Von einem neuen Raketenstartplatz in Schottland aus soll
Ende des Jahres ein von Bremer Studierenden entwickelter und gebauter Satellit
ins All starten. In der Hansestadt laufen dafür gerade die Vorbereitungen. In
dieser Woche sind die Studierenden aber nach Belgien gereist, wo ihr Satellit
VIBES Pioneer eine spezielle Testkampagne bei der ESA absolviert.
Es sind nur noch ein paar Monate, dann können Studierende der Hochschule
Bremen (HSB) ihren selbstgebauten Satelliten von Schottland aus in den
Weltraum starten. Damit der Satellit den Raketenstart unbeschadet übersteht,
laufen die Vorbereitungen auf Hochtouren: In dieser Woche führt das HSB-Team
mit Unterstützung von Expertinnen und Experten des "Education Office" der
Europäischen Weltraumorganisation ESA eine spezielle Testkampagne in Belgien
durch.
Die Studierenden hatten diese kostenlose Mitfluggelegenheit ins All bei
einem Wettbewerb des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) im
vergangenen Jahr gewonnen. Ende dieses Jahres soll ihr selbstgebauter
Kleinsatellit VIBES Pioneer von Schottland aus mit einer
Trägerrakete der Rocket Factory Augsburg starten. "Für die HSB und die am
Projekt beteiligten Studierenden ist das eine einmalige Gelegenheit", sagt
Projektleiter Prof. Dr. Antonio Garcia der Fakultät 5 – Natur und Technik.
Mit einer Größe von 10 mal 10 mal 30 Zentimetern ist VIBES Pioneer
in etwa so groß wie ein schmaler Schuhkarton. Trotz der kleinen Dimensionen
trägt der Satellit allerhand moderne Technik in seinem Inneren, darunter ein
neuartiges Messsystem für mechanischen Störungen, dessen Daten zur Erhöhung
der Qualität von Fotos der Erde und des Weltraums verwendet werden.
Begonnen wurden die Arbeiten 2022 im Rahmen des Forschungsprojektes
VIBES. Die Abkürzung steht für "Visionary Ingenuity Boosting European
Spacecraft" und verfolgt das Ziel, die Consumer-Electronics-Revolution in
den Weltraum zu bringen. "Wir wollen moderne Technologien für
Raumfahrtanwendungen nutzbar machen, um die Leistungsfähigkeit von
Raumfahrzeugen zu verbessern", so Garcia. Um ihren Satelliten für den Flug
ins Weltall fit zu machen, hat sich das VIBES-Team im vergangenen Jahr über
das "FlyYour Satellite! Test Opportunities"-Programm des Education Office
der ESA auf eine spezielle Testmöglichkeit beworben. Mit Erfolg: Sechs
VIBES-Teammitglieder dürfen nun in dieser Woche zum European Space
Education Centre ins Belgische Redu fahren, um in der dortigen
CubeSat Support Facility mit Unterstützung von Expertinnen und Experten
der ESA die Struktur ihres Satelliten verschiedenen Rütteltests zu
unterziehen.
"Beim Start wirken große Kräfte auf den Satelliten. Mit den Rütteltests
können wir diese Belastungen nachstellen", erklärt Linus Siffczyk. Der
HSB-Student schreibt derzeit seine Bachelorarbeit bei VIBES und ist
verantwortlich für die technische Umsetzung der Kampagne. "Die während der
Tests gewonnenen Daten werden uns helfen, unsere Simulationen zu überprüfen
und damit sicher zu stellen, dass VIBES Pioneer den extremen
Belastungen beim Raketenstart standhalten wird." Dass das VIBES-Team diese
Tests mit Unterstützung der ESA durchführen kann, sei eine großartige
Gelegenheit und bereichernde Lernerfahrung, so Siffczyk.
Mehrere Monate hat das VIBES-Team an der Vorbereitung der Testkampagne
gearbeitet. Neben regelmäßigen Statustreffen mit den Expertinnen und
Experten der ESA wurden auch zwei Vortests in einem Labor der HSB
durchgeführt. Diese wurde unter Leitung von Siffczyk von Studierenden des
Moduls "Satellitentechnik und Orbitalsysteme" des Bachelorstudiengangs Luft-
und Raumfahrttechnik durchgeführt. "Neben den technischen Zielen streben wir
bei VIBES eine enge Integration von Forschung und Lehre an. Das heißt, dass
die Studierenden bereits als Teil ihres regulären Studienprogramms so viel
wie möglich praktisch lernen sollen", erklärt Garcia. "In diesem Semester
bieten wir den Studierenden erstmals die Möglichkeit, als Teil eines Moduls
an echter Weltraum-Hardware zu arbeiten – das heißt, was die Studierenden
jetzt als Teil ihres Studiums entwickeln, wird am Ende tatsächlich ins All
fliegen!"
Bis VIBES Pioneer Ende des Jahres ins All gestartet werden kann,
ist jedoch noch eine Menge zu tun: Nach der Testkampagne in Belgien stehen
die finalen Entwicklungsarbeiten an. Für die Sommermonate sind der
Zusammenbau sowie intensive Tests des fertigen Satelliten geplant. Diese
werden primär in Bremen an der HSB sowie bei Partnerinstitutionen wie dem
Zentrum für angewandte Raumfahrttechnologien und Mikrogravitation (ZARM)
durchgeführt. Ende des Jahres wird VIBES Pioneer dann zur
Startanlage auf den Shetlandinseln im Norden Schottlands transportiert. Dort
wartet die RFA-ONE-Trägerrakete der Rocket Factory Augsburg, um VIBES
Pioneer und eine Handvoll weiterer Nutzlasten in einen erdnahen Orbit
zu transportieren. "Das ist der Tag, auf den wir alle begeistert hin
fiebern", sagt Siffczyk.
VIBES Pioneer soll für die Hochschule Bremen nur der Anfang
sein: "Es ist unser 'Pionier', mit dem wir lernen, wie im universitären
Kontext Kleinsatelliten entwickelt, gebaut und betrieben werden können", so
Tim Gust, verantwortlich für Missions- und Projektentwicklung bei VIBES.
"Der nächste Satellit ist bereits in Planung und wird auf den Erfahrungen
von VIBES Pioneer aufbauen." Damit wird nicht nur die nächste
Generation von Weltraumtechnologien an der Hochschule Bremen entwickelt
werden, sondern auch die nächste Generation von Weltraumpionierinnen und
-pionieren in der "City of Space" heranwachsen.