Zwei DLR-Angestellte wollen mit ihrem gerade geründeten
Start-up-Unternehmen InSpacePropulsion Technologies Antriebstechnologien mit
neuen Treibstoffen als Alternative zum Hydrazin entwickeln. Die Triebwerke für
die neuen Treibstoffe stammen dabei aus dem 3D-Drucker, was eine schnelle und
kostengünstige Fertigung erlaubt.
Weltweit wird an umweltfreundlichen Alternativen zum Hydrazin (N2H4)
geforscht, das als Treibstoff für Satellitentriebwerke in der Raumfahrt
eingesetzt wird. Zwei vielversprechende Produkte aus dem Deutschen Zentrum
für Luft- und Raumfahrt (DLR) sollen nun in den Weltraum und gleichzeitig
auf den Markt gebracht werden. Dr. Lukas Werling und Felix Lauck aus dem
DLR-Institut für Raumfahrtantriebe in Lampoldshausen gründen dazu das Start-up
InSpacePropulsion Technologies. Die beiden Wissenschaftler forschen seit
vielen Jahren im DLR an fortschrittlichen Raketentreibstoffen.
"Dabei wurde der Bedarf des Raumfahrtmarktes an kostengünstigen und
trotzdem zuverlässigen Antriebslösungen immer offensichtlicher. Das gilt
gerade auch für den New-Space-Bereich, in dem der Einsatz des teuren und
giftigen Hydrazins oft gar nicht denkbar ist", sagt Lauck. "New Space"
bezeichnet die Kommerzialisierung der Raumfahrt und ihre enge Verbindung mit
der Wirtschaft. HyNOx, eine der beiden entwickelten Antriebstechnologien,
hat eine vergleichsweise hohe Leistung, ist sicher in der Handhabung und
kostengünstig. Bei der zweiten Technologie handelt es sich um eine
selbstzündende Treibstoffkombination mit dem Namen HIP_11, die vom DLR
patentiert wurde. Beide Entwicklungen ergänzen sich: "HyNOx eignet sich für
kleine und leichte Satelliten oder Raumfahrzeuge. HIP_11 hingegen bietet
Vorteile bei größeren und schwereren Raumfahrzeugen", erklärt Werling.
HyNOx ist ein Zweikomponententreibstoff und besteht aus Lachgas (N2O)
und Ethan (C2H6).
Die Komponenten sind weltweit gut verfügbar. Zusätzlich werden die passenden
Triebwerke im 3D-Druck Verfahren hergestellt, was Kosten reduziert und kurze
Herstellungszeiten ermöglicht. HyNOx-Treibstoffe wurden beim DLR sowohl als
vorgemischter Einkomponenten-Treibstoff, als auch als klassischer
Zweikomponententreibstoff erprobt. "In inzwischen mehreren tausend
Heißläufen am Prüfstandskomplex M11 in Lampoldshausen zeigte sich das
Potenzial des Treibstoffs. Die Ausgründung fokussiert sich dabei auf die
Anwendung von HyNOx als Zweikomponententreibstoff", sagt Werling. Die Basis
für die Entwicklungen bilden zahlreiche DLR-interne sowie von der ESA
geförderte Projekte. In den letzten Monaten haben die Forschenden HyNOx-Triebwerke
mit unterschiedlichen Schubklassen getestet. Ihr Start-up treibt nun die
Weiterentwicklung und die anschließende Demonstration der Technologie im All
voran.
Den Treibstoff "HIP_11" (Hypergolic Ionic Propellant developed at M11)
hat Lauck im Rahmen seiner Doktorarbeit entwickelt. Versuche verliefen
erfolgreich, zusätzlich wurde der Treibstoff patentiert. "Eine Komponente
von HIP_11 ist konzentriertes Wasserstoffperoxid, ein leistungsstarker und
gut zu handhabender Oxidator. Bei der zweiten Komponente handelt es sich um
ein Salz, das eine sehr geringe Schmelztemperatur aufweist und damit bei
Raumtemperatur flüssig ist. Sobald dieses Salz mit Wasserstoffperoxid in
Kontakt ist, reagieren die Stoffe miteinander und es kommt zur Zündung",
erklärt Lauck. Diese selbstzündende Eigenschaft heißt "hypergol".
Die hypergole Zündung ist sehr zuverlässig. Selbstzündende Treibstoffe
auf Hydrazin-Basis werden für viele Raumfahrt-Antriebe eigesetzt. "Bei
HIP_11 handelt es sich nun um einen alternativen Treibstoff, der eine
vergleichbare Leistung wie konventionelle Treibstoffe bietet. Er ist jedoch
viel einfacher zu handhaben. Auch das reduziert die Kosten von
HIP_11-Antrieben gegenüber konventionellen Technologien deutlich", ergänzt
Lauck.
Die beiden InSpacePropulsion-Technologies-Gründer möchten mit ihren im
DLR entwickelten Technologien eine kostengünstige und nachhaltige Raumfahrt
voranbringen. Bereits kurz nach dem Start ihres Ausgründungsprojekts
erhielten Lauck und Werling die ersten Absichtserklärungen (sogenannte
Letters of Intent) der Industrie. "Die Technologien stoßen auf großes
Interesse", sagt Werling. Auch mit dem DLR wird eine starke und langfristige
Kooperation angestrebt. Schon im kommenden Jahr sollen die Triebwerke und
Systeme im All erprobt werden. Während der Gründungsphase werden die beiden
Wissenschaftler vom DLR-Technologietransfer und von der
Helmholtz-Gemeinschaft unterstützt.
"Diese Ausgründung ist ein Beispiel dafür, wie wichtig und am Ende eben
auch erfolgreich die professionelle und systematische Unterstützung von
Ausgründungen im DLR ist. Wir begleiten die Gründungen von der ersten Idee,
über die Marktsondierung, die Entwicklung von Produkt-Prototypen, Schulungen
in Marketing und Vertrieb, Finanzierungsberatung und vielem mehr und machen
sie so für den Markt fit. So bringen wir Forschungsergebnisse in die
Anwendung, erzeugen Wertschöpfung und schaffen hochkarätige Arbeitsplätze",
erklärt Prof. Karsten Lemmer, Mitglied des DLR-Vorstands und verantwortlich
für Innovation, Transfer und wissenschaftliche Infrastrukturen.
Das DLR-Institut für Raumfahrtantriebe, an dem die Gründer angestellt
sind, forscht weiter an fortschrittlichen Treibstoffen. In der Abteilung
Satelliten- und Orbitalantriebe arbeiten die Forschenden insbesondere an
neuen Treibstoffmischungen und darauf abgestimmten Antriebssystemen. Auch
ihr Ziel ist es, die Luft- und Raumfahrt nachhaltiger, einfacher, günstiger
und sicherer zu machen.