Stellare Schwarze Löcher können auch ohne Supernova entstehen
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Astrophysik astronews.com
21. Mai 2024
Die Kombination von Beobachtungen des neu entdeckten
Doppelsternsystems VFTS 243 in der Großen Magellanschen Wolke mit
hochentwickelten Modellen über den Kollaps von Sternen lieferte nun wichtige
Erkenntnisse über die Entstehung stellarer Schwarzer Löcher: Manche können
offenbar auch ganz ohne eine helle Supernova-Explosion entstehen.
Künstlerische Darstellung des
Doppelsternsystems VFTS 243 in der Großen Magellanschen Wolke.
Bild: ESO / L. Calçada [Großansicht] |
Seit Jahrzehnten weiß man, dass es in unserer Milchstraße Doppelsternsysteme
gibt, bei denen einer der beiden Sterne ein Schwarzes Loch ist. "Die Entdeckung
des Doppelsternsystems VFTS 243 in unserer Nachbargalaxie, der Großen
Magellanschen Wolke, war außergewöhnlich, und das System selbst ist
bemerkenswert", sagt Alejandro Vigna-Gómez, der zum Zeitpunkt der Entdeckung von
VFTS 243 als Postdoktorand am Niels-Bohr-Institut in Kopenhagen tätig war und
jetzt am Max-Planck-Institut für Astrophysik (MPA) in Garching arbeitet. Das
Doppelsternsystem besteht aus einem Stern mit der 25-fachen Masse der Sonne und
einem begleitenden Schwarzen Loch mit der 10-fachen Masse der Sonne.
Sterne, die um ein Vielfaches massereicher sind als die Sonne, beenden ihr
Leben in gewaltigen und leuchtstarken Explosionen, sogenannten Supernovae. Beim
Kollaps des dichten metallischen Kerns des massereichen Sterns wird eine große
Menge Energie freigesetzt, die hauptsächlich in Form von Neutrinos entweicht,
während die äußeren Schichten des Sterns ins Weltall geschleudert werden. Dieses
Material kann ein Vielfaches der Masse der Sonne betragen und wird mit
Geschwindigkeiten von Hunderten bis Tausenden von Kilometern pro Sekunde
ausgestoßen. Dies führt zu großskaligen Asymmetrien der ausgestoßenen Materie,
die wir auch in den Überresten der Supernova-Explosionen beobachten.
Diese Asymmetrien und Auswürfe von Materie wirken sich direkt auf den sehr
dichten Überrest im Kern aus: Der durch die Supernova entstandene Neutronenstern
erfährt einen Rückstoß - einen Geburtskick - der seine Geschwindigkeit abrupt
ändern kann. Für Neutronensterne gibt es zahlreiche Belege für solche Kicks, da
wir ihre Bewegung mit hohen Geschwindigkeiten in der gesamten Milchstraße
beobachten. Bei den massereichsten kompakten Objekten, den Schwarzen Löchern,
sind diese Geburtskicks jedoch nicht gut verstanden.
Solche stellaren Schwarzen Löcher entstehen beim Kollaps massereicher Sterne,
insbesondere wenn keine Explosion zustande kommt und die einfallende Materie in
sich kollabiert. Die jüngste Entdeckung "verschwindender" Sterne lässt vermuten,
dass ein großer Teil der kollabierenden massereichen Sterne stattdessen Schwarze
Löcher ohne begleitende Explosion bildet, die wir im Gegensatz zu den hellen
Supernovae nicht beobachten können. Es ist jedoch unklar, wie viel Masse diese
Sterne bei der Entstehung von Schwarzen Löchern verlieren, oder wie groß ihre
ursprünglichen Kicks sind.
Wenn der massereiche Stern direkt zu einem Schwarzen Loch kollabiert, wird
keine baryonische Materie herausgeschleudert, und die Energie geht überwiegend
in Form von Neutrinos verloren. "VFTS 243 hat es uns ermöglicht, dieses Szenario
zu testen", sagt Vigna-Gómez. Das Team untersuchte das vollständige
Kollaps-Szenario für das Doppelsternsystem VFTS 243, bei dem ein Stern, zehnmal
massereicher als die Sonne, seinen Lebenszyklus durch eine Implosion beendete.
Mit modernsten Modellen des Sternkollapses, die am MPA entwickelt wurden,
berechneten sie die Auswirkungen auf die Umlaufbahn eines Doppelsternsystems
während der Entstehung des Schwarzen Lochs.
Im Szenario des vollständigen Kollapses wird die enorme gravitative
Bindungsenergie, die bei der Entstehung des Schwarzen Lochs freigesetzt wird,
ausschließlich von den schwach wechselwirkenden, neutralen und leichten
Neutrinos fortgetragen. "Die Untersuchung der physikalischen Prozesse, die im
tiefsten Inneren kollabierender Sterne ablaufen, ist extrem schwierig und nur
unter besonderen Umständen möglich", sagt H.-Thomas Janka, Supernova-Theoretiker
am MPA. "Das im Doppelsternsystem VFTS 243 beobachtete Schwarze Loch ist ein
solcher Spezialfall", ergänzt Daniel Kresse, Postdoktorand in Jankas Gruppe. "Es
erlaubte uns zum ersten Mal die Schlussfolgerung, dass Neutrinos nahezu
gleichmäßig in alle Richtungen emittiert werden, wenn der massereiche Vorläufer
kollabiert und das Schwarze Loch entsteht."
"Unsere Studie ist ein Paradebeispiel für die Synergie zwischen Theorie und
Beobachtungen", schließt Vigna Gómez. "Durch die Kombination hochentwickelter
numerischer Modelle des Sternkollapses mit den grundlegenden Effekten von
Supernovae in Doppelsternsystemen konnten wir entscheidende Einblicke gewinnen,
wenn Sterne vollständig kollabieren, und insbesondere nachweisen, dass
massereiche Schwarze Löcher auch ohne Explosion entstehen können."
Die Ergebnisse wurde kürzlich in den Physical Review Letters
veröffentlicht.
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