Die Vorläufersterne wasserstoffarmer Supernovae
Redaktion
/ Pressemitteilung des Institute of Science and Technology Austria astronews.com
15. Dezember 2023
Massereiche Sterne beenden ihr stellares Leben in einer Supernova-Explosion und
können dadurch ihre Umgebung entscheidend prägen. Allerdings schien eine
bestimmte Art von Supernovae deutlich häufiger vorzukommen, als man sich das
erklären konnte. Zwei Astrophysikerinnen haben sich nun auf die Suche nach den
Vorläufersternen dieser Supernovae gemacht - und wurden fündig.
Künstlerische Darstellung eines
Doppelsternsystems mit Massentransfer von einem zum anderen
Partner.
Bild: Ylva Götberg [Großansicht] |
Manche Sterne sterben nicht einfach, sondern sie explodieren am Ende ihres
stellaren Lebens in einer gewaltigen Explosion, die ganze Galaxien überstrahlen
kann. Diese kosmischen Phänomene, Supernovae genannt, verbreiten Licht,
Elemente, Energie und Strahlung im Weltall. Mit den galaktischen Stoßwellen, die
sie erzeugen, komprimieren Supernovae Gaswolken und können die Geburt neuer
Sterne anregen. Supernovae spielen im Universum also eine wichtige Rolle.
Jedoch haben wasserstoffarme Supernovae von explodierenden massereichen
Sternen die Forschung lange Zeit vor ein Rätsel gestellt. Der Grund: Man war
nicht in der Lage, ihre Vorläufersterne zu identifizieren. Es ist fast so, als
wären diese Supernovae aus dem Nichts aufgetaucht. "Es gibt viel mehr
wasserstoffarme Supernovae, als unsere derzeitigen Modelle erklären können.
Entweder können wir die Sterne, die sich auf diesem Weg entwickeln, nicht
entdecken, oder wir müssen alle unsere Modelle überarbeiten", sagt Ylva Götberg,
Assistenzprofessorin am Institute of Science and Technology Austria
(ISTA). Sie leistete die aktuelle Studie zusammen mit Maria Drout, einer
assoziierten Assistenzprofessorin des Dunlap Institute for Astronomy &
Astrophysics an der Universität Toronto in Kanada.
"Einzelne Sterne explodieren normalerweise als wasserstoffreiche Supernovae.
Dass sie wasserstoffarm sind, bedeutet, dass der Vorläuferstern seine dicke,
wasserstoffreiche Hülle verloren haben muss. Dies geschieht bei einem Drittel
aller massereichen Sterne auf natürliche Weise durch Abstreifen der Hülle durch
einen Doppelstern", erläutert Götberg. Nun haben Götberg und Drout ihre
Kompetenzen in der theoretischen Modellierung und Beobachtung kombiniert, um die
fehlenden Sterne aufzuspüren - und waren erfolgreich: Sie spürten eine neuartige
Sternpopulation auf, die Licht auf den Ursprung wasserstoffarmer Supernovae
wirft.
Die Sterne, nach denen Götberg und Drout suchen, kommen paarweise vor: jeder
Stern ist mit einem Begleitstern in einem Doppelsternsystem verbunden. Die
Sterne dürften ursprünglich Teil eines massereichen Doppelsternsystems gewesen
sein. In einem Doppelsternsystem kreisen die Sterne umeinander, bis sich die
dicke, wasserstoffreiche Hülle des massereicheren Sterns ausdehnt. Schließlich
wird die expandierende Hülle stärker an den Begleitstern angezogen als auf den
eigenen Kern. Dadurch setzt ein Massentransfer ein, der schließlich dazu führt,
dass die gesamte wasserstoffreiche Hülle abgestreift wird und der heiße und
kompakte Heliumkern freiliegt – mehr als zehnmal so heiß wie die
Sonnenoberfläche.
