Auf der Spur der Weißen-Zwerg-Pulsare
Redaktion
/ Pressemitteilung des Leibniz-Instituts für Astrophysik Potsdam astronews.com
19. Juni 2023
Enge Doppelsternsysteme aus einem Weißen Zwerg und einem
Roten Zwergstern können offenbar wie ein Pulsar aufblitzen. Lange Zeit war nur
eines dieser exotischen Systeme bekannt, nun entdeckten zwei Forschungsgruppen
ein zweites Exemplar. Es sollte den Wissenschaftlern und Wissenschaftlern
helfen, mehr über diese seltenen Objekte zu erfahren.

Künstlerische Darstellung eines Weißen-Zwerg-Pulsars. Bild: M.
Garlick / University of Warwick / ESO [Großansicht] |
Weiße Zwerge sind extrem verdichtete Sternreste mit der Masse unserer Sonne
aber der geringen Größe unseres Planeten Erde. Sie entstehen, wenn ein Stern mit
geringer Masse seinen gesamten Brennstoff verbrannt hat, seine äußeren Schichten
verliert und sein Inneres stark kontrahiert. Sie werden auch als "stellare
Fossilien" bezeichnet und bieten Einblicke in verschiedene Aspekte der
Sternentwicklung.
Pulsare hingegen sind seit den 1960er Jahren bekannt und man kennt mehr als
3000 davon. Dabei handelt es sich um schnell rotierende, stark magnetische
Neutronensterne, in denen geladene Teilchen durch ultrastarke elektrische Felder
aus der Oberfläche gerissen und auf nahezu Lichtgeschwindigkeit beschleunigt
werden. In Folge dessen senden sie Strahlung, also Licht, aus, und das vom
Radio- bis in den Röntgen- oder sogar Gammabereich. Wegen der schnellen Rotation
der Sterne treffen jeweils kurze Pulse der Strahlung auf der Erde ein, womit
sich die Namensgebung – Pulsar – begründet.
Zur großen Überraschung der wissenschaftlichen Gemeinschaft wurde im Jahr
2016 erstmals das Pulsarphänomen auf einem Weißen Zwerg beobachtet. Die
Überraschung lag darin, dass in diesem Stern, AR Scorpii, weder die extrem
schnelle Rotation noch die starken elektrischen Felder der eigentlichen Pulsare
vorhanden waren. Der Weiße Zwergstern jedoch war in einem sehr engen
Doppelsternsystem anzutreffen und wurde von seinem unmittelbaren Nachbarn, einem
sonnenähnlichen Roten Zwergstern, durch Injektion in sein Magnetfeld mit
Teilchen versorgt. Dadurch wird das Pulsarphänomen von außen entfacht und der
rote Begleitstern wie mit einem Stroboskop bestrahlt, so dass das gesamte System
in regelmäßigen Abständen dramatisch heller und schwächer wird. Die beiden
Sterne, der Weiße und der Rote Zwerg, sind so eng benachbart, dass sie in unsere
Sonne hineinpassen würden.
Entscheidend ist das Vorhandensein eines starken Magnetfeldes, dessen Ursache
Astrophysikerinnen und Astrophysiker jedoch nicht kennen. Eine Schlüsseltheorie,
die die starken Magnetfelder erklärt, ist das "Dynamomodell" – es besagt, dass
Weiße Zwerge Dynamos, elektrische Generatoren, in ihrem Kern haben, so wie die
Erde, nur viel stärker. Um diese Theorie zu überprüfen, mussten Forschende
jedoch nach anderen Weißen-Zwerg-Pulsaren suchen, um zu sehen, ob ihre
Vorhersagen zutreffen.
