Messungen zur Suche nach neuer Physik werden genauer
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Technischen Universität Dresden astronews.com
15. August 2023
Könnte das Verhalten der Myonen-Teilchen zur Entdeckung
einer verborgenen Physik führen? Im zweiten Teil des Myon g-2 Experiments gab
ein internationales Team des US-Teilchenlabors Fermilab jetzt ihr lang
erwartetes, verbessertes Messergebnis bekannt: Die Messgenauigkeit wurde
verdoppelt, die Hinweise auf eine mögliche Abweichung vom Standardmodell sind
geblieben.
Der Muon g-2 Ring am Fermilab.
Foto:
Ryan Postel [Großansicht] |
Myonen sind Elementarteilchen, die sich wie ein Kreisel drehen, wenn sie ein
Magnetfeld passieren. Die Schnelligkeit der Kreiselbewegung hängt von der Stärke
ihres inneren magnetischen Moments, von "g-2", ab. Im Teilchenbeschleuniger des
Fermilab in Illinois werden Myonen seit 2017 in großer Zahl hergestellt und
untersucht. Mit beinahe Lichtgeschwindigkeit jagen sie im Vakuum durch den
Beschleunigungsring bei -230°C, also kälter als der Neptun. Im April 2021 kam
der Durchbruch: Das Myon verhielt sich in hochpräzisen Messungen anders als vom
Standardmodell erwartet. Eventuell wurden damit Hinweise auf eine neue Physik
entdeckt, denn seit August 2023 ist klar: Ein Fehler am Experiment ist es nicht.
"Das Verhalten des Myons lässt sich über den g-Faktor vorhersagen. Er ist im
Standardmodell der Teilchenphysik festgehalten – dem weltweit anerkannten Modell
zur Erklärung von Wechselwirkungen zwischen Teilchen", erklärt Dr. Hyejung
Stöckinger-Kim von der Technischen Universität Dresden. Jenseits dieses
Standardmodells offenbart sich die Welt einer neuen Physik. "Die Kreiselbewegung
des Myons ist unterschiedlich, je nachdem, welche Teilchen in seiner Umgebung
sind", erläutert Prof. Dominik Stöckinger, Direktor des Instituts für Kern- und
Teilchenphysik in Dresden. "Gewissermaßen tanzt das Myon mit den anderen
Teilchen Tänze, die wir erkennen. Seit 20 Jahren werden die Berechnungen und
Messungen immer genauer. Folgt man den Hypothesen von neuer Physik, könnten zum
Beispiel Teilchen der Dunklen Materie oder zusätzliche Higgs-Teilchen den Wert
von g-2 beeinflussen. An der TU Dresden durchgeführte Berechnungen erlauben
Rückschlüsse auf die Eigenschaften solcher möglichen Teilchen."
Nun ist das mit "g-2" bezeichnete anomale magnetische Moment des Myons
deutlich genauer gemessen worden als jemals zuvor. Mit der aktuellen
Veröffentlichung der beteiligten Forscherinnen und Forscher zeigt sich
ebenfalls, dass der Experimentaufbau fehlerfrei ist. Dank der Datenauswertung
aus den letzten Jahren konnten Unsicherheiten auf den ungeheuer kleinen Wert von
1:5 Millionen gesenkt werden. Nun muss die theoretische Berechnung im Rahmen des
Standardmodells eine entsprechende Genauigkeit erreichen, um die verlässliche
Schlussfolgerung auf eine mögliche neue Physik zu erlauben. Hierzu sind
internationale Anstrengungen im Gange.
Noch ist offen, ob sich die Eigenschaften der Myonen vollständig durch
Wechselwirkungen mit Photon, Elektron, Quarks, Neutrinos, Gluon, W-, Z- oder
Higgs-Bosonen verstehen lassen, oder ob etwas Verborgenes auf das Myon wirkt.
Bis 2025 will das Fermilab alle sechs Messjahre auswerten, um statistische
Unsicherheiten weiter zu senken. Zugleich werden theoretische Physikerinnen und
Physiker die Berechnungen im Rahmen das Standardmodells verbessern. "Aus vielen
Gründen sind wir sicher, dass unser derzeitiges Verständnis der Physik
unvollständig ist. Es könnten zusätzliche Teilchen oder verborgene subatomare
Kräfte existieren", meint Stöckinger.
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