Galaktische Winde sind ein häufiges Phänomen
Redaktion
/ Pressemitteilung des Leibniz-Instituts für Astrophysik Potsdam astronews.com
7. Dezember 2023
Galaxien geben unter Umständen enorme Materiemengen an ihre
Umgebungen ab, ausgelöst durch eine Vielzahl von Explosionen massereicher
Sterne. Mit dem MUSE-Instrument am Very Large Telescope der
europäischen Südsternwarte ESO konnte nun zum ersten Mal nachgewiesen werden,
dass solche "galaktischen Winde" keineswegs selten sind, sondern geradezu häufig
stattfinden.
Galaktische Winde werden auch bei
vergleichsweise nahen Galaxien, wie etwa bei Messier 82, die
wegen ihrer Form Zigarrengalaxie genannt wird, beobachtet.
Bild:
NASA, ESA und the Hubble Heritage Team (STScI/AURA).
Acknowledgment: J. Gallagher (University of Wisconsin), M.
Mountain (STScI) und P. Puxley (NSF) [Großansicht] |
Ein internationales Forschungsteam, das vom französischen Centre national
de la recherche scientifique (CNRS) geleitet wurde, fand bei der
Untersuchung einer Stichprobe von rund 100 Galaxien die für galaktische Winde
charakteristischen doppelkegelförmigen Strukturen vor. Diese werden jedoch nur
in bestimmten Spektrallinien des Lichts und nur bei extrem hoher Empfindlichkeit
der Messung erkennbar. Zuvor waren nur einige wenige solcher Fälle bekannt, die
meisten davon ebenfalls mit dem MUSE-Instrument am Very Large Telescope
der Europäischen Südsternwarte (ESO) entdeckt. Prof. Dr. Lutz Wisotzki, Leiter
der Abteilung Galaxien und Quasare am Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam
(AIP) sagt dazu: "MUSE zeigt uns, dass solche galaxienweiten Ausströmungen in so
gut wie jeder sternbildenden Galaxie vorhanden sind. Darüber hinaus können wir
anhand der neuen Ergebnisse genau erkennen, welche Ausdehnung und welche Form
diese galaktischen Winde typischerweise haben. Bisher war dies nur in sehr
seltenen Extremfällen möglich."
Es wird angenommen, dass ausströmendes Gas eine entscheidende Rolle bei der
kosmischen Entwicklung von Galaxien spielt, indem es deren Wachstum und
Sternentstehung reguliert. Theoretische Berechnungen sagen "bipolare" Formen
für die Ausströmungen vorher, die sich oberhalb und unterhalb der
Galaxienebene bis weit in das zirkumgalaktische Medium erstrecken. Ähnliche
Formen wurden auch in einigen nahen Galaxien, beispielsweise der
"Zigarrengalaxie" M 82 und sogar in unserer eigenen Milchstraße, schon direkt
beobachtet, allerdings sieht man hier nur die innersten Bereiche und kann kein
Gesamtbild erstellen.
Kosmologische Simulationen der Galaxienbildung sagen für das junge Universum
voraus, dass das Phänomen der galaktischen Winde während dieser Frühphasen
deutlich häufiger und stärker auftrat: Aufgrund der höheren
Sternbildungsaktivität junger Galaxien gab es mehr Supernova-Explosionen und
dadurch stärkere Ausströmungen. Diese transportieren Gas und Energie aus einer
Galaxie in ihre Umgebung und entziehen ihr somit den notwendigen Treibstoff für
weitere Sternentstehung, während sie gleichzeitig ihre "zirkumgalaktische"
Umgebung anreichern. Dieser Rückkopplungsprozess ist vermutlich ein
entscheidendes Element für unser Verständnis der Entstehung und Entwicklung
von Galaxien, er ist aber aufgrund der schwierigen Nachweisbarkeit des
Phänomens nur sehr unzureichend durch Beobachtungen erforscht.
Die neue Studie mit dem MUSE-Instrument zeigt nun unmittelbar, dass das
galaktische Gas bis zu einer Entfernung von mehr als 30.000 Lichtjahren in die
Umgebung der Galaxien ausströmt. Dabei hängt das beobachtbare Signal stark von
der Ausrichtung der Galaxie relativ zur Sichtlinie ab: Sieht man das System von
der Seite, so findet sich starke Emission oberhalb und unterhalb der
Galaxienebene, während bei Galaxien, die wir von "oben" oder "unten"
betrachten, das Signal schwächer und gleichmäßiger verteilt ist. Diese
Beobachtungen bestätigen auf sehr eindrückliche Weise die zuvor theoretisch
vorhergesagte bipolare Form der Ausströmungen senkrecht zur Galaxienebene.
Die Ergebnisse wurden jetzt in einem Fachartikel veröffentlicht, der in der
Zeitschrift Nature erschienen ist.
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