Wie die Röntgen-Polarlichter auf Merkur entstehen
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung astronews.com
19. Juli 2023
Die Polarlichter des Merkurs sind nicht wie die der Erde mit dem bloßen Auge
sichtbar, sondern strahlen ausschließlich Röntgenlicht aus. Daten, die die
Merkursonde BepiColombo während eines Vorüberflugs im Oktober 2021
aufgenommen hat, zeigten, wie Elektronen aus dem Sonnenwind auf dem Planeten
prasseln und so das hochenergetische Leuchten auslösen.
Graphische Darstellung der
ESA/JAXA-Raumsonde BepiColombo, die am Merkur durch einen
"Regen" aus Elektronen fliegt. Diese Elektronen können die
Röntgenlicht-Polarlichter des Merkurs auslösen.
Bild: Thibaut Roger / Europlanet (CC BY-SA
4.0) [Großansicht] |
Neben der Erde schmücken sich auch andere Planeten im Sonnensystem mit einem
auffälligen Leuchten über ihren Polarregionen. Die gewaltigen Polarlichter des
Jupiters etwa erstrecken sich über eine Fläche mit einem Durchmesser von mehr
als 40.000 Kilometern. Dass am Nord- und Südpol des Merkurs extrem energiereiche
Röntgenpolarlichter auftreten können, hatten bereits die amerikanischen
Raumsonden Mariner 10 in den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts
und MESSENGER in der Zeit von 2011 bis 2015 beobachtet. Wie auf der
Erde lösen geladene Teilchen des Sonnenwinds, die im Magnetfeld des Planeten
eingefangen werden, das Phänomen aus. Während auf der Erde die
Sonnenwind-Teilchen jedoch auf die Atmosphäre treffen und dort Moleküle
ionisieren, bietet der Merkur keine solch schützende Hülle. Ihn umgibt nur eine
sogenannte Exosphäre, eine ausgesprochen dünne Gasschicht. Die
Sonnenwindteilchen treffen deshalb direkt auf die Oberfläche des Planeten.
"Wie genau die Polarlichter des Merkurs entstehen, war bisher nicht geklärt",
unterstreicht Dr. Markus Fränz vom Max-Planck-Instituts für
Sonnensystemforschung in Göttingen, Mitglied im Team des BepiColombo-Instruments
Mercury Plasma Particle Experiment (MPPE). Die Flugbahnen von
Mariner 10 und MESSENGER ließen lediglich einen Blick auf die
Nordhalbkugel des Planeten zu. Zudem konnten beide Missionen nicht die
Elektronen in der Umgebung des Merkurs untersuchen. Ein vollständiges Bild des
Entstehungsprozesses konnte sich so nicht ergeben. Die neuen Messdaten von
BepiColombo schaffen nun eine völlig neue Situation.
Im Oktober 2018 startete die Merkursonde BepiColombo ins All und
wird 2025 in eine Umlaufbahn um den Merkur einschwenken. Bis zur Ankunft stehen
insgesamt sechs Vorbeiflüge am Zielplaneten im Missionsplan; der erste ereignete
sich im Oktober 2021. Aus einer Entfernung von etwa 200 Kilometern hatte dabei
das Instrument MPPE Gelegenheit, Verteilung und Energien der Teilchen in der
Umgebung des Merkur genau zu bestimmen. Das Instrument besteht aus mehreren
Sensoren, von denen jeder auf Teilchen einer bestimmten Sorte und
Geschwindigkeit spezialisiert ist. Das MPS hat zu Entwicklung und Bau des
Massenspektrometers von MPPE beigetragen.
Beim Vorbeiflug vor 21 Monaten konnte MPPE erstmals Messungen über der
nördlichen Nachtseite sowie erstmals über der Tagseite der Südhalbkugel
durchführen und so die Struktur der Magnetosphäre, des Einflussbereichs des
planetaren Magnetfeldes, und ihrer Grenze, der Magnetopause, bestimmen. Wie bei
der Erde ist die Merkur-Magnetosphäre auf der sonnenabgewandten Seite zu einem
langen Schwanz verzerrt; auf der sonnenzugewandten Seite zeigte sie sich stark
gestaucht.
"Der Sonnenwind muss zum Zeitpunkt der Messungen besonders kräftig gewesen
sein", folgert MPS-Wissenschaftler Dr. Norbert Krupp, ebenfalls Mitglied des
MPPE-Teams. Zudem konnte MPPE den Entstehungsprozess der Merkur-Polarlichter
genau nachverfolgen. Aus dem Schwanz der Magnetosphäre kommend bewegen sich
hochenergetische Elektronen entlang der Magnetfeldlinien auf den Planeten zu.
Dort "regnen" sie auf ihn hinunter und wechselwirken so an den Polen mit dem
Material an seiner Oberfläche. Dabei werden Moleküle ionisiert, die ihrerseits
als Folge hochenergetische Röntgenstrahlung abstrahlen.
"Zum ersten Mal konnten wir beobachten, wie Elektronen in der Magnetosphäre
des Merkurs beschleunigt und auf die Planetenoberfläche geschleudert werden.
Obwohl die Magnetosphäre des Merkurs viel kleiner ist als die der Erde und eine
andere Struktur und Dynamik aufweist, haben wir die Bestätigung, dass der
Mechanismus, der Polarlichter erzeugt, im gesamten Sonnensystem der gleiche
ist", so Dr. Sae Aizawa vom Institut de Recherche en Astrophysique et
Planétologie im französischen Toulouse, die die Studie leitete. In den
nächsten Jahren wir BepiColombo noch dreimal dicht am Merkur
vorbeifliegen. Die nächste Begegnung ist für September nächsten Jahres geplant.
Über ihre Ergebnisse berichtet das Team in einem Fachartikel, der in der
Zeitschrift Nature Communications erschienen ist.
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