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TEILCHENPHYSIK
Theorien jenseits des Standardmodells gesucht
Redaktion / idw / Pressemitteilung der Universität Bonn
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21. April 2023

Woraus bestehen Dunkle Materie und Dunkle Energie? Warum gibt es so viel Materie, aber so wenig Antimaterie im Universum? Und warum haben die Neutrinos eine so winzig kleine Masse? Um diese fundamentalen Fragen zu beantworten, sollen in Bonn künftig neue Modelle jenseits des Standardmodells der Teilchenphysik und neue computergestützte Rechenmethoden entwickelt werden.

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Dunkle Materie, Dunkle Energie und fehlende Antimaterie: Das Universum bietet auch der Teilchenphysik viele offene Fragen. Bild: NASA, ESA, G. Illingworth, D. Magee und P. Oesch (University of California, Santa Cruz), R. Bouwens (Leiden University) und das HUDF09-Team [Großansicht]

 In der Wissenschaft geht es darum, komplexe Sachverhalte zu verstehen – zum Beispiel die Simulation der Entstehung von Galaxien oder die Auswertung der riesigen Datenmengen, die durch Experimente in einem Teilchenbeschleuniger entstehen. Dafür reichen Stift und Papier schon lange nicht mehr aus, sondern man braucht immer ausgefeiltere computergestützte Rechenmethoden. Solche Methoden entwickelt Jun.-Prof. Dr. Lena Funcke mit ihrem Team. Darüber hinaus untersucht die 28-Jährige, wie bereits vorhandene Methoden neu angewendet werden können. Dazu arbeitet sie interdisziplinär mit Forschenden aus der Physik, der Informatik und der Mathematik zusammen.

"Wir sind froh und stolz zugleich, dass es uns gelungen ist, Lena Funcke zu gewinnen", sagt Prof. Dr. Ulrike Thoma, Gründungssprecherin des TRA "Matter" der Universität Bonn. "Computergestützte Methoden, wie sie Frau Funcke im Bereich der Quantenfeldtheorie vorantreibt, sind über die Grenzen der Fächer hinweg ganz essenziell, möchte man die Natur mit all ihren faszinierenden Aspekten im Detail verstehen."

Der Transdisziplinäre Forschungsbereich "Matter" ist einer von sechs fächerübergreifenden Verbünden (kurz TRA für Transdisciplinary Research Area), die eine tragende Säule der Exzellenzuniversität Bonn bilden. In den TRAs arbeiten Forschende über Fächer- und Fakultätsgrenzen hinweg gemeinsam an zentralen wissenschaftlichen, technologischen und gesellschaftlichen Zukunftsthemen. Herzstück des Konzepts sind besondere Professuren, die darauf ausgelegt sind, Disziplinen auf einzigartige Weise miteinander zu verbinden.

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Eine davon ist die jetzt mit Funcke besetzte Clausius-Professur in der TRA "Matter", benannt nach dem Bonner Physiker Rudolph Clausius (1822-1888). Prof. Dr. Andreas Zimmer, Prorektor für Forschung und wissenschaftlichen Nachwuchs, freut sich über die Berufung: "Lena Funcke hat schon jetzt wichtige Beiträge zur Physik geleistet. Wir glauben, dass sie das exzellente wissenschaftliche Umfeld der Universität Bonn bereichert und ihre Arbeiten noch weitere wichtige Einblicke in die elementaren Prozesse der Natur liefern werden."

Um die fundamentalen Fragen der Teilchenphysik zu beantworten, werden neue Modelle jenseits des Standardmodells der Teilchenphysik benötigt. Mit ihrer bisherigen Forschung hat Funcke hier bereits neue Wege aufgezeigt, unter anderem die Entwicklung eines Modells, um die winzig kleinen Massen der Neutrinos zu erklären. Das Modell sagt voraus, dass die Massen der Neutrinos nicht direkt nach dem Urknall entstehen – so wie die Massen der anderen Elementarteilchen – sondern erst sehr spät in der Geschichte des Universums. Wenn das Modell in der Natur realisiert ist, hat es entscheidende Konsequenzen für unser Verständnis der späten Entwicklung des Universums.

Um aus Modellen innerhalb und jenseits des Standardmodells Vorhersagen für zukünftige Experimente zu gewinnen, sind komplizierte Berechnungen notwendig, die oft neue computergestützte Rechenmethoden benötigen. Hierfür entwickeln Funcke und ihr Team zum einen Algorithmen für "normale" Computer, also Laptops oder Supercomputer, basierend auf Maschinellem Lernen („Künstliche Intelligenz“) und auf Methoden, die Gitterquantenfeldtheorie und Tensornetzwerke genannt werden. Zum anderen arbeitet das Forschungsteam an der Entwicklung von Algorithmen für Quantencomputer. Während normale Computer mit Bits arbeiten, die nur die Zustände 0 oder 1 annehmen können, arbeiten Quantencomputer mit sogenannten Qubits, die auch gleichzeitig im Zustand 0 und 1 sein können oder theoretisch auch in unendlich vielen Zuständen dazwischen. Durch diese Eigenschaft haben Quantencomputer das Potenzial, in der Zukunft Berechnungen jenseits dessen zu ermöglichen, wozu heutige Computer fähig sind.

"Viele dieser computergestützten Rechenmethoden finden Anwendungen über die Teilchenphysik hinaus, zum Beispiel für Probleme in der Quantenchemie oder für Optimierungsprobleme bei Flughäfen", erklärt Funcke. "Die Universität Bonn mit ihren Transdisziplinären Forschungsbereichen bietet für mich die perfekte Umgebung, um mein interdisziplinäres Forschungsvorhaben umzusetzen. Ich freue mich auf vielseitige Kollaborationen und darauf, die Synergien innerhalb der TRA 'Matter' weiter zu verstärken."

Nach ihrem Studium der Physik an der Universität Münster und der University of Cambridge in England schloss Funcke mit 23 Jahren ihre Promotion am Max-Planck-Institut für Physik und der LMU München ab. Ihre Doktorarbeit wurde ausgezeichnet mit dem Arnold-Sommerfeld-Promotionspreis der LMU und dem Dieter-Rampacher-Preis, den die Max-Planck-Gesellschaft jährlich für die jüngste Doktorandin oder den jüngsten Doktoranden mit hervorragendem Promotionsabschluss vergibt. Es folgte eine vierjährige Tätigkeit als Postdoktorandin, zunächst am Perimeter Institute for Theoretical Physics im kanadischen Waterloo und danach am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in den USA.

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