Die massereichsten Sterne der Milchstraße und ihre Magnetfelder
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung des Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam astronews.com
29. März 2023
Astronominnen und Astronomen haben durch Auswertung von
Archivmaterial nachweisen können, dass Magnetfelder in Mehrfachsternsystemen mit
mindestens einem massereichen, heißen blauen Stern viel häufiger vorkommen als
bisher von Fachleuten angenommen. Die Ergebnisse verbessern erheblich das
Verständnis massereicher Sterne und ihre Rolle als Vorläufer von
Supernova-Explosionen.
Die Magnetosphäre ist der Bereich um einen
Stern, in dem sein Magnetfeld geladene Teilchen beeinflusst.
In der Simulation stellen die weißen Linien die
Magnetfeldlinien dar, die die Magnetosphäre bilden. Die
Magnetpole befinden sich oben und unten. Je heller die Farbe
des abgebildeten Gases, desto höher die Dichteverteilung. Eine
Gasscheibe ist als Konzentration der Gasdichteverteilung in
der (magnetischen) Äquatorialebene sichtbar.
Bild:
AIP / M. Küker [Großansicht] |
Blaue, sogenannte O-Typ-Sterne gehören zu den massereichsten Sternen in
unserem Universum mit einer Masse von mehr als dem 18-fachen unserer Sonne. Zwar
sind sie selten, aber so heiß und leuchtstark, dass vier der 90 hellsten von der
Erde aus sichtbaren Sterne zu dieser Kategorie gehören. Sie sind von
außerordentlicher Bedeutung, weil sie energiereiche physikalische Prozesse in
Gang setzen, die die Struktur ganzer Galaxien beeinflussen und die Regionen
zwischen den Sternen chemisch anreichern. In diesen Bereichen mit aktiver
Sternentstehung, wie den Spiralarmen einer Galaxie, oder in Galaxien, die gerade
kollidieren oder verschmelzen, findet man normalerweise O-Typ-Sterne. Solche
massereichen Sterne sind für magnetische Studien von besonderem Interesse, da
sie ihre Entwicklung explosionsartig als Supernova beenden und ein kompaktes
Objekt wie einen Neutronenstern oder ein Schwarzes Loch als Überrest
hinterlassen.
Doppelsterne sind Systeme aus zwei Sternen, die durch die Schwerkraft
aneinander gebunden sind und sich gegenseitig umkreisen. Wenn beide Komponenten
Sterne vom Typ O sind, kann das Doppelsternsystem zu einem kompakten Objekt
werden. Am Ende ihres Lebens erzeugen sehr massereiche Sterne ein Schwarzes
Loch, während die weniger massereichen Sterne vom Typ O als Neutronensterne
enden, wenn sie als Supernova "sterben". Aus den Doppelsternen können also zwei
Neutronensterne, ein Neutronenstern und ein Schwarzes Loch oder zwei Schwarze
Löcher entstehen. Die Umlaufbahnen dieser Objekte verringern sich durch die
Emission von Gravitationswellen und können von Gravitationswellendetektoren
beobachtet werden.
Wie die Sonne haben auch massereiche Sterne stellare Winde – einen
energiereichen Strom von geladenen Teilchen. Dieses Plasma reagiert auf das
Magnetfeld des Sterns. Dadurch entsteht eine Struktur, eine Magnetosphäre, die
alle Sterne und Planeten mit Magnetfeldern besitzen, einschließlich der Erde,
die dadurch vor energiereicher kosmischer Strahlung geschützt ist. Das Plasma,
das sich mit Tausenden von Kilometern pro Sekunde bewegen kann, ist dabei
extremen Zentrifugalkräften ausgesetzt. Eine wissenschaftliche Theorie besagt,
dass dieser magnetische Mechanismus die eng gebündelte Explosion massereicher
Sterne verursacht, und damit für langanhaltende Gammastrahlenausbrüche,
Röntgenblitze und andere Phänomene in Zusammenhang mit Supernovae von Bedeutung
ist.
Eine theoretische Erklärung für den Einfluss von Magnetfeldern auf Supernovae
oder lang andauernde Gammastrahlenausbrüche wurde zwar schon vor Jahrzehnten
vorgeschlagen, aber seither wurde nur von elf Sternen vom Typ O berichtet, die
Magnetfelder aufweisen. Mit Ausnahme eines Sterns handelte es sich bei allen um
Einzelsterne oder weite Doppelsterne. Diese Tatsache war sehr rätselhaft, da
frühere Studien gezeigt hatten, dass über 90 Prozent der Sterne vom Typ O in
Mehrfachsystemen mit zwei oder mehr Sternen entstehen.
In der Tat waren viele Astronominnen und Astronomen über die relativ geringe
Anzahl von Magnetfeldnachweisen bei massereichen Sternen verwirrt, da sie einige
der beobachteten physikalischen Eigenschaften von Mehrfachsystemen nicht
interpretieren konnten, ohne die Wirkung eines Magnetfeldes zu berücksichtigen.
Um diese Diskrepanz zu beheben, führten die Autorinnen und Autoren der jetzt
vorgestellten Studie eine magnetische Untersuchung durch, bei der sie
archivierte spektropolarimetrische Beobachtungen von Sternsystemen mit
mindestens einer Komponente vom Typ O verwendeten.
Die Spektropolarimetrie misst die Polarisation des Lichts, die Aufschluss
über das Vorhandensein eines Magnetfelds in einem Stern gibt. Sie verwendeten
Daten der hochauflösenden Spektropolarimeter HARPS, das am 3,6-Meter-Teleskop
der ESO auf La Silla in Chile installiert ist, und ESPaDOnS am
Canada-France-Hawaii-Teleskop auf Mauna Kea. Um die Daten zu analysieren,
entwickelten sie ein spezielles, ausgeklügeltes Verfahren zur Messung des
Magnetfeldes.
"Zu unserer Überraschung zeigten die Ergebnisse eine sehr hohe Häufigkeit des
Magnetismus in diesen Mehrfachsystemen. In 22 der 36 untersuchten Systeme wurden
definitiv Magnetfelder nachgewiesen, während nur drei Systeme keinerlei
Anzeichen eines Magnetfeldes aufwiesen", erklärt Dr. Silva Järvinen,
Wissenschaftlerin in der Abteilung Sternphysik und Exoplaneten am
Leibniz-Instituts für Astrophysik Potsdam (AIP). "Die große Anzahl von Systemen
mit magnetischen Komponenten gibt Rätsel auf, deutet aber wahrscheinlich darauf
hin, dass die Tatsache, dass diese Sterne sich als Doppelsternsysteme entwickelt
haben, eine entscheidende Rolle bei der Erzeugung von Magnetfeldern in
massereichen Sternen spielt, und zwar durch Wechselwirkungen zwischen den
Systemkomponenten, wie z. B. Massentransfer zwischen den Sternen oder sogar
durch eine Verschmelzung zweier Sterne. Diese Arbeit ist auch die erste
Beobachtungsbestätigung für das zuvor vorgeschlagene theoretische Szenario, wie
das Magnetfeld eines Sterns seinen Tod beeinflusst und eine schnellere und
heftigere Supernova-Explosion verursacht", unterstreicht AIP-Forscherin Dr.
Swetlana Hubrig.
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