Pfeilspitze aus der Bronzezeit wurde aus Eisenmeteoriten hergestellt
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Freiburg astronews.com
4. August 2023
Im 19. Jahrhundert wurde am Bielersee in der Schweiz eine Pfeilspitze entdeckt,
die aus der Bronzezeit stammt. Eine interdisziplinäre Analyse der Pfeilspitze
ergab nun, dass sie aus meteoritischem Eisen hergestellt wurde. Solche Artefakte
gelten als sehr selten. Das Eisen stammt vermutlich aus einem IAB-Meteoriten,
der vor 3500 Jahren in Estland gefallen ist.
Die Pfeilspitze aus meteoritischem Eisen von
Mörigen.
Foto: Sammlung Bernisches Historisches
Museum, Thomas Schüpbach [Großansicht] |
Eine bronzezeitliche Pfeilspitze, die in Mörigen am Bielersee in der Schweiz
gefunden wurde, ist aus meteoritischem Eisen hergestellt worden. Das konnten
Forschende in einer interdisziplinären Studie des Naturhistorischen Museums Bern
unter Leitung des Geologen Prof. Dr. Beda Hofmann zweifelsfrei zeigen. Den
naturwissenschaftlichen Nachweis lieferte der Physiker Prof. Dr. Marc Schumann
von der Universität Freiburg mithilfe von Gammaspektrometrie. "Das Besondere an
diesem Projekt ist, dass wir höchst interdisziplinär gearbeitet haben und
Methoden aus so unterschiedlichen Bereichen wie Archäologie, Meteoritenforschung
und Teilchenphysik zusammengebracht haben", sagt Schumann.
Der Nachweis einer so frühen Verwendung von meteoritischem Eisen ist extrem
selten. Die Pfeilspitze ist im Besitz des Bernischen Historischen Museums, sie
ist 39 Millimeter lang und 2,9 Gramm schwer und stammt aus einer
bronzezeitlichen Pfahlbaustation bei Mörigen am Bielersee (900 bis 800 v. Chr.).
Dort wurde sie im 19. Jahrhundert bei Ausgrabungen gefunden. Um das
unersetzliche historische Artefakt nicht zu beschädigen, musste bei der Analyse
auf zerstörungsfreie Untersuchungsmethoden zurückgegriffen werden.
Die Kunst, aus Erz Eisen herzustellen, ist in Zentraleuropa seit Beginn der
Eisenzeit um 800 v. Chr. nachgewiesen. Vor dieser Zeit galt das Metall als
äußerst rar und kostbar – es war nur aus Meteoriten bekannt. Archäologische
Objekte aus meteoritischem Eisen sind darum extrem selten und wurden einst wohl
nicht als Gebrauchsgegenstände eingesetzt. In ganz Eurasien und Afrika sind nur
55 solche Objekte bekannt, diese stammen von 22 verschiedenen Fundstellen.
Allein 19 Objekte stammen aus dem Grab des Pharaos Tutanchamun in Ägypten. Nur
ein Teil der Artefakte wurde allerdings bisher mit modernen analytischen
Methoden untersucht.
Die nun eingesetzten Methoden für die Analyse der Pfeilspitze in Bern
umfassen Lichtmikroskopie, Rasterelektronenmikroskopie, Röntgentomographie,
Röntgenfluoreszenz, Myonen-induzierte Röntgenspektrometrie (MIXE) sowie
hochempfindliche Gammaspektrometrie. "Mit Gammaspektrometrie können wir von
jeder beliebigen Probe einen radioaktiven Fingerabdruck erstellen und auch
relativ kurzlebige Isotope finden", sagt Physiker Schumann. "Die Produktion
mancher dieser Isotope findet nur im Weltall statt." Dazu gehört sogenanntes
Aluminium-26, das Schumann mit seinem Team in der Pfeilspitze finden konnte.
"Damit konnten wir den zweifelsfreien Beweis erbringen, dass es sich bei dem
Material um einen Meteoriten handelt, der über lange Zeit im Weltall der
kosmischen Strahlung ausgesetzt war."
Allerdings stammt dieser überraschenderweise nicht vom nahen Twannberg-Meteoritenstreufeld
im Berner Jura in der Schweiz. Mit rund 8,3 Prozent Nickel ist der Gehalt dieses
Elementes in der Pfeilspitze fast doppelt so hoch wie im Twannberg-Meteorit. Ein
hoher Germanium-Gehalt zeigt außerdem, dass es sich sehr wahrscheinlich um einen
Meteoriten des Typs IAB handelt. Weiter deutet die eher niedrige Konzentration
von Aluminium-26 darauf hin, dass die Probe aus dem Innern eines Meteoriten
stammt, der ursprünglich eine Masse von mindestens zwei Tonnen hatte.
Bekannte große IAB-Eisenmeteoriten gibt es in Europa nur wenige. Als
wahrscheinlichste Herkunft wird der Meteorit Kaalijarv angenommen, der während
der Bronzezeit um etwa 1500 v. Chr. in Estland fiel. Der Fall dieses Meteoriten
produzierte mehrere Krater mit bis zu 100 Metern Durchmesser. Da die größten
Meteoritenfragmente am Boden explodierten, müssten viele kleine Splitter
entstanden sein. Weitere Analysen in archäologischen Sammlungen Europas könnten
Hinweise geben, ob sich die Spur der Pfeilspitze aus Mörigen nach Estland
bestätigen lässt.
Die Ergebnisse der Untersuchungen wurden in der Fachzeitschrift Journal
of Archaeological Science veröffentlicht.
|