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IXPE
Ein Strahlungsausbruch des Schwarzen Lochs vor 200 Jahren
Redaktion / Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Astrophysik 
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27. Juni 2023

Könnte es sich bei der Röntgenemission einer riesigen Molekülwolken um die Reflexion eines gewaltigen Ausbruchs des supermassereichen Schwarzen Lochs Sagittarius A* im Zentrum unserer Milchstraße handeln? Diese Frage beschäftigt die Astronomie schon seit vielen Jahren. Jetzt lieferten Beobachtungen mit dem Imaging X-ray Polarimetry Explorer eine Antwort.

Sgr A*

IXPE-Röntgenbild der Molekülwolke in der Nähe von Sgr A*. Bild: MPA [Großansicht]

Molekülwolken sind kalt. Man erwartet von ihnen keine Röntgenstrahlen zu sehen. Doch in den 1990er Jahren entdeckten die GRANAT- und ASCA-Observatorien diffuse, harte Röntgenstrahlung, die mit der Verteilung des molekularen Gases in der zentralen Region unserer Milchstraße korrelierte. Die Form des Röntgenspektrums ähnelte der von reflektierter Emission in Aktiven Galaktischen Kernen (AGN) oder Röntgendoppelsternen. Dort wird eine relativ kalte Akkretionsscheibe von der hellen zentralen Quelle beleuchtet. Diese Strahlung entsteht, wenn Materie auf ein Schwarzes Loch fällt. Die dann reflektierte Emission besteht typischerweise aus einem sehr harten Kontinuum aufgrund von Compton-Streuung und einer hellen Eisen-Fluoreszenzlinie – genau das, was von den Wolken gesehen wurde.

 In unserem galaktischen Zentrum gibt es jedoch keine Röntgenquelle, die hell genug wäre, um die Röntgenemission der Molekülwolken zu erzeugen – zumindest jetzt. Daher vermuteten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, dass es in der Vergangenheit, vor einigen hundert Jahren, eine helle Quelle gegeben haben muss. Das supermassereiche Schwarze Loch im Zentrum unserer Galaxie, Sagittarius A*, kurz Sgr A*, ist ein Hauptkandidat für eine solche Quelle. Während Sgr A* derzeit sehr schwach im Röntgenlicht leuchtet, könnte es eine Million Mal mehr Röntgenlicht erzeugen, wenn es mit mehr Gas gefüttert wird. Ein solcher Ausbruch oder "Flare", auch wenn er nur wenige Stunden dauerte, könnte ausreichen, um die gesamte heute beobachtete Emission der Wolken zu erklären.

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Eine unmittelbare Folge des Reflexionsszenarios ist die Möglichkeit scheinbar überlichtschneller Bewegungen, bei denen sich ein angestrahlter Punkt auf der Oberfläche einer Wolke schneller als mit Lichtgeschwindigkeit zu bewegen scheint. Schon bald haben die Observatorien Chandra und XMM-Newton solche scheinbar überlichtschnellen Bewegungen entdeckt. Eine weitere direkte Vorhersage ist die Polarisation der reflektierten Kontinuumsemission, selbst wenn die ursprüngliche Strahlung nicht polarisiert ist. Der Grad der Polarisation hängt vom Streuwinkel ab, während die Polarisationsebene senkrecht zur Richtung der Primärquelle ausgerichtet ist. Daher kann man aus einer derartigen Beobachtung nicht nur einen endgültigen Beweis für die Natur der Röntgenemission der Molekülwolken erbringen, sondern auch überprüfen, ob die primäre Emission aus der Richtung von Sgr A* kam, und das Alter des Flares bestimmen.

Es dauerte etwa 20 Jahre, bis derartige Polarisationsbeobachtungen möglich wurden. Bis vor kurzem war die einzige sichere Polarisationsmessung die des Krebsnebels mit den Graphitkristallpolarimetern des OSO 8, die vor etwa 45 Jahren durchgeführt wurde. Mit dem Start des Satelliten Imaging X-ray Polarimetry Explorer (IXPE) steht nun ein neuartiges abbildendes Polarimeter hzur Verfügung, das auf dem photoelektrischen Effekt beruht – der Verfolgung der Flugbahn von Photoelektronen in einem positionsempfindlichen Detektor. Diese neue Technologie sorgt für die nötige Steigerung der Empfindlichkeit, um die schwache diffuse Emission der Molekülwolken im galaktischen Zentrum zu erkennen.

Die ersten IXPE-Beobachtungen im Bereich des galaktischen Zentrums wurden im Februar und März 2022 durchgeführt. Fast zeitgleich untersuchte das Chandra-Observatorium die gleiche Region. Beide Bilder zeigen das charakteristische Reflexionsspektrum. Die Umgebung des galaktischen Zentrums ist kompliziert und viele verschiedene Komponenten tragen zu seiner Röntgenemission bei. Der Beitrag der reflektierten Komponente ist im Vergleich zum Gesamtspektrum relativ bescheiden

Welchen Beitrag leistet nun IXPE zu den bisherigen Chandra- und XMM-Newton-Daten? Es beweist, dass diese Emission polarisiert ist. Die Analyse des polarisierten Signals ergab, dass der Polarisationsgrad 31±11% beträgt. Damit sind der Streuungswinkel und das Alter des Flares festgelegt: vor etwa 200 Jahren. Gleichzeitig stimmt die Polarisationsrichtung innerhalb der Unsicherheiten mit der Position von Sgr A* überein. Die IXPE-Daten stützen somit die Hypothese, dass Sgr A* die primäre Quelle für die Reflexion an den Molekülwolken ist.

Dies bietet eine neue, lang erwartete "polarisierte" Sicht auf die Röntgen-beleuchteten Wolken und eine ergänzende Möglichkeit zu untersuchen, wie "unser" supermassereiches Schwarzes Loch in der jüngsten Vergangenheit Energie freisetzte. Obwohl das aktuelle IXPE-Ergebnis bereits ein bemerkenswerter Erfolg ist, bleiben viele Fragen offen. Dazu gehören: Handelte es sich um einen einzelnen Flare oder um mehrere Ausbrüche? War die primäre Emission polarisiert oder nicht? Es sind bereits weitere IXPE-Beobachtungen geplant, die helfen werden, Antworten zu finden. Darüber hinaus besteht die aufregende Möglichkeit, dass die aktuelle Bildgebung und künftige Röntgenmissionen mit hoher spektraler Auflösung die innere Struktur der Molekülwolken aufdecken werden.

Über die Beobachtungen berichtet das Team in einem Fachartikel, der in der Zeitschrift Nature erschienen ist.

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siehe auch
IXPE: Überraschendes vom Röntgenpulsar Her X-1 - 10. November 2022
Links im WWW
Marin, F. et al. (2023): X-ray polarization evidence for a 200-year-old flare of Sgr A*, Nature (arXiv.org-Preprint)
Max-Planck-Institut für Astrophysik
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