Simple Physik bestimmt Temperatur der Landoberfläche
Redaktion
/ Pressemitteilung des Karlsruher Instituts für Technologie astronews.com
18. August 2023
Die Temperatur der Landoberfläche ist ein wichtiger Indikator für den
Klimawandel. Sie wird hauptsächlich durch Strahlung beeinflusst, Verdunstung und
Luftbewegungen spielen aber ebenfalls eine Rolle. Eine neue Studie zeigt nun,
dass sich diese komplexen Vorgänge mithilfe simpler und vorhersagbarer Muster
erklären lassen. Die Forschenden werteten dazu Satellitendaten aus.
Die Strahlung der Sonne sowie Verdunstung
und Luftbewegungen beeinflussen die Temperaturen an der
Erdoberfläche.
Foto: Gabi Zachmann, KIT [Großansicht] |
Ein Zusammenspiel aus Erwärmung und Abkühlung bestimmt die Temperaturen der
Erdoberfläche: Die Sonnenstrahlen und der zusätzliche Treibhauseffekt der
Atmosphäre heizen die Erde auf. Demgegenüber sorgen langwellige Ausstrahlung,
Verdunstung von Wasser und die Wärmeabgabe durch turbulente Luftbewegungen für
Abkühlung. Während Forschende die Strahlung bereits gut verstehen und auch
messen können, sind die Effekte der Verdunstung und Luftbewegungen noch
unzureichend erforscht.
In der jetzt vorgestellten Studie stützten sich die Forschenden nun auf
grundlegende physikalische Prinzipien: "Turbulente Bewegung benötigt eine
Energiequelle – wie ein Auto zum Antrieb einen Motor benötigt", erklärt Erwin
Zehe, Professor für Hydrologie am Institut für Wasser und Gewässerentwicklung
des KIT. Die Erwärmung der Oberfläche sei in dem Fall der Motor, der den
Transport warmer Luft in die Atmosphäre antreibt. Durch die Luftbewegung werde
dem Boden Wärme entzogen und dies sorge wiederum für eine Abkühlung der
Oberfläche.
"Je mehr turbulente Luftbewegung, desto mehr Abkühlung der Oberfläche. Es ist
so, als ob man auf eine heiße Suppe pustet – je mehr man pustet, desto schneller
kühlt sie ab“, erläutert Sarosh Alam Ghausi, Hydrologe am Max-Planck-Institut
für Biogeochemie in Jena. Da die Abkühlung der Energieerzeugung entgegenwirke,
ergebe sich aus dieser Balance ein spezifisches Maximum an Energieerzeugung.
Daraus lasse sich dann der Abkühleffekt von Verdunstung und Luftbewegungen auf
der Landoberfläche bestimmen.
Die Forschenden errechneten auf Grundlage von Satellitendaten für die
Strahlung Werte für die Erhitzungs- und Abkühlraten. Die geschätzten Werte für
Temperaturen, Verdunstungen und Luftbewegungen kamen den tatsächlich gemessenen
Werten sehr nahe. Anschließend untersuchten sie die Unterschiede der
Oberflächentemperaturen auf verschiedenen Kontinenten. Warum sind Regenwälder
beispielsweise kühler als Wüsten? "Ich dachte, der Wassermangel würde die Wüste
wärmer machen", sagt Ghausi. Denn die Verdunstung von Wasser habe in Verbindung
mit Luftbewegungen einen kühlenden Effekt, der dann in der Wüste ausbleibt.
"Wenn Sie über ihre Hand pusten, wird die kühler. Wenn sie die Hand vorher
anfeuchten, wird die Kühlung stärker, weil die Verdunstungswärme ihrer Hand
entzogen wird", erklärt Zehe.
Das fehlende Wasser allein könne den Temperaturunterschied jedoch nicht
vollständig erklären. Die Forschenden führten die höheren Temperaturen der Wüste
noch auf zwei weitere Effekte zurück: Zum einen gibt es in Wüstengebieten
weniger Wolken, sodass die Landoberfläche stärker durch Sonnenstrahlen erhitzt
wird, als im Regenwald. Zum anderen befinden sich Wüsten meist in den Subtropen,
wo die Atmosphäre durch die Hadley-Zirkulation – ein Zirkulationssystem zwischen
Subtropen und Äquator – erhitzt wird. Diese Bewegung findet aber nicht an der
Landoberfläche, sondern in der Atmosphäre statt. Das führt zu weniger Abkühlung
und mehr Wärme an der Oberfläche.
Zehe sieht in dem neuen Ansatz großes Potenzial: "In der Regel wird
Verdunstung als der Schlüssel zur Abkühlung der Umwelt betrachtet. Die
Ergebnisse sind überraschend, denn wir haben gezeigt, dass es um ein komplexes
Zusammenspiel mehrerer Faktoren geht. Dieser Ansatz könnte die Forschung
vorantreiben und zu einem Goldstandard werden. Dadurch könnten die empirischen
Standards bei der Modellierung von Verdunstung verbessert werden." Die an der
Studie Beteiligten erwarten, dass sie mit ihrem Ansatz die Grundmechanismen des
Klimas besser identifizieren können.
Die Ergebnisse der Untersuchungen wurden in der Fachzeitschrift
Proceedings of the National Academy of Sciences veröffentlicht.
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