Ein Asteroideneinschlag im Labor in Zeitlupe
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung des Deutsches Elektronen-Synchrotrons astronews.com
14. Februar 2023
Zum ersten Mal konnte jetzt verfolgt werden, was bei einem
Asteroideneinschlag in dem getroffenen Material genau vor sich geht. Dazu wurde
ein solcher Einschlag mit Quarz im Labor nachgestellt und lief quasi in Zeitlupe in
einer Hochdruckzelle ab. Dies verfolgten die Wissenschaftler mit der Röntgenlichtquelle PETRA III
am DESY in Hamburg.
Durch den simulierten Asteroideneinschlag
entstehen in den untersuchten Quarzkristallen winzige, nur
einige Dutzend Nanometer breite Glaslamellen, die erst im
Elektronenmikroskop sichtbar werden.
Bild:
F. Langenhorst / Chr. Otzen, Universität Jena [Großansicht] |
Asteroideneinschläge sind katastrophale Ereignisse, bei denen riesige Krater
entstehen und manchmal Teile des Erdgesteins aufgeschmolzen werden. "Dennoch
sind Krater erdgeschichtlich oft schwer nachzuweisen, denn durch Erosion,
Verwitterung und Plattentektonik verschwinden sie im Laufe von Jahrmillionen",
erläutert Falko Langenhorst von der Universität Jena. Daher dienen als Nachweis für einen Einschlag häufig
Minerale, die durch die Wucht des Einschlags charakteristische Veränderungen
erfahren.
So wandelt sich der auf der Erdoberfläche allgegenwärtige Quarzsand durch so einen Einschlag schrittweise in Glas um, wobei
die Quarzkörner dann von mikroskopischen Lamellen durchzogen werden. Diese
Struktur lässt sich erst unter dem Elektronenmikroskop detailliert erkunden und
ist beispielsweise in Material aus dem relativ jungen Barringer-Krater in
Arizona (USA) zu finden. "Seit mehr als 60 Jahren dient dieses lamellenartige
Glas als Indikator für einen Asteroideneinschlag, aber niemand wusste bisher,
wie es überhaupt zu dieser Struktur kommt", sagt Hanns-Peter Liermann vom Deutschen Elektronen-Synchrotron
(DESY). "Dieses Jahrzehnte
alte Rätsel haben wir nun gelöst."
Die Forscher hatten dazu jahrelang Techniken
weiterentwickelt, mit denen sich Materialien unter Hochdruck im Labor
untersuchen lassen. Dazu wird die Probe in der Regel in einer sogenannten
Stempelzelle zwischen zwei kleinen Diamanten zusammengepresst. So lassen sich
kontrolliert extreme Drücke wie im Erdinneren – oder wie bei einem
Asteroideneinschlag – erzeugen. Für seine Versuche
verwendete das Team eine dynamische Diamantstempelzelle, in der sich der Druck
während der Messung sehr schnell verändern lässt. Darin pressten die Forscher
kleine Siliziumdioxid-Kristalle mit sehr regelmäßigem Kristallgitter immer
stärker zusammen und durchleuchteten sie währenddessen mit dem intensiven
Röntgenlicht von PETRA III, um ihre innere Struktur zu erkunden.
"Die Kunst ist,
den simulierten Asteroideneinschlag langsam genug ablaufen zu lassen, um ihn im
Röntgenlicht verfolgen zu können, aber nicht zu langsam, so dass die für einen
Asteroideneinschlag typischen Effekte noch entstehen können", sagt Liermann. Als
richtige Zeitdauer erwiesen sich dabei Experimente im Sekundenmaßstab. "Wir
konnten beobachten, dass sich die Quarzstruktur bei einem Druck von ungefähr 180.000 Atmosphären plötzlich in eine enger gepackte Übergangsstruktur umwandelt,
die wir Rosiait-artig nennen", berichtet Erstautor Christoph Otzen, der seine
Doktorarbeit über diese Untersuchungen schreibt. "In dieser Kristallstruktur
schrumpft der Quarz um ein Drittel seines Volumens. Die charakteristischen
Lamellen formen sich genau dort, wo der Quarz diese sogenannte metastabile Phase
bildet, die vor uns noch niemand in Quarz hat identifizieren können." Rosiait
ist ein oxidisches Mineral, nach dem die auch bei anderen Materialien bekannte
Kristallstruktur benannt worden ist. Es besteht nicht aus Siliziumdioxid,
sondern ist ein Bleiantimonat (eine Verbindung aus Blei, Antimon und
Sauerstoff).
"Je höher der Druck steigt, desto
größer wird der Anteil mit Rosiait-artiger Struktur im Quarz", erläutert Otzen.
"Lässt der Druck wieder nach, wandeln sich die Rosiait-artigen Lamellen aber
nicht in die ursprüngliche Struktur von Quarz zurück, sondern sie kollabieren zu
Glaslamellen mit ungeordneter Struktur. Diese Lamellen sehen wir auch in
Quarzkörnern aus Ablagerungen von Asteroideneinschlägen." Menge und Orientierung
der Lamellen lassen dabei Rückschlüsse auf den Druck beim Einschlag zu. "Seit
Jahrzehnten werden solche Lamellen zum Nachweis und zur Analyse von
Asteroideneinschlägen genutzt", betont Langenhorst. "Aber erst jetzt können wir
ihre Entstehung genau erklären und verstehen."
Für die Untersuchung haben die
Forscher nicht die größten technisch möglichen Drücke verwendet. "Im Bereich der
höchsten Drücke entsteht so viel Hitze, dass das Material schmilzt oder
verdampft", erläutert Langenhorst. "Aufgeschmolzenes Material, das wieder zu
Gestein erstarrt, gibt uns erst mal keine nützliche Auskunft. Wichtig ist jedoch
genau der Druckbereich, in dem Minerale charakteristische Veränderungen im
festen Zustand durchlaufen, und genau das haben wir in diesem Fall untersucht."
Die Ergebnisse könnten über die Erforschung
von Asteroideneinschlägen hinaus Bedeutung haben. "Was wir beobachtet haben,
könnte eine Modellstudie für die Glasbildung auch ganz anderer Materialien wie
beispielsweise Eis sein", betont Langenhorst. "Eventuell ist es ein typischer
Weg, dass eine Kristallstruktur sich bei schneller Kompression in einem
Zwischenschritt in eine metastabilen Phase umwandelt, die dann in die
ungeordnete Glasstruktur übergeht. Auch das wollen wir weiter untersuchen, denn
das wäre von großer Bedeutung für die Materialforschung."
Mit dem bei DESY
geplanten Ausbau von PETRA III zum weltbesten Röntgenmikroskop PETRA IV werden
solche Untersuchungen in Zukunft noch realistischer möglich sein. "Die 200 Mal
höhere Intensität der Röntgenstrahlung wird uns erlauben, diese Experimente 200
Mal schneller ablaufen zu lassen, so dass wir einen Asteroideneinschlag noch
realistischer simulieren können", sagt Liermann.
Über die Ergebnisse berichten die Forscher in einem Fachartikel, der in der
Zeitschrift Nature Communications erschienen ist.
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