Dies ist genau die Art von Sternen, nach denen Götberg und Drout suchen. "Wissenschafterinnen
und Wissenschaftler ahnten bereits, dass Heliumsterne mittlerer Masse, die durch
binäre Wechselwirkung entstanden sind, eine wichtige Rolle in der Astrophysik
spielen. Dennoch wurden solche Sterne bisher nicht beobachtet", sagt Götberg.
Tatsächlich gibt es eine große Masselücke zwischen den bekannten Klassen von
Heliumsternen: die massereicheren Wolf-Rayet-Sterne (WR) haben mehr als das
Zehnfache der Sonnenmasse, und die massearmen Unterzwergsterne könnten etwa die
Hälfte der Sonnenmasse haben. Laut Modellen liegen jedoch die Vorläufer
wasserstoffarmer Supernovae nach dem Massentransfer zwischen zwei und acht
Sonnenmassen.
Vor der Studie von Götberg und Drout wurde nur ein Stern gefunden, der die
erwarteten Kriterien für Masse und Zusammensetzung erfüllte. Dadurch, dass er an
Wolf-Rayet-Sterne erinnerte, wurde er "Quasi-WR" benannt. "Doch die Sterne, die
sich auf diesem Weg entwickeln, haben eine so lange Lebensdauer, dass viele von
ihnen über das gesamte beobachtbare Universum verstreut sein müssen", sagt
Götberg. Wurden sie also einfach übersehen?
Um diese Frage zu beantworten, schauten sich die Forscherinnen
Beobachtungsdaten an: Mithilfe von UV-Photometrie und optischer Spektroskopie
identifizierten sie schließlich eine Population von 25 Sternen, die mit den
Erwartungen für Heliumsterne mittlerer Masse übereinstimmen. Die Sterne befinden
sich in zwei gut untersuchten benachbarten Satellitengalaxien der Milchstraße,
der Großen und der Kleinen Magellanschen Wolke. "Wir haben gezeigt, dass diese
Sterne blauer sind als die Sternen-Geburtslinie, die blaueste Phase im Leben
eines einzelnen Sterns. Einzelne Sterne entwickeln sich zum rötlichen Bereich
des Spektrums hin. Ein Stern verschiebt sich nur dann in die entgegengesetzte
Richtung, wenn seine äußeren Schichten entfernt werden – etwas, das bei
wechselwirkenden Doppelsternen häufig und bei massereichen Einzelsternen selten
vorkommt", erklärt Götberg.
Die Forscherinnen konnten außerdem zeigen, dass die Sterne starke spektrale
Signaturen von ionisiertem Helium aufweisen. "Starke ionisierte Heliumlinien
geben uns zwei wichtige Hinweise: Erstens bestätigen sie, dass die äußersten
Schichten der Sterne von Helium dominiert werden und zweitens, dass ihre
Oberfläche sehr heiß ist. Das ist das, was bei Sternen passiert, die nach dem
Massentransfer einen freiliegenden, kompakten, heliumreichen Kern haben", sagt
Götberg.
In einem Doppelsternsystem tragen jedoch beide Sterne zu den beobachteten
Spektren bei. So konnten die Forscherinnen mit dieser Technik ihre
Kandidatenpopulation danach klassifizieren, welcher Stern den größten Beitrag
zum Spektrum leistet. "Diese Arbeit ermöglichte es uns, die fehlende Population
von Heliumsternen mittlerer Masse zu finden, die als Vorläufer von
wasserstoffarmen Supernovae vorhergesagt werden. Diese Sterne hat es schon immer
gegeben, und es gibt wahrscheinlich noch viel mehr von ihnen da draußen. Wir
müssen nur Wege finden, um sie zu finden", sagt Götberg. "Unsere Arbeit ist
vielleicht einer der ersten Versuche, aber es sollte noch weitere Möglichkeiten
geben."
Die Idee zu diesem Projekt entstand in einer Diskussion nach einem Vortrag
von Götberg auf einer Konferenz, die sie und Drout während ihres Studiums
besuchten. Die Ergebnisse der Studie wurden jetzt in der Fachzeitschrift
Science veröffentlicht.
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