Was Mikroorganismen zum Überleben bräuchten
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und
Binnenfischerei (IGB) astronews.com
20. Dezember 2022
Noch wurde auf dem Mars kein Leben nachgewiesen, doch es ist
spannend zu erforschen, unter welchen Umständen es möglich wäre. Ein Team hat
dazu die Stressreaktionen von Mikroorganismen auf bestimmte marstypische
Umweltbedingungen untersucht. Könnten sich Organismen daran anpassen, wäre ihr
Überleben auf dem Roten Planeten wahrscheinlich möglich.
Blick in den Jezero-Krater des Mars, der
gerade von Marsrover Perseverance erkundet wird.
Bild: NASA / JPL-Caltech / ASU / MSSS
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Leben, wie wir es kennen, erfordert Energie und die Verfügbarkeit von
"CHNOPS". Dieses englische Akronym steht für die Elemente Kohlenstoff,
Wasserstoff, Stickstoff, Sauerstoff, Phosphor und Schwefel. Auch zusätzliche
Spurenelemente und flüssiges Wasser sind unverzichtbar. Vieles davon ist auf dem
Mars vorhanden: Energie kann durch Sonnenlicht oder chemische Prozesse
bereitgestellt werden, Kohlenstoff ist durch die dünne, aber kohlendioxidreiche
Atmosphäre verfügbar, und andere wichtige Elemente sind auf der Oberfläche des
Planeten im sogenannten Regolith reichlich vorhanden.
Flüssiges Wasser ist aufgrund des niedrigen Atmosphärendrucks von etwa sechs
Millibar (zum Vergleich: der mittlere Luftdruck auf der Erde beträgt etwa ein
Bar) und durchschnittlichen Temperaturen unter dem Gefrierpunkt jedoch eine
Herausforderung. Eine der wenigen Möglichkeiten, Wasser in der Nähe der
Marsoberfläche zu erzeugen, ist die Bildung von vorübergehend stabilen
Salzlösungen durch Deliqueszenz. Dabei nimmt ein Salz Wasser aus der Atmosphäre
auf und löst sich darin. Auf dem Mars gibt es viele solcher hygroskopischen
Salze, wie zum Beispiel leicht lösliche Perchlorate, die Wasser schnell
absorbieren können und zudem den Gefrierpunkt des Wassers deutlich absenken.
Auch auf der Erde kommen sie in sehr trockenen Wüsten gelegentlich vor.
Dieses Wasser reicht theoretisch aus, um den Stoffwechsel von bestimmten
Gruppen von Mikroorganismen anzutreiben. Allerdings lösen Perchlorate (ClO4-)
in der Zelle Stress aus. Auf welche Art, war bisher wenig bekannt. "Um
potenzielles mikrobielles Leben auf dem Mars verstehen zu können, ist es
wichtig, herauszufinden wie Mikroorganismen mit solchen Stressfaktoren umgehen,
denn nur wenn sie eine gute Stressantwort herausbilden, können die Mikroben mit
den hohen Salzkonzentrationen klarkommen und die Vorteile der Salze wie
Deliqueszenz und Gefrierpunkterniedrigung wirklich nutzen", sagt Jacob Heinz von
der TU Berlin.
Das Forschungsteam um Heinz analysierte am Robert Koch-Institut (RKI) mittels
Proteomics die Perchlorat-spezifische Stressreaktion der Hefe Debaryomyces
hansenii und verglich sie mit allgemein bekannten Anpassungen an Salzstress. Die
Forschenden fanden heraus, dass die Stressreaktionen auf Natriumchlorid und
Natriumperchlorat viele gemeinsame Stoffwechselmerkmale aufweisen, zum Beispiel
gleiche Signalwege, ein erhöhter Energiestoffwechsel oder die Bildung von
Osmolyten.
"Wir identifizierten jedoch auch mehrere neue Stressreaktionen, die
spezifisch für Perchlorat waren. So beispielsweise die Glykosylierung von
Proteinen und die Umgestaltung der Zellwand, vermutlich zur Stabilisierung von
Proteinstrukturen und der Zellhülle. Diese Stressreaktionen wären auch für
mutmaßliches Leben auf dem Mars von großer Bedeutung", erläutert Hans-Peter
Grossart vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB).
"Wenn wir nach Leben auf dem Mars suchen, müssen wir unvoreingenommen sein,
da indigene Mars-Mikroben – wenn es sie gibt – sicher durch verschiedene,
vielleicht auf der Erde nicht vorkommende Adaptionen an die Umweltbedingungen
auf dem Mars angepasst sind", erläutert Dirk Schulze-Makuch, Wissenschaftler am
IGB und der TU Berlin. "Aber wenn wir erforschen, wie Organismen auf der Erde
mit den Stressfaktoren auf dem Mars, wie Perchloraten, umgehen, haben wir erste
Anhaltspunkte wie Leben auf dem Mars mit den schwierigen Umweltbedingungen
fertig werden könnte."
Über die Studie berichtet das Team in einem Fachartikel, der in der
Zeitschrift Environmental Microbiology erschienen ist.
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