Die Silikatsandwolken von WASP-107b
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Astronomie astronews.com
16. November 2023
Mit dem James Webb Space Telescope (JWST) wurde nun
die Atmosphäre des 200 Lichtjahre entfernten Exoplaneten WASP-107b untersucht:
Beim Durchleuchten seiner wolkigen Atmosphäre entdeckte das Team Wasserdampf,
Schwefeldioxid und sogar Silikatsandwolken. Insgesamt scheint WASP-107b über
eine dynamische Atmosphäre mit einem faszinierenden Materialtransport zu
verfügen.
Künstlerische Darstellung des Exoplaneten
WASP-107b und seines Muttersterns.
Bild:
LUCA School of Arts, Belgien / Klaas Verpoest [Großansicht] |
Der Exoplanet WASP-107b ist ein einzigartiger Gasplanet. Er umkreist einen
Stern, der etwas kühler und weniger massereich ist als unsere Sonne. Während die
Masse des Planeten der des Neptun ähnelt, ist sein Durchmesser deutlich größer
und nähert sich fast dem des Jupiter an. Diese Eigenschaft macht WASP-107b im
Vergleich zu den Gasplaneten des Sonnensystems eher "luftig". Dadurch lässt sich
etwa 50 Mal tiefer in seine Atmosphäre blicken als bei der Erforschung eines
Gasriesen im Sonnensystem wie Jupiter.
Ein Team europäischer Forschenden nutzte während der Beobachtung mit dem
Mid-Infrared Instrument (MIRI) an Bord des James Webb Space Telescope
(JWST) die bemerkenswerte "Luftigkeit" dieses Exoplaneten aus. Diese eröffnete
nämlich ein Fenster, um tief in seine Atmosphäre zu schauen und seine komplexe
chemische Zusammensetzung aufzuschlüsseln. Der Grund dafür ist recht einfach:
Die Signale oder spektralen Merkmale sind in einer weniger dichten Atmosphäre
weitaus deutlicher zu erkennen als in einer kompakteren. Die jetzt
veröffentlichte Studie berichtet über die Entdeckung von Wasserdampf,
Schwefeldioxid und Silikatwolken, aber bemerkenswerterweise gibt es keine Spur
des Treibhausgases Methan. Diese Ergebnisse liefern entscheidende Einblicke in
die Dynamik und Chemie dieses faszinierenden Exoplaneten.
Erstens lässt das Fehlen von Methan auf ein potenziell warmes Inneres
schließen und bietet einen bestechenden Einblick in den Transport von
Wärmeenergie in der Atmosphäre des Planeten. Zweitens war die Entdeckung von
Schwefeldioxid eine große Überraschung: Frühere Berechnungen deuteten nicht
darauf hin, aber neuartige Klimamodelle der Atmosphäre von WASP-107b zeigen nun,
dass seine diffuse Eigenschaft die Bildung von Schwefeldioxid ermöglicht. Obwohl
sein recht kühler Wirtsstern nur einen vergleichsweise kleinen Anteil an
hochenergetischen Photonen aussendet, können diese tief in die Atmosphäre des
Planeten eindringen. Dieser Umstand ermöglicht die chemischen Reaktionen, die
zur Produktion von Schwefeldioxid erforderlich sind.
Aber das ist noch nicht der vollständige Befund. Die spektralen Merkmale von
Schwefeldioxid und Wasserdampf sind im Vergleich zu einem wolkenlosen Szenario
erheblich vermindert. Hoch gelegene Wolken verdecken dagegen teilweise den
Wasserdampf und das Schwefeldioxid in der Atmosphäre. Während Astronominnen und
Astronomen bei anderen Exoplaneten auf indirektem Wege auf Wolken aus
verschiedenen Substanzen schließen konnten, ist dies der erste Fall, in dem
Forschende die chemische Zusammensetzung dieser Wolken definitiv bestimmen
können. Sie bestehen aus kleinen Silikatpartikeln, einer vertrauten Substanz,
die auf der Erde fast überall als Hauptbestandteil von Sand vorkommt.
