Stürmisch bis in 2000 Kilometer Tiefe
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung astronews.com
12. Juni 2024
Die Orkane, die in streifenartigen Sturmbändern über den Jupiter rasen, setzen
sich weit ins Innere seiner Atomsphäre fort. Das ist das Ergebnis von jetzt
vorgestellten Computersimulationen, mit denen die Vorgänge in der Atmosphäre des
Gasriesen so realistisch wie nie zuvor modelliert wurden. Erst in einer Tiefe
von etwa 2000 Kilometern dürften die Winde abrupt abreißen.
Seine farblich klar abgesetzten Sturmbänder
verleihen dem Jupiter eine Art Streifenmuster. Innerhalb der
Sturmbänder jagen die Winde in Orkanstärke um den Planeten.
Nur in der Nähe der Pole wehen sie etwas ruhiger.
Bild: NASA / ESA / Amy Simon (NASA-GSFC)/
Michael H. Wong (UC Berkeley) (Wissenschaft) / Joseph
DePasquale (STScI)(Bildverarbeitung) [Großansicht] |
Das äußere Erscheinungsbild des Jupiters ist geprägt von seinen markanten Jetstreams: farblich klar abgesetzten Sturmbändern, die in latitudinaler
Richtung verlaufen und dem gewaltigen Gasriesen eine Art Streifenmuster
verleihen. Die Windgeschwindigkeiten, mit denen die Wolken dort um den Planeten
jagen, nehmen es spielend mit denen der heftigsten irdischen Orkane auf und
überstiegen sie zum Teil sogar. Nur an den Polen weht mit Geschwindigkeiten von
etwa 100 Kilometern pro Stunde ein deutlich ruhigeres Lüftchen. Ob die Orkane
nur die oberste, etwa 50 Kilometer dicke Wolkenschicht bestimmen oder deutlich
tiefer in die darunter liegende Atmosphäre reichen, ist unklar. Die aktuellen
Ergebnisse der Göttinger Forscherinnen und Forscher stützen nun Theorien, wonach
die Winde noch tief im Innern toben, dann aber ab einer bestimmten Tiefe recht
abrupt abreißen.
Wie es unter der Wolkenschicht des Jupiters zugeht, sollte eigentlich die
amerikanische Raumsonde Juno enthüllen. Vor acht Jahren erreichte sie
das Jupitersystem. Aus einer Umlaufbahn um den Gasriesen registriert die Sonde
minimale Veränderungen im Schwerfeld des Planeten. Diese erlauben auch
Rückschlüsse auf die strömenden Gasmassen im Innern. Doch die Interpretation der
Messdaten ist knifflig. Während eine internationale Forschergruppe unter Leitung
des israelischen Weizmann-Instituts für Wissenschaften 2018 vermeldete, die
Winde erstreckten sich einige tausend Kilometer in die Tiefe, blieben andere
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler skeptisch. Sie argumentieren, dass die
Messdaten auch mit deutlich flacheren Orkanen in Einklang zu bringen seien.
In seinen jetzt vorgestellten Simulationen modelliert ein Team am
Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung (MPS) in Göttingen das komplexe
Zusammenspiel von Auftrieb sowie magnetischen und Corioliskräften in einer
Schicht, die 5600 Kilometer in die Atmosphäre des Jupiters reicht. Der Radius
des Jupiters miss mehr als 70.000 Kilometer. "Der Jupiter ist ein ausgesprochen
extremer Ort; selbst die Vorgänge in dieser äußeren Schicht zu simulieren, ist
eine riesige Herausforderung und stellt gewaltige Anforderungen an die
Rechenleistung", so Prof. Dr. Ulrich Christensen, Emeritus-Direktor am MPS.
Zudem stelle das grundsätzliche Verständnis, wie die verschiedenen Kräfte
zusammenwirken um den plötzlichen Abfall der Windgeschwindigkeiten in der Tiefe
zu bewirken, eine große theoretische Herausforderung dar, erklärt der Forscher.
Wichtige physikalische Eigenschaften wie etwa elektrische Leitfähigkeit und
Dichte, die sich auf die Ergebnisse der Simulationen maßgeblich auswirken,
verändern sich innerhalb der Jupiter-Atmosphäre drastisch. Unter der obersten
Wolkenschicht liegen Wasserstoff und Helium, die beide Hauptbestandteile des
Jupiters, in gasförmigem Zustand vor. Mit zunehmender Tiefe nimmt der Druck
jedoch so stark zu, dass beide Gase zunächst in den flüssigen, tiefer unten
sogar in den metallischen Zustand übergehen. In einer Tiefe von 5600 Kilometern,
bis zu der die MPS-Forschenden die Vorgänge simuliert haben, erreicht die
elektrische Leitfähigkeit zwar nicht die Werte typischer Metalle, hat aber im
Vergleich zur Wolkenschicht um mehr als das Millionenfache zugenommen. Das neu
entwickelte Modell ist erstmals in der Lage dies zu berücksichtigen.
Die neuen Simulationen erlauben so den bisher realistischsten "rechnerischen"
Blick in die tiefe Jupiter-Atmosphäre. Wie sich zeigt, geben die Rechnungen nur
dann das Magnetfeld des Jupiters richtig wieder, wenn tief in der Atmosphäre
eine stabile Schicht angenommen wird. "Die stabile Schicht dürfte in etwa 2000
Kilometern Tiefe liegen", erklärt Dr. Paula Wulff, die nach ihrer Promotion am
MPS nun an der University of California in Los Angeles forscht. "Die
Orkanwinde des Jupiters reichen bis zur oberen Grenze dieser Schicht hinunter",
so Christensen. Erst an ihrem oberen Ende brechen die tiefen Orkanwinde abrupt
ab. Der Effekt dürfte in der Nähe der Pole deutlich ausgeprägter sein.
Dies könnte helfen zu erklären, warum dort die Winde in der Wolkenschicht
langsamer wehen. Genaue Eigenschaften der 2000 Kilometer tiefen Schicht sind
nicht bekannt. Forschende mutmaßen, dass dort Wasserstoff und Helium nach
Gewicht geschichtet – also unten Helium, oben Wasserstoff – vorliegen. Eine
solche Schicht würde Bewegungen wie das Aufsteigen von Material aus größerer
Tiefe ebenso wie das Absinken weiter außen liegenden Materials hemmen. Einen
direkten Beweis für die Grenzschicht gibt es bisher nicht.
Das MPS-Team hofft, dass es in Zukunft möglich sein wird, mit anderen
Methoden Informationen über das Innere der Atmosphäre zu sammeln. Eine
Möglichkeit dazu bieten die Eigenschwingungen des Jupiters, welche die Raumsonde
Juno vor zwei Jahren aufzeichnen konnte. Störungen dieser Schwingungen
können verraten, was genau sich im Innern des Gasriesen abspielt – und Junos
Blick ins Innere des Planeten durch eine neue Methode verfeinern.
Die Ergebnisse wurden jetzt in der Fachzeitschrift
Proceedings of the National Acadamy of Sciences veröffentlicht.
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