Eine neue, am DLR entwickelte Laseruhr hat einen Spitzenwert
an Genauigkeit für optische Uhren mit Gaszellen erzielt: In 30 Millionen Jahren
würde sie nur eine Sekunde falsch gehen. Weltraumtaugliche Laseruhren sollen
künftig zu einer zentimetergenauen Satellitennavigation beitragen sowie einen
globalen Zeitstandard liefern. Dies käme zahlreichen Anwendungen zugute.
Auf die Frage, was ist Zeit, sagte Albert Einstein einmal: "Zeit ist, was
man an der Uhr abliest." Es kommt auf die Genauigkeit der Uhr an. Wie gut
Satellitennavigation, Internet, Erdbeobachtung oder Finanzwesen
funktionieren, hängt auch davon ab, wie exakt die notwendigen Zeitangaben
bei der Datenübertragung sind. Satellitenuhren liefern Zeitsignale, mit
denen sich beispielsweise Positionen auf der Erde bestimmen lassen oder
Kommunikationsnetze synchronisiert werden. Weltraumtaugliche Laseruhren
können künftig genauere Zeitinformationen liefern, um Satellitendienste für
Kommunikation und Navigation effizienter und präziser zu machen.
Laseroptische Uhren sind aufgrund ihrer höheren Taktfrequenz rund hundertmal
genauer als aktuelle Satellitenuhren auf Mikrowellenbasis.
Mit seiner führenden Expertise für Quantentechnologien in der Raumfahrt
hat das Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) im Projekt COMPASSO
eine hochpräzise Laseruhr entwickelt. "Sie weicht weniger als 100
Pikosekunden pro Tag von der sogenannten Weltzeit ab. Eine Pikosekunde ist
der Millionste Teil einer Millionstel Sekunde. Diese Abweichung entspricht
einer Sekunde auf 30 Millionen Jahre", erklärt Prof. Claus Braxmaier vom
DLR-Institut für Quantentechnologien in Ulm. "Wir schließen damit die Lücke
zwischen der Genauigkeit von konventionellen Satellitenuhren und den großen,
schweren High-End-Atomuhren, die in nationalen Metrologie-Instituten unsere
Weltzeit festlegen."
Den Takt der Laseruhr gibt die Quantenphysik vor. Dazu wird die
Wellenlänge eines Lasers auf eine bestimmte Schwingung von Jodmolekülen in
einer Gaszelle abgestimmt. Der Takt dieser Schwingung hängt nur von den
quantenmechanischen Eigenschaften des Jods ab. Mit dieser geräteunabhängigen
Referenz lässt sich die hohe Genauigkeit der optischen Uhr erreichen. Im
Uhrenlabor des DLR-Instituts für Kommunikation und Navigation haben die
DLR-Forscherinnen und -Forscher die Laseruhr bis zur aktuellen Genauigkeit
weiterentwickelt und mit einer anderen Präzisionsuhr verglichen, einem
sogenannten Wasserstoff-Maser. Dies ist eine Art Laser im
Mikrowellenbereich.
"Durch Überlagern der Zeitsignale beider Uhren können wir wie mit einer
Stoppuhr die einzelnen Takte der Laseruhr zählen. Diese folgen mit einer
Frequenz von 10 Megahertz aufeinander, das sind 10 Millionen Takte pro
Sekunde", erläutert Braxmaier. "So konnten wir sowohl die Ganggenauigkeit
als auch die Präzision unserer Laseruhr bestimmen. Je präziser eine Uhr ist,
desto gleichmäßiger ist ihr Takt. Die Ganggenauigkeit gibt an, wie weit ihr
Takt nach einer bestimmten Zeit vom Sollwert abweicht."
Ziel des COMPASSO-Projekts ist, optische Schlüsseltechnologien für die
künftige Satellitennavigation zu entwickeln. "Unsere Vision ist, die hohe
Genauigkeit von Laseruhren für eine global verfügbare Zeitangabe zu nutzen.
