Kohlenwasserstoff-Molekül in jungem Sternsystem im Orionnebel nachgewiesen
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität zu Köln astronews.com
28. Juni 2023
Dank der besonderen Fähigkeiten des Weltraumteleskops
James Webb ist es erstmals gelungen, ein elementares
Kohlenwasserstoff-Molekül in einem neu entstehenden Sonnen- und Planetensystem
im Orionnebel nachzuweisen. Die Entdeckung dürfte für das Verständnis der komplexen
Chemie im Weltraum von großer Bedeutung sein.
Blick von James Webb in den Orionnebel, wo
in einem jungen Sternsystem mithilfe von Spektroskopie ein
elementares Kohlenwasserstoff-Molekül nachgewiesen werden
konnte. Bild:
ESA / Webb, NASA, CSA, M. Zamani (ESA / Webb), das PDRs4All
ERS Team [Großansicht] |
Dem James-Webb-Weltraumteleskop ist es gelungen, das Kohlenwasserstoffmolekül
CH3+ in einem 1500 Lichtjahre entfernten, neu entstehenden Sonnen- und
Planetensystem nachzuweisen. CH3+ ist ein elementares
Kohlenwasserstoffmolekül, das zwar nicht mit dem überall vorkommenden
Wasserstoff, dafür aber mit anderen Molekülen reagiert und somit zur Bildung
sehr viel komplexerer Moleküle im Weltall beitragen kann. Seit den 1970er Jahren
wird CH3+ im Weltraum
vorhergesagt. Nun konnte es anhand seines spektralen "Fingerabdrucks" im
Infrarotbereich auch empirisch nachgewiesen werden. Die Beobachtungen zeigen,
dass CH3+ aufgrund der starken UV-Strahlung benachbarter
Sonnen im Orionnebel unserer Galaxie entsteht.
Die Entdeckung dürfte weitreichende Folgen für das Verständnis der Chemie und
Entstehung der Moleküle im All haben. Insbesondere liefert der Fund neue Informationen
über Details der Entstehung unseres eigenen Sonnensystems. Die moderne
Astronomie weiß inzwischen, dass Moleküle, wie z. B. Kohlendioxid und Wasser, in großer Zahl im Weltraum entstehen. Jedes dieser Moleküle hat ein
individuelles Spektrum, ähnlich einzigartig wie ein menschlicher Fingerabdruck.
Ist der spektroskopische "Fingerabdruck" eines Moleküls erst einmal im Labor
genommen, kann das Molekül auch im Weltraum entdeckt werden – in Regionen wie
unserer Milchstraße bis hin zu weit entfernten Galaxien.
Diese
charakteristischen Fingerabdrücke liegen meistens im Bereich der Radio- bzw.
Wärmestrahlung (Infrarotbereich), und können mit entsprechenden Teleskopen
beobachtet werden. Unter den Molekülen spielen Kohlenwasserstoffe (Moleküle
bestehend aus Kohlenstoff - C - und Wasserstoff - H) eine besondere Rolle, weil
sie unter anderem als Vorläufer von Biomolekülen fungieren können. Biomoleküle
sind organische Substanzen, die die Grundlage von Lebewesen formen. CH3+ ist ein
elementares Kohlenwasserstoffmolekül und ein Baustein komplexerer Moleküle.
Bisher konnte CH3+ im All nicht nachgewiesen werden, weil es aufgrund seines
symmetrischen dreieckigen Aufbaus keine Radiostrahlung, sondern nur
Infrarotstrahlung aussendet. Ein geeignetes Infrarotteleskop fehlte bisher
jedoch. Das änderte sich mit dem Start des James Webb Space Telescope (JWST), das im Infrarotbereich
misst, sowie seiner Inbetriebnahme im Sommer 2022. Das JWST gilt als
wissenschaftlicher Nachfolger des ebenso
bahnbrechenden Hubble-Weltraumteleskops. Die Beobachtungsschärfe und die hohe
Empfindlichkeit des neuen Teleskops, insbesondere bei langen Wellenlängen,
eröffnen neue, einmalige Beobachtungsmöglichkeiten.
Verschiedene Gruppen am
Kölner Institut für Astrophysik haben zum aktuellen Forschungsergebnis
beigetragen, auch durch den Bau einiger JWST-Spektrometer-komponenten. Ein anderes Team, die Kölner
Submillimeter-Astrophysik Gruppe, untersucht seit langem die Physik und Chemie
des Orionnebels. Die Beobachtungen mit dem JWST wurden von Privatdozent Dr.
Markus Röllig und Dr. Yoko Okada mitentworfen und -ausgewertet. Experimente der
Laborastrophysikgruppe machten es möglich,
CH3+ zu identifizieren. Die Gruppe beschäftigt sich mit Molekülspektroskopie,
bei der sie die spektralen Fingerabdrücke der Moleküle im Labor im Radio- und
Infrarotbereich misst, ohne die eine Identifizierung im Weltall nicht möglich
wäre.
Das CH3+-Molekül wurde schon 2018 unter der Leitung von Professor
Dr. Stephan Schlemmer und Privatdozent Dr. Oskar Asvany in einer sogenannten kalten
Ionenfalle untersucht. Dazu wurden im Experiment einige Tausend CH3+-Ionen
festgehalten und mit einem Infrarotlaser bestrahlt. So konnte die genaue
spektrale Position der infraroten Fingerabdrücke dieses Moleküls bestimmt
werden, die das JWST nun beobachtet hat. "„Es ist schön zu sehen, dass die vor
fünf Jahren gewonnenen Daten zu CH3+, die bisher eher ein
Nischendasein führten, durch die JWST-Daten so bedeutend geworden sind",
unterstreicht Asvany. Und
Schlemmer fügt hinzu: "Das ermutigt uns und andere Gruppen weltweit, dieses
besondere Molekül in Zukunft noch genauer zu untersuchen."
Über die Beobachtungen berichtet das Team in einem Fachartikel,
der in der
Zeitschrift Nature erschienen ist.
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