"Das JWST revolutioniert die Charakterisierung von Exoplaneten und liefert
beispiellose Einblicke in bemerkenswerter Geschwindigkeit", sagt die
Hauptautorin Leen Decin von der KU Leuven. "Die Entdeckung von Sandwolken,
Wasser und Schwefeldioxid auf diesem luftigen Exoplaneten mit JWSTs MIRI ist ein
entscheidender Meilenstein. Das verändert unser Verständnis der
Planetenentstehung und -entwicklung und wirft ein neues Licht auf das
Sonnensystem." Paul Mollière vom Max-Planck-Institut für Astronomie (MPIA) in
Heidelberg stimmt zu: "Der Wert des JWST ist nicht zu unterschätzen: Egal wohin
wir mit diesem Teleskop schauen, sehen wir immer etwas Neues und Unerwartetes.
Auch dieses neueste Ergebnis ist keine Ausnahme."
Im Gegensatz zur Atmosphäre der Erde, wo Wasser bei niedrigen Temperaturen
gefriert, können in Gasplaneten Silikatpartikel kondensieren und Wolken bilden,
wenn die Temperaturen etwa 1000 Grad Celsius erreichen. Bei WASP-107b, wo die
äußere Atmosphäre Temperaturen von etwa 500 Grad Celsius erreicht, sagten
bisherige Modelle voraus, dass diese Silikatwolken tiefer in der Atmosphäre
entstehen sollten, wo die Temperaturen wesentlich höher sind. Darüber hinaus
regnen hochgelegene Sandwolken in tiefere Schichten ab.
Wie ist es dann aber möglich, dass diese Sandwolken in großer Höhe dauerhaft
existieren können? "Die Tatsache, dass wir diese Sandwolken hoch in der
Atmosphäre sehen, verrät uns, dass die Sandregentropfen in tieferen, sehr heißen
Schichten verdampfen. Der resultierende Silikatdampf wird anschließend effizient
nach oben transportiert", erklärt Michiel Min vom Niederländischen Institut für
Weltraumforschung SRON. "Hier kondensieren sie dann wieder zu Silikatwolken.
Dies ähnelt dem Wasserdampf- und Wolkenzyklus der Erde, aber mit Sandtropfen."
Dieser kontinuierliche Zyklus von Sublimation und Kondensation durch einen
vertikalen Transport ist verantwortlich für das durchgängige Auftreten von
Sandwolken in der Atmosphäre von WASP-107b.
Die jetzt vorgestellten Ergebnisse werden ein Licht auf die exotische Welt
von WASP-107b und erweitern die Grenzen des Verständnisses von
Exoplanetenatmosphären. Sie markieren einen bedeutenden Meilenstein in der
Erforschung von Exoplaneten und enthüllen das komplexe Zusammenspiel von
Chemikalien und klimatischen Bedingungen auf diesen fernen Welten. "Wir am MPIA
sind stolz darauf, wichtige Elemente für MIRI bereitgestellt zu haben", sagt
Thomas Henning, Co-Leiter des MIRI-Projekts und Direktor am MPIA. "Dazu gehören
die Filterräder des Photometers und Spektrometers von MIRI sowie die
Mechanismen, die die Elemente positionieren, die die Spektren mit den chemischen
Signaturen erzeugt haben."
Mitarbeiter des MPIA haben zudem MIRIs Boden- und Flugtests unterstützt. "Mit
Kollegen in ganz Europa und den Vereinigten Staaten haben wir fast 20 Jahre lang
das MIRI-Instrument gebaut und getestet. Es ist erfreulich zu sehen, wie unser
Instrument die Atmosphäre dieses faszinierenden Exoplaneten enträtselt", sagt
Instrumentenspezialist Bart Vandenbussche von der KU Leuven, ebenfalls Co-Leiter
des MIRI-Projekts. Jeroen Bouwman, Wissenschaftler des MPIA und
Mitverantwortlicher für das Beobachtungsprogramm fügt hinzu: "Diese Studie
kombiniert die Ergebnisse mehrerer unabhängiger Analysen der JWST-Beobachtungen
und steht stellvertretend für die Jahre der Arbeit, die nicht nur in den Bau des
MIRI-Instruments investiert wurden, sondern auch in die Kalibrierung und
Analysetools für die mit MIRI gewonnenen Beobachtungsdaten."
Über die Ergebnisse berichtet das Team in einem Fachartikel, der in der
Zeitschrift Nature erschienen ist.
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