Energiereiche Gammastrahlung vom Vela-Pulsar
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung des Deutsches Elektronen-Synchrotrons DESY astronews.com
6. Oktober 2023
Mit den H.E.S.S.-Teleskopen in Namibia wurde nun die bislang
energiereichsten Gammastrahlen von einem Pulsar entdeckt, also von einem
ausgebrannten, toten Stern. Die registrierte Strahlung hat rund zehn Billionen
Mal so viel Energie wie sichtbares Licht. Die Beobachtung lässt sich nur schwer
mit der gängigen Theorie zur Erzeugung solcher gepulsten Gammastrahlung
vereinbaren.
Infrarote Lichtteilchen von den Polen des
Pulsars werden durch schnelle Elektronen auf Gammastrahlen-Energien geboostet (blau)
- so zumindest die Theorie. Bild:
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Pulsare sind die übrig gebliebenen Reste von
Sternen, die spektakulär in einer Supernova explodiert sind. Die Explosion
hinterlässt einen winzigen, toten Stern mit einem Durchmesser von nur etwa 20
Kilometern, der extrem schnell rotiert und mit einem enormen Magnetfeld
ausgestattet ist. "Diese toten Sterne bestehen fast ausschließlich aus Neutronen
und sind unglaublich dicht: Ein Teelöffel ihres Materials wiegt mehr als fünf
Milliarden Tonnen, was etwa dem 900-fachen Gewicht der Großen Pyramide von Gizeh
entspricht", erklärt H.E.S.S.-Wissenschaftlerin Emma de Oña Wilhelmi von DESY.
Wie eine Art kosmische Leuchttürme senden
Pulsare kreisende Strahlen ins All. Wenn ihr Strahl über unser Sonnensystem
hinwegfegt, sehen wir in regelmäßigen Abständen Strahlungsblitze. Diese Blitze
lassen sich bei zahlreichen Wellenlängen des elektromagnetischen Spektrums
beobachten, von den Radiowellen bis zur Gammastrahlung. Nach der gängigen
Theorie stammt die Strahlung von schnellen Elektronen, die von den starken
Magnetfeldern des Pulsars beschleunigt und abgelenkt werden. Die Elektronen
bewegen sich dabei von der Oberfläche des Pulsars nach außen bis zum Rand seiner
Magnetosphäre. "Auf ihrer Reise nach außen nehmen die Elektronen Energie auf und
setzen sie in Form der beobachteten Strahlung frei", sagt Bronek Rudak
vom Astronomischen Zentrum Nikolaus Kopernikus (CAMK PAN) in Polen. Der Bereich,
in dem dies geschieht, wird Lichtzylinder genannt.
Der Vela-Pulsar befindet sich
am Südhimmel im Sternbild Segel des Schiffes. Er ist der hellste Pulsar
im Radioband des elektromagnetischen Spektrums und die hellste anhaltende Quelle
kosmischer Gammastrahlung im Giga-Elektronenvolt-Bereich. Er rotiert etwa elfmal
pro Sekunde. Oberhalb einiger Giga-Elektronenvolt (GeV) endet seine Strahlung
jedoch abrupt, vermutlich weil die Elektronen das Ende der Magnetosphäre des
Pulsars erreichen und aus ihr entweichen. Doch wie sich nun herausstellte, ist
das noch nicht alles: H.E.S.S. hat eine neue Komponente der Strahlung bei noch
höheren Energien registriert. Diese kosmischen Gammaquanten besaßen eine Energie
von bis zu 20 Tera-Elektronenvolt (TeV).
"Das ist etwa 200 Mal energiereicher
als sämtliche Strahlung, die bisher von diesem Objekt gemessen wurde", sagt
Christo Venter von der North-West University in Südafrika. Diese neu
entdeckte Komponente tritt synchron zur Strahlung im GeV-Bereich auf. Um diese
enormen Energien zu erreichen, müssten die Elektronen jedoch stärker
beschleunigt werden als dies eigentlich in der Magnetosphäre möglich ist. Und
dabei muss der Rhythmus der Emission intakt bleiben.
"Dieses Ergebnis stellt
unser bisheriges Wissen über Pulsare infrage und erfordert ein Überdenken der
Theorie von der Funktionsweise dieser natürlichen Beschleuniger", sagt Arache
Djannati-Atai vom Astroteilchen- und Kosmologie-Labor APC in Frankreich, der die
Forschung geleitet hat. "Das traditionelle Schema, wonach die Teilchen entlang
der Magnetfeldlinien innerhalb oder leicht außerhalb der Magnetosphäre
beschleunigt werden, kann unsere Beobachtungen nicht ausreichend erklären.
Vielleicht sind wir Zeugen der Beschleunigung von Teilchen durch die sogenannte
magnetische Rekonnexion jenseits des Lichtzylinders, bei dem das Rotationsmuster
noch irgendwie erhalten bleibt? Aber selbst dieses Szenario tut sich schwer mit
der Erzeugung solch extrem energiereicher Strahlung."
Die Theoretikerinnen und
Theoretiker müssen daher neue Modelle entwickeln. Wie auch immer die Erzeugung
der Strahlung abläuft, hält der Vela-Pulsar neben anderen Superlativen nun
offiziell den Rekord als Pulsar mit der energiereichsten Gammastrahlung, die
bislang von einem solchen Objekt entdeckt worden ist. "Diese Entdeckung öffnet
ein neues Beobachtungsfenster für die Entdeckung anderer Pulsare im Bereich von
einigen Dutzend Tera-Elektronenvolt mit aktuellen und zukünftigen
empfindlicheren Gammateleskopen und ebnet damit den Weg für ein besseres
Verständnis der extremen Beschleunigungsprozesse in stark magnetisierten
astrophysikalischen Objekten", sagt Djannati-Atai.
Die Beobachtung gelang mit den H.E.S.S.-Teleskopen in Namibia. Die Ergebnisse
wurden in der Fachzeitschrift Nature Astronomy veröffentlicht.
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