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Die entfernteste Verschmelzung zweier supermassereicher Schwarzer Löcher
von
Stefan Deiters astronews.com
17. Mai 2024
Mithilfe des Weltraumteleskops James Webb hat ein
Forschungsteam Hinweise auf die Verschmelzung zweier Galaxien und ihrer
supermassereichen Schwarzen Löcher nur 740 Millionen Jahre nach dem Urknall
gefunden. Eine solche Verschmelzung war in dieser Entfernung und so früh in der
Geschichte des Universums bislang noch nicht beobachtet worden.
ZS7, ein System aus zwei verschmelzenden Galaxien, das wir nur
740 Millionen Jahre nach dem Urknall sehen.
Bild: ESA / Webb, NASA, CSA, J. Dunlop, D. Magee, P.
G. Pérez-González, H. Übler, R. Maiolino, et. al [Großansicht] |
Praktisch jede normale Galaxie beherbergt in ihrem Zentrum ein
supermassereiches Schwarzes Loch, dessen Masse von einigen Millionen bis hin
zu Milliarden Sonnenmassen reichen kann. Auch unsere Milchstraße bildet da
keine Ausnahme: "Unser" supermassereiches Schwarzes Loch hat eine Masse von
rund 4,1 Millionen Sonnenmassen. Man nimmt an, dass diese Schwarzen Löcher
einen großen Einfluss auf die Entwicklung ihrer jeweiligen Wirtsgalaxien
haben, doch ist bis heute nicht klar, wie diese Objekte eigentlich zu dieser
enormen Masse anwachsen konnten. Der Nachweis von massereichen Schwarzen
Löchern bereits in der ersten Milliarde Jahre nach dem Urknall deutet darauf
hin, dass ein solches Wachstum sehr schnell und sehr früh stattgefunden haben
muss.
Neue Beobachtungen mit dem Weltraumteleskop James Webb liefern nun
neue Hinweise auf diese frühe Wachstumsphase: Die Beobachtungen deuten auf eine
anhaltende Verschmelzung zweier Galaxien und ihrer massereichen Schwarzen Löcher
hin als das Universum gerade einmal 740 Millionen Jahre alt war. Das von
James Webb beobachtete System ist als ZS7 katalogisiert. Massereiche
Schwarze Löcher, die gerade dabei sind, Materie aufzunehmen, verraten sich durch
die spektralen Merkmale der Strahlung, die aus der Scheibe aus Material stammt,
das um das Schwarze Loch kreist bevor es in diesem verschwindet. Die Aufnahme
von Material durch ein Schwarzes Loch bezeichnet man in der Astronomie auch als
Akkretion. Die Merkmale dafür lassen sich bei weit entfernten Systemen
allerdings nur aus dem Weltall entdecken.
"Wir fanden Hinweise auf sehr dichtes Gas mit hohen Geschwindigkeiten
in der Nähe des Schwarzen Lochs sowie auf heißes und stark ionisiertes Gas, das
von der energiereichen Strahlung beschienen wird, die typischerweise von
Schwarzen Löchern in ihren Akkretionsphasen ausgesandt wird", so Hannah Übler
von der University of Cambridge. "Dank der beispiellosen Schärfe der
Bilder von Webb war es unserem Team möglich, die beiden Schwarzen
Löcher räumlich zu trennen." Die Untersuchungen ergaben, dass eines der beiden
Schwarzen Löcher eine Masse hat, die 50 Millionen Mal der Masse der Sonne
entspricht. "Die Masse des anderen Schwarzen Lochs ist wahrscheinlich ähnlich,
obwohl sie viel schwieriger zu messen ist, weil dieses zweite Schwarze Loch in
dichtem Gas verborgen ist", berichtet Roberto Maiolino von der University of
Cambridge und dem University College London.
"Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Verschmelzung ein wichtiger
Weg ist, auf dem Schwarze Löcher schnell wachsen können, selbst in der
kosmischen Morgendämmerung", unterstreicht Übler. "Zusammen mit anderen
Webb-Ergebnissen über aktive, massereiche Schwarze Löcher im fernen Universum
zeigen unsere Ergebnisse auch, dass massereiche Schwarze Löcher die Entwicklung
von Galaxien von Anfang an geprägt haben."
Das Team weist zudem darauf hin, dass durch die bevorstehende Verschmelzung
der beiden Schwarzen Löcher auch Gravitationswellen erzeugen werden sollten.
Solche Ereignisse könnten mit der nächsten Generation von
Gravitationswellendetektoren, wie etwa der geplanten Mission Laser
Interferometer Space Antenna (LISA) nachgewiesen werden. LISA wird das
erste Observatorium im Weltraum sein, das nach Gravitationswellen fahndet. "Die
Ergebnisse von Webb sagen uns, dass leichtere Systeme, die von LISA
detektiert werden können, weitaus häufiger vorkommen sollten als bisher
angenommen", unterstreicht die leitende LISA-Projektwissenschaftlerin Nora
Luetzgendorf von der Europäischen Weltraumorganisation ESA.
Das Team hat in Webbs Beobachtungszyklus 3 neue Beobachtungszeit
erhalten, um die Beziehung zwischen massereichen Schwarzen Löchern und ihren
Wirtsgalaxien in der ersten Milliarde Jahre im Detail zu untersuchen. Ein
wichtiger Bestandteil dieser Studie wird die systematische Suche und
Charakterisierung von Verschmelzungen Schwarzer Löcher sein. Die aktuellen
Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift Monthly Notices of the Royal
Astronomical Society veröffentlicht.
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