Damit ließe sich ein weltweit einheitlicher, präziser Zeitstandard
realisieren", sagt Braxmaier. "Neue Generationen hochpräziser,
weltraumtauglicher Laseruhren werden die Leistung von satellitengestützten
Technologien erheblich verbessern", erklärt Dr. Stefan Schlüter vom
Galileo-Kompetenzzentrum des DLR. "Wichtige Bereiche sind beispielsweise das
autonome Fahren, die Telekommunikation sowie der Katastrophenschutz und der
Finanzsektor." Die Genauigkeit und die höhere Taktfrequenz laseroptischer
Uhren soll zudem leistungsfähigere Kommunikationsnetzwerke mit höheren
Datenraten ermöglichen.
Am DLR-Institut für Quantentechnologien entsteht aktuell eine
weltraumtaugliche Version der Laseruhr, die 2027 zur Internationalen
Raumstation (ISS) starten soll. Für den Einsatz im All muss die Uhr
besonders leicht, kompakt, robust und gleichzeitig zuverlässig sein. Im
realen Betrieb müssen Satellitenuhren mindestens 15 Jahre autonom und
störungsfrei laufen. "Wir wollen ein Flugmodell unserer Laseruhr auf der
europäischen Bartolomeo-Plattform der ISS erproben. In diesem Außenlabor ist
die Uhr typischen Weltraumbedingungen ausgesetzt. Sie muss im Vakuum sowohl
bei direkter Sonneneinstrahlung sowie im Schatten der Erde im tiefkalten
Weltraum ohne direkten Zugriff einwandfrei funktionieren", erläutert
Braxmaier. "Herausfordernd ist dabei, die Dampfzelle mit dem Jodgas konstant
auf 20 Grad Celsius zu halten – egal, ob sie gerade in der Sonne oder im
Schatten ist. Die gleichbleibende Temperatur ist wichtig für die hohe
Genauigkeit der Uhr. Wir wollen damit zeigen, dass sich unsere Laseruhr für
die nächsten Generationen des europäischen Satellitennavigationssystems
Galileo eignet."
Noch sind die Komponenten der Laseruhr auf einem Labortisch aufgebaut. Im
nächsten Schritt muss das Forschungsteam die Uhr möglichst kompakt
zusammenbauen, damit alles auf die Größe von zwei Schuhkartons passt. Das
Lasersystem enthält besonders temperaturstabile und alterungsbeständige
Materialien, wie Zerodurglas. Ein hochstabiler Leichtbau garantiert, dass
die Uhr die beim Raketenstart auftretenden Vibrationen und Kräfte aushält.
Im Weltraum darf sich nichts verziehen, damit die Wellenlänge des Lasers für
ein präzises Zeitsignal konstant bleibt. "Die Komponenten der Laseruhr haben
bereits mehrere Belastungsproben erfolgreich bestanden, beispielsweise auf
Höhenforschungsraketen oder im Fallturm", sagt Dr. Thilo Schuldt vom
DLR-Institut für Quantentechnologien.
Die Uhrentechnologie mit Gaszellen als Taktgeber hat noch einen weiteren
Vorteil: Sie lässt sich weiter verkleinern. Laseruhren von der Größe eines
Smartphones mit einer solchen Genauigkeit eröffnen völlig neue Anwendungen
und wirtschaftliche Perspektiven. Beispielsweise ließen sich mit
Mini-Laseruhren ausgestattete Fahrzeuge im Straßenverkehr oder Lieferdrohnen
in Städten mit einem gemeinsamen Navigationsmanagement vernetzen. Mit
solchen Informationen über Verkehrsströme ließen sich Effizienz und
Sicherheit erhöhen. "In Kombination mit Beschleunigungssensoren wäre mit
bordeigenen Laseruhren zudem ein schlechter oder unterbrochener
Satellitenempfang leicht zu überbrücken. Die hohe Signalstabilität der Uhr
schafft die Grundlage, auch unter schwierigen Navigationsbedingungen exakte
Positionsdaten zu berechnen, etwa zwischen Häuserzeilen oder in Tunneln",
erklärt Schlüter.