Die energetischen Winde der Dreiecksgalaxie
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie astronews.com
26. Oktober 2022
Untersuchungen des Zusammenspiels zwischen Sternentstehung
und dem interstellaren Medium sind wichtig, um die Entwicklung von Galaxien zu
verstehen. Nun zeigten Beobachtungen unserer Nachbargalaxie Messier 33 mit dem
Karl G. Jansky Very Large Array, dass dort ein direkter Zusammenhang
zwischen molekularem Gas und Sternentstehung besteht.
Künstlerische Illustration der von der
kosmischen Strahlung angetriebenen Winde (blau und grün),
überlagert von einem optischen Bild der Dreiecksgalaxie M 33
(rot und weiß), das auf Beobachtungen mit dem
VLT-Survey-Teleskop am Paranal-Observatorium der ESO in Chile
basiert.
Bild:
Institute for Research in Fundamental Sciences (IPM) &
Europäische Südsternwarte (ESO) [Großansicht] |
Galaxien sind Systeme aus Sternen und interstellarem Gas in
Wechselwirkung. Beobachtungen zeigen, dass Galaxien heute weniger Sterne bilden
als in der Vergangenheit. Da für die Entstehung von Sternen kaltes Gas benötigt
wird, bringen Modellrechnungen die Verlangsamung dieses Prozesses und die
beobachtete Entwicklung von Galaxien mit galaktischen Winden in Verbindung,
durch die kaltes Gas abtransportiert wird. Galaktische Winde entstehen in den
Scheiben von Galaxien und erstrecken sich auf den Halo und das intergalaktische
Medium; ihr Ursprung ist jedoch noch umstritten.
Supernova-Explosionen und aktive galaktische Kerne (AGN) können starke Winde
antreiben. Ihrer Rolle bei der Behinderung von Sternentstehung steht die
Tatsache entgegen, dass das Gas ihrer Winde in die Galaxienscheibe zurückfallen
und die Entstehung von neuen Sternen auslösen kann. Dank neuer hochaufgelöster
Radiobeobachtungen mit dem Karl G. Jansky Very Large Array im
US-Bundesstaat New Mexico fand ein internationales Forschungsteam Hinweise für
kosmische Strahlung als alternative Ursache für galaktische Winde, und zwar in
unserer Nachbargalaxie M 33 im Sternbild Dreieck in einer Entfernung von 2,7
Millionen Lichtjahren von der Erde. Dieses auch als Dreiecksgalaxie bekannte
System enthält rund 23-mal weniger Masse als die Milchstraße.
Kosmische Strahlung besteht aus hochenergetischen Teilchen, die sich nahezu
mit Lichtgeschwindigkeit bewegen. Sie können den Druck im interstellaren Medium
erhöhen, Ausströmungen verursachen und die Strukturen über eine gesamte Galaxie
hinweg verändern. Frühere Studien hatten bereits auf die Bedeutung der von
kosmischer Strahlung angetriebenen Winde für die Entstehung von Blasen in der
Milchstraße und in der Andromedagalaxie hingewiesen, die eine Größe von einigen
Tausend Lichtjahren haben.
"Das ist das erste Mal, dass wir Beweise für solche Winde in einer
massearmen, sternbildenden Spiralgalaxie wie M 33 finden", sagt Fatemeh
Tabatabaei, die leitende Forscherin der vorliegenden Untersuchung. "Dieser
Nachweis ergab sich aus einem Widerspruch, als wir feststellten, dass die
Elektronen der kosmischen Strahlung in Regionen energiereicher sind, in denen
auch das Magnetfeld stärker ist. In einem starken Magnetfeld erwartet man, dass
die Elektronen der kosmischen Strahlung Energie an eine stärkere
Synchrotronstrahlung verlieren." Tabatabaei forschte schon im Rahmen ihrer im
Jahr 2008 abgeschlossenen Promotion am Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR)
unter der Leitung von Rainer Beck, einem Mitautor der Studie.
Dieses Paradoxon kann aufgelöst werden, wenn man die Struktur des
Magnetfeldes in der Galaxie berücksichtigt. In Sternentstehungsgebieten wird das
Magnetfeld aufgrund von turbulenten Gasbewegungen durch die Wirkung eines
Dynamomechanismus verstärkt, der kinetische Energie in magnetische Energie
umwandelt. Die resultierenden Feldlinien sind stark ineinander verknäuelt. "Der
Dynamoeffekt ist ein wirkungsvoller Mechanismus, der überall im Universum
arbeitet: in Sternen, Planeten, Galaxien und sogar in riesigen intergalaktischen
Gaswolken", sagt Beck.
"Diese verwirbelte Struktur des Magnetfeldes hilft der kosmischen Strahlung,
sich über größere Bereiche zu verteilen, bevor sie ihre Energie durch die
Synchrotronkühlung im Magnetfeld verliert. Die hochenergetische kosmische
Strahlung kann sich dann leicht mit dem Hintergrundgas und -plasma verbinden und
so Gebiete hohen Drucks in der Scheibe erzeugen. Das daraus resultierende
Druckungleichgewicht zwischen der Scheibe und den äußeren Schichten im Halo
verursacht die Entstehung von Winden", fügt Tabatabaei hinzu.
Die aktuelle Untersuchung zeigt, dass von der kosmischen Strahlung
angetriebene Winde in den meisten Galaxien eine Rolle spielen können,
insbesondere in solchen mit relativ geringer Masse, aber aktiver Sternentstehung
wie M 33. Das sind Systeme, die viel häufiger im Kosmos auftreten als
massereiche Galaxien. Daher können die von der kosmischen Strahlung
angetriebenen Winde prinzipiell auch in früheren Epochen eine wichtige Rolle
beim Abtransport von Gas gespielt haben, da sie aufgrund der höheren
Sternentstehungsaktivität damals noch stärker waren.
"Um diese Ergebnisse zu bestätigen und die Untersuchung auf frühere Epochen
im Universum auszudehnen, sind detaillierte Radiobeobachtungen von weiter
entfernten Galaxien erforderlich, die mit zukünftigen empfindlichen
Radioteleskopen wie dem Next Generation Very Large Array und dem
SKA-Observatorium möglich werden", schließt Karl Menten, Direktor am MPIfR und
Leiter der Forschungsabteilung Millimeter- und Submillimeter-Astronomie,
ebenfalls Mitautor der Studie.
Über ihre Beobachtungen berichtet das Team in einem Fachartikel, der in der
Zeitschrift Monthly Notices of the Royal Astronomical Society erschienen
ist.
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