Im Rahmen der deutschen Forschungsinitiative VaMEx sollen
Schlüsseltechnologien für die Erforschung der gewaltigen Valles Marineris auf
dem Mars entwickelt und erprobt werden. Dabei ist an einen Schwarm vernetzter
Roboter gedacht, die den Canyon erkunden, Höhlen erforschen und nach Leben
suchen. Expertise dafür kommt auch aus Würzburg.
Über den Mars erstreckt sich ein gewaltiges Tal: Das Valles Marineris ist
3000 Kilometer lang, 600 Kilometer breit und im Durchschnitt acht Kilometer
tief. Sein lateinischer Name geht auf den Mars-Orbiter Mariner
zurück, der das Tal Anfang der 1970er-Jahre entdeckte. Seit 2012 erhält
dieser größte bekannte Canyon im Sonnensystem die besondere Aufmerksamkeit
der Deutschen Raumfahrtagentur im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt
(DLR). In der VaMEx-Initiative sollen Schlüsseltechnologien zur robotischen
Erkundung dieses schwierigen Geländes im Schwarm entwickelt werden: Der
VaMEx – Valles Marineris Explorer - besteht aus fahrenden,
laufenden und fliegenden Drohnen, die ein komplexes Gesamtsystem bilden.
Die VaMEx-Initiative der Raumfahrtagentur verfolgt das Ziel, erstmals die
Schluchten und Höhlen des Canyons zu erforschen. Dabei wird auch nach Spuren
von flüssigem Wasser und somit eventuell nach Leben gesucht, das dort in
geschützten Nischen existieren könnte. Dafür will das DLR einen Schwarm
autonomer, untereinander vernetzter Roboter auf den Mars bringen: Sie sollen
auf dem Boden, in der Luft und in Höhlen agieren und dort Bilder und andere
Daten sammeln. Höhlen dürfte es in dem stark zerklüfteten Tal einige geben.
Selbst in der scheinbar eintönigen Landschaft des Mondes haben Forschende
aus Italien und den USA vor kurzem den Eingang zu einer großen Höhle
entdeckt. Höhlen sind nicht nur interessant als Standorte für Mond- oder
Marsbasen. Sie bieten Schutz vor der kosmischen Strahlung, gemäßigtere
Temperaturen und damit auch ein gutes Umfeld für den Erhalt von Leben, das
bereits vor Milliarden Jahren entstanden sein könnte, als auf dem Mars noch
viel günstigere Bedingungen herrschten.
An der Erforschung des Valles Marineris beteiligt sich neben dem
Lehrstuhl Informationstechnik für Luft- und Raumfahrt der
Julius-Maximilians-Universität (JMU) Würzburg nun auch ein Team der
JMU-Professur für Raumfahrttechnik. Dessen Aufgabe ist es, ein
Kommunikationskonzept für den Roboterschwarm zu entwickeln. In der aktuell
laufenden dritten Entwicklungsphase von VaMEx fördert die Deutsche
Raumfahrtagentur im DLR das Teilprojekt an der JMU mit rund 1,5 Millionen
Euro.
"Wir haben unserem Teilprojekt den Namen 'VaMEx3-MarsSymphony' gegeben,
weil es darum geht, die einzelnen Elemente des Roboterschwarms wie ein
Orchester harmonisch zusammenspielen zu lassen", sagt Projektleiter
Professor Hakan Kayal. Zum Schwarm gehören in der aktuell laufenden
Entwicklungsphase mobile Roboter in der Luft und zu Land, ein stationäres
Gateway am Boden, das als Kommandozentrale für die Kommunikation dient, und
ein Satellitensimulator für den Datenaustausch mit der Erde. Wenn die
Roboter am Boden in Höhlen vordringen, sind sie von der Marsoberfläche
abgeschirmt und können nicht direkt mit dem Gateway kommunizieren. Zum
Konzept gehören darum auch Repeater-Stationen, welche die aufgenommenen
Bilder und Daten in einer Transportkette weiterreichen – vom Roboter in der
Höhle bis zum Gateway an der Oberfläche des Planeten.
Teil des Schwarms sind außerdem sogenannte Autorotationskörper: Sie
werden aus der Luft abgeworfen und sammeln Daten, während sie sanft zu Boden
gleiten. Letzteres schaffen sie dank ihres speziellen Designs: Die
länglichen Körper sind wie Ahornsamen gebaut. Sie haben einen Flügel und
drehen sich um ihre eigene Achse, was sie sachte abwärts trudeln lässt. Ihr
Flugweg ist steuerbar, so dass man sie gezielt über eine größere Fläche
verteilen und sie dann als Sensor-, Repeater- und Navigations-Netzwerke
nutzen kann.