In zwei neuen Studien beschreibt ein internationales Team unter Beteiligung
des Leibniz-Instituts für Astrophysik Potsdam (AIP) den neu entdeckten
Weißen-Zwerg-Pulsar J1912-4410 (eRASSU J191213.9-441044). Er ist 773 Lichtjahre
von der Erde entfernt und dreht sich in fünf Minuten einmal um die eigene Achse,
also 300-mal schneller als unser Planet. Der Weiße-Zwerg-Pulsar hat eine
ähnliche Größe wie die Erde, aber eine Masse, die mindestens so groß ist wie die
der Sonne. Das bedeutet, dass ein Teelöffel Weißer Zwerg etwa 15 Tonnen wiegen
würde.
Weiße Zwerge beginnen ihr Leben bei extrem hohen Temperaturen, bevor sie über
Milliarden von Jahren abkühlen. Die niedrige Temperatur von J1912-4410 deutet
auf ein hohes Alter hin. Die Studie bestätigt, dass es weitere
Weiße-Zwerg-Pulsare gibt, wie von früheren Modellen vorhergesagt. Es gab noch
weitere Vorhersagen des Dynamomodells, die durch die Entdeckung von J1912-4410
bestätigt wurden. Aufgrund ihres hohen Alters sollten die Weißen Zwerge in dem
Pulsarsystem kühl sein. Ihre Begleiter sollten nahe genug sein, dass die
Anziehungskraft des Weißen Zwerges in der Vergangenheit stark genug war, um dem
Begleiter Masse zu entziehen, was dazu führt, dass sie sich schnell drehen. Alle
diese Annahmen treffen auf den neu entdeckten Pulsar zu: Der Weiße Zwerg ist
kühler als 13.000 Kelvin, hat eine hohe Rotationsfrequenz von etwa fünf Minuten,
und die Anziehungskraft des Weißen Zwerges hat eine starke Wirkung auf den
Begleiter.
Ein Team nutzte Daten von Gaia und WISE, um Kandidaten zu finden,
und konzentrierte sich auf solche, die ähnliche Eigenschaften wie AR Scorpii
aufweisen. Nachdem sie ein paar Dutzend Kandidaten beobachtet hatten, fanden sie
einen mit sehr ähnlichen Lichtvariationen wie AR Scorpii. Eine Folgebeobachtung
mit anderen Teleskopen ergab, dass dieses System etwa alle fünf Minuten ein
Radio- und Röntgensignal in Richtung Erde sendet.
Ein anderes Team nutzte Daten des Röntgenteleskops eROSITA auf dem Satelliten
Spektrum-Röntgen-Gamma, um enge Weißer-Zwerg/Roter-Zwerg-Paare zu finden. Beide
Teams schlossen sich zusammen, um ihre neue Entdeckung weiter zu untersuchen.
"Wir freuen uns sehr, dass wir das Objekt in der mit SRG/eROSITA durchgeführten
Röntgendurchmusterung gefunden haben", bemerkt Dr. Axel Schwope, Leiter der
Gruppe Röntgenastronomie am AIP. "Die Folgeuntersuchung mit dem ESA-Satelliten
XMM-Newton zeigte die Pulsationen im hochenergetischen Röntgenbereich,
der letzte fehlende Beweis, um das Objekt als Weißen-Zwerg-Pulsar zu
identifizieren. Damit bestätigten wir die ungewöhnliche Natur des neuen Objekts
und etablierten die Weißen-Zwerg-Pulsare als eine neue Klasse, wenn auch derzeit
nur mit zwei Vertretern."
Dr. Ingrid Pelisoli vom Institut für Physik der Universität Warwick fügt
hinzu: "Der Ursprung von Magnetfeldern ist eine große offene Frage in vielen
Bereichen der Astronomie, und dies gilt insbesondere für Weiße Zwerge. Die
Magnetfelder in Weißen Zwergen können mehr als eine Million Mal stärker sein als
das Magnetfeld der Sonne, und das Dynamomodell hilft zu erklären, warum. Die
Entdeckung von J1912-4410 ist ein entscheidender Schritt nach vorn in diesem
Bereich."
Die Studien wurden in den Zeitschriften Nature Astronomy und
Astronomy & Astrophysics veröffentlicht.
|