Sternentstehung in einem Netzwerk aus Gas und Staub
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Astronomie astronews.com
17. Februar 2023
Mit dem James Webb Space Telescope konnten Forschende nun
einen Blick auf die Vorgänge rund um die Sternentstehung in nahen
Galaxien werfen. Schon die ersten Daten machten deutlich, welchen Beitrag James
Webb hier künftig leisten wird. Die Klarheit, mit der feine Strukturen in den
vier untersuchten Galaxien zu erkennen sind, hat das Team überrascht.
Neue JWST-Bilder geben Wissenschaftlern
erstmals einen hochauflösenden Einblick in die feinen
Strukturen naher Galaxien und wie diese durch die Geburt von
jungen Sternen beeinflusst werden.
Bild:
NASA / ESA / CSA / Judy Schmidt (CC BY 2.0) [Großansicht] |
Astronominnen und Astronomen aus der ganzen Welt, darunter auch
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Astronomie
(MPIA) in Heidelberg, arbeiten gemeinsam an einem Projekt, das einige der
verbleibenden Geheimnisse der Sternentstehung in Galaxien lüften soll. Diese
"Treasury-Studie" mit dem Namen "Physics at High Angular Resolution in Nearby
Galaxies with JWST" (PHANGS-JWST) unter der Leitung von Janice Lee vom
Gemini Observatory am NOIRLab der National Science Foundation in
Tucson im US-Bundesstaat Arizona, hat nun erste Daten aus einem vom James
Webb Space Telescope (JWST) durchgeführten Beobachtungsprogramm analysiert.
Das Team plant 19 sogenannte "Face-on"-Galaxien in der Nähe der Milchstraße
zu untersuchen, also solche Galaxien, die wir von "oben" bzw. "unten" sehen. In
den ersten Monaten des wissenschaftlichen Betriebs des JWST wurden vier dieser
Objekte – NGC 628 (M 74), NGC 1365, NGC 7496 und IC 5332 – beobachtet. Die
Bilder, die mit der Nahinfrarotkamera (NIRCam) und dem Mittelinfrarotinstrument
(MIRI) aufgenommenen wurden, haben die beteiligten Astronomen und Astronominnen
durchaus überrascht. NIRCam ist ein Beitrag der Universität von Arizona. MIRI
wurde von einem europäischen Konsortium aus Forschungseinrichtungen und
Industriepartnern gebaut.
"Wir sind besonders stolz auf die wesentlichen technischen Beiträge des MPIA
zu MIRI, wie zum Beispiel den Filterradmechanismus der bildgebenden Kamera",
sagt Eva Schinnerer, Gruppenleiterin am MPIA. Sie leitet die gesamte
PHANGS-Kollaboration. Die MIRI-Bilder zeigen ein Netzwerk stark strukturierter
Details in diesen Galaxien – Balkenstrukturen, die Gas in die Zentren der
Galaxien leiten und die Sternentstehung anheizen, und feine Ausläufer aus kaltem
Gas zwischen den Spiralarmen, in denen sich Sterne über den gesamten
Massenbereich hinweg bilden.
"Die Klarheit, mit der wir die feinen Strukturen sehen, hat uns wirklich
überrascht", sagt Adam Leroy von der Ohio State University und
Humboldt-Forschungspreisträger am MPIA. "Die neuen PHANGS-JWST-Daten geben uns
einen faszinierenden Einblick in die Sternentstehung umliegender Spiralgalaxien
bei höchster Auflösung", erklärt Nadine Neumayer, Leiterin einer
Lise-Meitner-Forschungsgruppe am MPIA. "Die Infrarotbilder ergänzen die
vorhandenen Daten des Hubble-Weltraumteleskops aus dem optischen
Spektralbereich. Sie bieten Einblicke in Regionen, die bisher durch Staub
verdeckt waren", ergänzt Nils Hoyer vom MPIA, Doktorand des
Max-Planck-IMPRS-Programms an der Universität Heidelberg.
