Warum Christiaan Huygens wohl eine Brille gebraucht hätte
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung des Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam astronews.com
6. März 2023
Christiaan Huygens baute im 17. Jahrhundert hervorragende
Linsen, aber seine Teleskope waren im Vergleich zu den damaligen Möglichkeiten
nicht sehr scharf. Ein Sonnenphysiker mit großem Interesse für
Wissenschaftsgeschichte hat sich nun mit diesem Paradoxon befasst und
festgestellt: Huygens war vermutlich kurzsichtig und hätte eine Brille
gebraucht.
Eine Sammlung von Linsen von Christiaan
Huygens mit seinem Porträt im Hintergrund.
Bild:
Rijksmuseum Boerhaave, Leiden [Großansicht] |
Christiaan Huygens war ein niederländischer Wissenschaftler aus dem 17.
Jahrhundert, der die Optik, Mechanik, Zeitmessung und Astronomie seiner Zeit
revolutionierte. Er erfand zum Beispiel die Pendeluhr, entwickelte eine
Wellentheorie des Lichts, entdeckte den Saturnmond Titan und beschrieb die wahre
Natur der Saturnringe. Seine Teleskope und Linsen waren für die damalige Zeit
von hervorragender Qualität, erreichten aber nicht die gleiche Schärfe wie die
seiner Konkurrenten.
Eine neue Studie wirft einen ungewöhnlichen Blick auf Huygens’ Arbeit und
legt nahe, dass die mangelnde Schärfe seiner Linsen auf eine Sehschwäche von
Huygens zurückzuführen ist: Der Wissenschaftler litt möglicherweise an
Kurzsichtigkeit, wodurch weit entfernte Objekte unscharf erscheinen. Die Studie
wurde von Dr. Alex Pietrow durchgeführt, einem Postdoktoranden am AIP in der
Abteilung Sonnenphysik mit Begeisterung für Wissenschaftsgeschichte. Er
untersuchte die Regeln und Gleichungen, die Huygens für die Konstruktion von
Teleskopen aufgestellt hatte, und stellte fest, dass ihre Leistung im Vergleich
zu modernen optischen Prinzipien unzureichend ist.
Huygens’ Vorgehensweise für die Herstellung von Linsen war experimentell und
beruhte auf Versuch und Irrtum: Er testete die Kombinationen verschiedener
Linsen und Okulare, um das am besten funktionierende Fernrohr zu finden.
Anschließend erstellte er Tabellen und Gleichungen, die er zum Bau von
Teleskopen mit der gewünschten Vergrößerung verwendete. Die Teleskope, die der
niederländische Wissenschaftler anhand dieser Gleichungen konstruierte, blieben
jedoch hinter dem theoretischen Optimum zurück. So stellte beispielsweise ein
ehemaliger Direktor der Sternwarte von Leiden in den Niederlanden, Frederik
Kaiser, 1846 fest, dass Huygens zwar makellose Linsen baute, seine Teleskope
aber im Vergleich zu zeitgenössischen Linsenfernrohren ein deutlich geringeres
Auflösungsvermögen besaßen.
Die neue Studie legt nahe, dass Huygens’ Sehvermögen der Grund dafür gewesen
sein könnte. Der Unterschied zwischen seinen Gleichungen und der modernen Optik
lässt sich erklären, wenn man Huygens eine Brille mit –1,5 Dioptrien
verschreibt. "Dies ist wahrscheinlich das erste posthume Brillenrezept, und noch
dazu für jemanden, der vor 330 Jahren lebte!", kommentiert Pietrow. Huygens’
Kurzsichtigkeit war so gering, dass sie im 17. Jahrhundert keine Probleme im
täglichen Leben verursachte und daher unbemerkt blieb. Jemand mit dieser
Sehschwäche kann auf kurze Entfernungen gut lesen, hat aber Schwierigkeiten,
Buchstaben in der Ferne zu entziffern. Das ist in der modernen Welt
problematisch beim Erkennen von Verkehrsschildern oder beim Autofahren; vor 300
Jahren wäre dies jedoch kein Problem gewesen.
Selbst wenn Huygens sich der Unzulänglichkeit seines Sehvermögens bewusst
gewesen wäre, hätte er keine Brille gebraucht. "Meine Theorie ist, dass Huygens,
weil er im täglichen Leben keine Brille brauchte wie sein Vater, wahrscheinlich
auch nicht darüber nachdachte, als er Teleskope baute. Also hat er diesen
Augenfehler unbewusst in seine Entwürfe einbezogen", führt Pietrow aus. Das
würde auch erklären, warum es Huygens nicht gelang, diese Einschränkung seiner
Fernrohre zu überwinden: Er konnte keine weiteren Verbesserungen erkennen.
Pietrow kommt zu dem Schluss: "Diese Erkenntnisse werfen ein neues Licht auf die
Arbeit von Christiaan Huygens und legen nahe, dass die Person, die ein Fernrohr
konstruiert, genauso wichtig ist wie ihre Werkzeuge."
Über die Studie berichtet Pietrow jetzt in der
Zeitschrift Notes and Records: the Royal Society Journal of the History of
Science.
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