Schwarzes Loch im Zentrum der Milchstraße erneut vermessen
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik astronews.com
30. Oktober 2023
Aus der Beobachtung von aufleuchtendem Gas um das Schwarze
Loch im Zentrum der Milchstraße konnte nun dessen Masse unabhängig ermittelt
werden. Der Wert stimmt perfekt mit der Messung überein, die 2020 mit dem
Physik-Nobelpreis geehrt wurde. Die 4,3 Millionen Sonnenmassen befinden sich
innerhalb eines Raums, der in die Venusbahn passen würde.
Dieses Bild zeigt die Bewegung der Flares am
Himmel, die sich aus einer Analyse der astrometrischen Daten
unter Berücksichtigung der Polarimetrie-Daten ergibt. Die
Farben sind ein Indiz für den zeitlichen Verlauf der Flarebahn.
Das Hintergrundbild ist ein simuliertes Bild des Schwarzen
Lochs im Zentrum unserer Milchstraße, wobei der Kreis die
Schattengröße des Schwarzen Lochs angibt.
Bild:
MPE [Großansicht] |
Im Zentrum unserer Milchstraße befindet sich ein Schwarzes Loch mit einer
Masse von 4,3 Millionen Sonnenmassen – das haben mehrere Teams in den
vergangenen vier Jahrzehnten zweifelsfrei nachgewiesen. Im Jahr 2020 wurde diese
Erkenntnis sogar mit dem Nobelpreis für Physik ausgezeichnet, den auch Reinhard
Genzel, Direktor am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik (MPE),
erhielt. Seitdem konzentriert sich die Forschung darauf, das galaktische Zentrum
als Labor zu nutzen, um die Allgemeine Relativitätstheorie in dem sehr starken
Gravitationsfeld in der Nähe dieses Schwarzen Lochs zu testen und seine
Eigenschaften mit hoher Präzision zu bestimmen.
Das Team am MPE nutzte nun GRAVITY, das Nahinfrarot-Interferometer am
Very Large Telescope Interferometer (VLTI) der ESO, um die Emission in der
Region um das Schwarze Loch genau zu beobachten und nach extrem hellen
Ereignissen zu suchen: "Flares", englisch für "Aufleuchten". Solche Flares
treten ein- bis zweimal pro Tag auf und leuchten dabei so hell, dass man die
Bewegung des umgebenden Gases verfolgen kann. Das Team analysierte Flares, die
in den Jahren 2018, 2021 und 2022 beobachtet wurden und für die GRAVITY
gleichzeitig Messungen der Position und der Polarisation lieferte.
Dieser kombinierte Datensatz ermöglichte es dem Team, die Masse des Schwarzen
Lochs mit hoher Genauigkeit auf 4,297 Millionen Sonnenmassen zu bestimmen, eine
starke und unabhängige Bestätigung früherer Messungen. Die neuen Daten zeigen
auch, dass diese Masse innerhalb des Radius der Flares von etwa neun
Gravitationsradien eingeschlossen sein muss, was kleiner ist als der
Umlaufradius des Planeten Venus um die Sonne.
"Die Masse, die wir jetzt aus den Flares bei wenigen Gravitationsradien
abgeleitet haben, ist kompatibel mit dem Wert, der aus den Bahnen von Sternen
bei mehreren tausend Gravitationsradien gemessen wurde", führt Diogo Ribeiro
aus, der am MPE für die theoretische Modellierung verantwortlich war. "Das
spricht für ein einziges Schwarzes Loch im Zentrum der Milchstraße." Aus der
Bewegung dieses kreisenden Gases kann das Team auch Informationen über die
Entstehungsgeschichte der Strukturen im galaktischen Zentrum ableiten. Die
Ausrichtung der Bahnen der Flares ist ähnlich der Ausrichtung einer stellaren
Scheibe, die in einem Abstand von 100.000 Gravitationsradien beobachtet wurde;
dies lässt auf einen physikalischen Zusammenhang schließen.
"Es ist großartig zu sehen, wie sich das Verhalten der Flares wiederholt und
ähnelt", betont Antonia Drescher, die die polarimetrischen Messungen
ausgewertete. "Alle zeigen eine Bewegung im Uhrzeigersinn, alle haben einen
ähnlichen Radius und eine ähnliche Umlaufzeit. Das ist wirklich schön zu sehen."
Starke Winde von den weiter entfernten Sternen treiben wahrscheinlich den
Akkretionsstrom des Gases an, der den anfänglichen Drehimpuls auf Skalen in der
Nähe des Ereignishorizonts herunterträgt. "Die Menge an Informationen aus der
Polarisation war extrem ergiebig und wir lernen aus dem gemeinsamen Datensatz
viel über die Physik in der Region des Galaktischen Zentrums", fügt Ribeiro
hinzu. Die Dynamik der Flares könnte sogar Informationen über den Spin des
Schwarzen Lochs enthalten – eine bis heute offene Frage.
Über ihre Beobachtungen berichtete das Team in der Zeitschrift Astronomy
& Astrophysics.
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