durch alle Bereiche der Magnetosphäre.
Bild: ESA [Großansicht] |
Die magnetische Umgebung des Merkur ist einzigartig: Die Stärke des
Magnetfeldes, das im Innern des Planeten entsteht, erreicht nur ein Zehntel des
irdischen Wertes; gleichzeitig ist der Merkur als sonnennächster Planet einem
besonders intensiven Bombardement von Sonnenwind-Teilchen ausgesetzt. Während
das Erdmagnetfeld einen Großteil dieser Teilchen abschirmt, ist die Situation in
der Umgebung des Merkur deutlich komplexer. "Am Merkur können die
Sonnenwindteilchen besonders leicht in die Magnetosphäre eindringen – und sogar
die Oberfläche des Planeten erreichen", erklärt Dr. Markus Fränz vom
Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung (MPS).
Die Umgebung des Merkur wird somit maßgeblich von der Wechselwirkung zwischen
Oberfläche, Teilchen und Magnetfeld bestimmt. In einer aktuellen Studie
berichten die Forschenden etwa von niederenergetischen Sauerstoff-, Natrium- und
Kalium-Ionen, welche die Raumsonde auf der Nachtseite des Planeten in der
Magnetosphäre messen konnte. Sie stammen wahrscheinlich von dessen Oberfläche,
von wo sie durch die Aufheizung der Tagseite des Planeten diffundieren oder von
Sonnenwind-Teilchen oder kleinsten Mini-Meteoriten herausgeschlagen werden.
Grundzüge des Aufbaus der Merkur-Magnetosphäre konnten bereits frühere
Merkur-Reisende wie etwa die amerikanischen Raumsonden Mariner 10 und
MESSENGER zeichnen. Detaillierte und umfassendere Messungen wird nach der
Ankunft am Merkur in zwei Jahren unter anderem BepiColombos
Instrumentenpaket Mercury Plasma Particle Experiment (MPPE)
ermöglichen. Das MPS ist an dem Massenspektrometer MSA (Mass Spectrum Analyser),
einem Teilinstrument von MPPE, beteiligt. Die insgesamt sechs Vorbeiflüge am
Merkur bieten einen ersten Vorgeschmack auf die Messungen, die dann zu erwarten
sind. Allerdings ist in der "Anreise-Konfiguration" das Sichtfeld der
MPPE-Instrumente deutlich eingeschränkt.
BepiColombo besteht aus zwei Sonden, dem Mercury Planetary
Orbiter (MPO) der ESA und dem Mercury Magnetospheric Orbiter (MMO)
der japanischen Weltraumagentur Jaxa, die sozusagen "huckepack"
aufeinandergestapelt reisen. Erst nach dem Einschwenken in eine Umlaufbahn um
den Planeten, werden sich ihre Wege trennen. Bis es soweit ist, versperren das
Sonnenschild von MMO und das Transfermodul einen Teil der Sicht der
Messinstrumente. Die Messungen vom 19. Juni vergangenen Jahres ergeben dennoch
ein eindrucksvolles Bild der Plasmaumgebung.
Von der Nachtseite kommend führte die Flugbahn BepiColombo nahezu in
der Äquatorebene bis auf 235 Kilometer an die Oberfläche des Planeten heran und
durchquerte so in etwa 30 Minuten alle Bereiche der Magnetosphäre. "Wir haben
die erwarteten Strukturen gesehen: etwa die Grenze zwischen dem frei strömenden
Sonnenwind und der Magnetosphäre; zudem haben wir die 'Hörner', die die
Plasmaschicht flankieren, durchquert. Das ist eine Region mit heißerem,
dichterem, elektrisch geladenem Gas, das wie ein Schweif in die der Sonne
entgegengesetzten Richtung wegströmt. Aber es gab auch einige Überraschungen",
fasst Dr. Lina Hadid vom Pariser Observatorium die Ergebnisse zusammen.
Zu den Überraschungen zählt eine Art Grenzschicht, die BepiColombo
in niedrigen Breiten am Rand der Magnetosphäre entdeckte. Die Teilchen dort
weisen offenbar eine deutlich größere Bandbreite von Energien auf als jemals
zuvor am Merkur gemessen wurde. Zudem kommt es immer wieder zu ausbruchartigen
Anstiegen in der Ionendichte. Das Team vermutet, dass hier ein noch nicht näher
bekannter Prozess am Werk ist, der das Plasma mit "frischen" Teilchen versorgt.
In größerer Nähe zum Planeten stieß die Raumsonde auf eine Region besonders
hochenergetischer Ionen. Die Forscherinnen und Forscher halten dies für einen
Hinweis auf einen sogenannten Ringstrom. Gemeint ist ein Strom aus im Magnetfeld
eingefangenen, geladenen Teilchen, der in der Äquatorebene um den Planeten
fließt. Der irdische Ringstrom verläuft in einer Höhe von etwa 20.000 bis 60.000
Kilometern über der Erdoberfläche und erzeugt dort ein Magnetfeld, das dem
eigentlichen Erdmagnetfeld entgegengerichtet ist.
"Die neuen Messungen deuten darauf hin, dass Merkurs Ringstrom deutlich näher
am Planeten zu verorten ist. Im Laufe der weiteren Mission hoffen wir zu
verstehen, wie dies möglich ist", MPS-Wissenschaftler und Co-Autor Dr. Norbert
Krupp. Nach dem vor etwa einem Monat absolvierten vierten Merkur-Vorbeiflug,
dessen Messdaten gerade ausgewertet werden, stehen die nächsten bereits kurz
bevor: Am 1. Dezember dieses Jahres und am 8. Januar 2025 bieten sich die
nächsten Gelegenheiten, Messdaten aus der Magnetosphäre des Planeten zu sammeln.
Von den Ergebnissen berichtet das Team in der Fachzeitschrift
Communications Physics.
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