Das Infrarot-Licht ist Astronomen in dieser Qualität lange Zeit entgangen –
bis das JWST die Bühne betrat. Das PHANGS-Team hat diese Galaxien jahrelang bei
optischen, Radio- und ultravioletten Wellenlängen mit dem Hubble Space
Telescope, dem Atacama Large Millimeter/Submillimeter Array und
dem Multi Unit Spectroscopic Explorer (MUSE) des Very Large
Telescope der ESO untersucht. Ein entscheidendes Stadium des Lebenszyklus
eines Sterns, wenn er in seinem Geburtskokon von Staub und Gas eingehüllt ist,
blieb jedoch bisher außer Betracht. Die Leistungsstärke des JWST im
Infrarotbereich ermöglicht es nun, den Staub zu durchdringen und die fehlenden
Puzzlestücke sichtbar zu machen.
Die neuen JWST-Bilder sind für die Analysen des Teams wertvoll, weil sie
feinste Strukturen jenseits der direkt benachbarten Galaxien im infraroten
Spektralbereich offenlegen. Ein Beispiel sind die Nuclear Star Clusters (NSCs,
zentrale Sternhaufen) in den Zentren von Spiralgalaxien. Einschließlich des NSC
der Milchstraße eröffnen die neuen Daten bereits eine große Vielfalt von
erstaunlich ruhigen bis hin zu dichten und massereichen Regionen mit hochaktiver
episodischer Sternentstehung.
Die Bilder zeigen interessante und nie zuvor gesehene Strukturen, wie etwa im
Zentrum von NGC 628, die das Team bisher nicht erklären kann. "Die neue
Perspektive, die uns JWST auf die Zentren von Galaxien gibt, trägt grundlegend
zu unserem Verständnis der Entwicklung von Sternhaufen und Galaxien bei", sagt
Hoyer. "Mit dem JWST können wir die jüngsten Sterne, die sich noch in ihren
Geburtswolken befinden, in nahen Galaxien genau lokalisieren. Diese Fähigkeit
ermöglicht es uns, in das Innere von Gas und Staub in gasreichen Galaxienkernen
zu schauen, so dass wir untersuchen können, wo und wie einströmendes Gas in
Sterne umgewandelt wird, wie zum Beispiel in NGC 1365. So können wir diese
Erkenntnisse mit der Milchstraße vergleichen", führt Schinnerer aus.
Ein weiterer spannender Aspekt ist die Entdeckung der Entstehung von Sternen
zwischen den markanten Spiralarmen. "Unsere früheren Beobachtungen hatten
bereits darauf hingedeutet, dass dies der Fall sein könnte", führt der ehemalige
MPIA-Wissenschaftler Tom Williams aus, der jetzt an der Universität von Oxford
in Großbritannien arbeitet. "Durch den Einsatz der beispiellosen
Infrarot-Abbildungsfähigkeit des JWST konnten wir die jungen Sterne schließlich
in feinen Ausläufern aus Gas, den sogenannten 'Spurs', nachweisen, die sich von
den Spiralarmen aus erstrecken."
Die ersten Ergebnisse zeigen, wie erwartet, dass die Sternentstehungsrate in
den Spiralarmen höher ist. Die Effizienz, mit der Gas in Sterne umgewandelt
wird, scheint jedoch in der gesamten galaktischen Scheibe konstant zu sein.
Sogar massereiche Sternhaufen können sich außerhalb der Spiralarme bilden, was
bislang heftig diskutiert wurde. Da diese Beobachtungen im Rahmen eines
Treasury-Programms gemacht werden, sind sie der Öffentlichkeit zugänglich,
sobald die Beobachtungen vorliegen und auf der Erde empfangen werden. Das
PHANGS-Team wird daran arbeiten, Datensätze zu produzieren und bereitzustellen,
die die JWST-Daten mit den komplementären Datensätzen abgleichen, die zuvor von
den anderen Observatorien gewonnen wurden, um so den Wert der Daten für die
astronomische Gemeinschaft zu erhöhen.
Die ersten Ergebnisse des Teams, die in 21 Studien zusammengefasst sind,
wurden kürzlich in einer Sonderausgabe der Astrophysical Journal Letters
veröffentlicht.
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