Über den Einsatz der Autorotationskörper freut sich MarsSymphony-Projektmanager
Clemens Riegler ganz besonders: Er hat die Fallkörper noch als Student
mitentwickelt – ab 2016 im Rexus-Bexus-Programm der DLR-Raumfahrtagentur und
in der Würzburger Hochschulgruppe WüSpace e. V., die Studierenden die
Mitarbeit an Projekten der Luft- und Raumfahrt ermöglicht. In seiner
Doktorarbeit entwickelt Riegler die Flugkörper weiter: "Es ist sehr schön zu
sehen, dass das DLR diese Arbeit würdigt und sie jetzt Teil eines Projekts
zur Erkundung des Mars geworden ist!"
Das robotische Mars-Orchester hat eine weitere einzigartige Besonderheit:
Das stationäre Gateway wird mit einer Kamera ausgestattet, die den Himmel
des Mars im Blick behält. "Alle bisherigen Mars-Missionen haben sich auf die
Oberfläche des Planeten konzentriert, wir wollen erstmals auch nach oben
schauen", sagt Kayal. Und dort dürfte es einiges zu beobachten geben:
Wolkenbildung, Eintritte von Meteoren oder Blitze und andere kurzzeitige
Leuchtphänomene. Meteoriten von der Größe eines Basketballs scheinen auf dem
Mars fast täglich einzuschlagen: Das hat ein internationales Forschungsteam
im Juni 2024 aus seismischen Daten geschlossen. "Wir könnten das mit Daten
weiter untermauern, wenn wir mit unserer UAP-Kamera den Eintritt von
Meteoriten filmen und diese Ereignisse mit den seismischen Signalen
korrelieren", sagt Kayal.
Die Abkürzung UAP steht für "Unidentified Anomalous Phenomena" (unidentifizierte
anomale Phänomene). Der Name der Kamera leitet sich von ihrer Fähigkeit ab,
mittels Künstlicher Intelligenz gezielt unbekannte Himmelsphänomene
aufzuspüren, wie sie auch auf der Erde beobachtet werden. Die Integration
eines Kamerasystems zur Himmelsbeobachtung auf dem Gateway stellt einen
wesentlichen Entwicklungsschritt hin zu einem Detektionssystem für
Kurzzeitphänomene in der Marsatmosphäre sowie zur Erforschung von UAPs dar.
Mit MarsSymphony wird die UAP-Forschung erstmalig mit Bundesmitteln
gefördert. Die neuartige Himmelsbeobachtungskamera könnte in Zukunft auch
auf dem Mars UAPs detektieren.
Die Kommunikation zwischen den beschriebenen Elementen und dem
Raumsegment ist bei der Übertragung der gewonnenen wissenschaftlichen Daten
eine zentrale Herausforderung. Das gilt aufgrund knapper Ressourcen
insbesondere für die Kommunikation zwischen dem Gateway auf der
Marsoberfläche und den Relay-Satelliten im Orbit. Aktuelle Lander nutzen
hierbei bisher das S- oder X-Band. Zur Erhöhung der Datenrate des
Übertragungskanals ist jedoch der Wechsel von dem X-Band in das Ka-Band ein
entscheidender Schritt. Der Berliner Projektpartner IQ Technologies for
Earth and Space GmbH wird darum auf Basis seines flugerprobten XLink-Systems
einen Ka-Band-fähigen Transceiver für den Einsatz auf Landern und
interplanetaren Kleinsatelliten entwickeln. Im Projekt sollen, neben
Transceiver-Hardware für interplanetare Systeme, auch angepasste und
flexible Übertragungsprotokolle entwickelt werden.
Ob der Roboterschwarm wie geplant funktioniert, soll im Laufe des Jahres
2025 bei einer sogenannten Analogmission getestet werden: Dabei werden die
Beteiligten die Mars-Mission auf der Erde simulieren, voraussichtlich in
einem Steinbruch in Deutschland. Bei dieser Simulation spielt die Würzburger
UAP-Kamera ebenfalls eine wichtige Rolle: Ihre Videoaufnahmen vom Himmel
liefern ausreichend große Datenvolumina, um die Belastbarkeit des
Kommunikationssystems zu testen. Läuft die Analogmission gut, was wäre dann
der nächste Schritt? "In einem möglichen Nachfolgeprojekt müsste die
Hardware für einen Einsatz auf dem Mars angepasst werden", erklärt Kayal.
Denn dort herrschen harsche Bedingungen: Die Atmosphäre ist dünn, die
Durchschnittstemperatur liegt bei minus 63 Grad Celsius und regelmäßig fegen
große Staubstürme über den roten Planeten.