Der Fingerabdruck von Wasserstoff
Redaktion
/ Pressemitteilung der Universität Kassel astronews.com
4. August 2022
In Kassel bemühen sich Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler um ein lückenloses spektroskopisches Profil von molekularem
Wasserstoff. Das spektroskopische Gesamtbild soll es der Astrophysik künftig
ermöglichen, spektrale Beobachtungen besser auszuwerten. Informationen zu dem
Projekt sind auch gerade in der Kasseler Innenstadt zu sehen.
Die PhexPhem-Karte der Wasserstoff-Spektren.
Bild: Schmidt et al. (2021), J. Phys. B: At.
Mol. Opt. Phys., 54, 034001
(CC-BY 4.0) [Großansicht] |
Moleküle wechselwirken mit Licht, auch im Universum. Deren Signale,
sogenannte Emissionsspektren, können wir auf der Erde mit Teleskopen empfangen
und auswerten. Ein zentrales Forschungsobjekt der Astronomie ist das
Wasserstoffmolekül: Mit Daten seiner auf der Erde empfangenen Spektren können
zum Beispiel die Entstehung und Entwicklung von Sternen, die Atmosphären von
Planeten und verschiedene astrochemische Prozesse untersucht werden.
Doch um die Daten aus dem All auswerten zu können, muss man den Wasserstoff
erst einmal gut kennen. Forschende des Instituts für Physik und des Center
for Interdisciplinary Nanostructure Science and Technology der Universität
Kassel tragen deshalb systematisch die relevanten Daten über die grundlegenden
Eigenschaften des Wasserstoffmoleküls zusammen. Ihre experimentelle Methode und
erste Ergebnisse haben sie inzwischen in einem Fachartikel vorgestellt, u. a.
auch eine neuartige Darstellung der Spektren als zweidimensionale Karte, die die
Orientierung im komplexen Wasserstoff-Emissionsspektrum erheblich vereinfacht.
In den Experimenten regten die Forschenden molekularen Wasserstoff mit
monochromatischer Synchrotronstrahlung an, um ihn in verschiedene energetischen
Zustände zu bringen. Die darauf folgende Lichtemission zeichneten sie auf, und
zwar im gesamten Bereich der vakuumultravioletten und fernen ultravioletten
Strahlung. Etwa 20.000 Einzelspektren ergaben so die zweidimensionale sogenannte
PhexPhem-Karte. Sie soll in Zukunft Astrophysikern und Astrophysikerinnen als
Vergleichsgrundlage dienen, um Wasserstoff-Spektren aus dem All auswerten zu
können – aus den jeweils empfangenen Daten können die Forschenden dann auf die
Zustände schließen, die der Wasserstoff im Weltall eingenommen hatte, aber auch
auf die Ursachen des den Wasserstoff anregenden Strahlungsfeldes.
"Diese Darstellung unserer Daten hat das Potenzial, in Standardlehrbücher der
Molekülphysik einzugehen. Die PhexPhem-Karte ist ein Wissensspeicher im wahrsten
Sinne des Wortes, mit denen Forschende auf der ganzen Welt arbeiten können, um
die Details unseres Universums zu entschlüsseln", beschreibt Prof. Dr. Arno
Ehresmann, Leiter der Forschungsgruppe.
Das Forschungsprojekt der Gruppe um Ehresmann ist Teil des "Wissensspeichers"
der Uni Kassel in der Einkaufspassage Königsgalerie in Kassel. Das
Ausstellungsprojekt "Wissensspeicher" ist ein Schaufenster, das im
documenta-Sommer die Vielfalt von Forschung und Lehre an der Universität Kassel
zeigt. Für das Konzept greift die Transfer-Einrichtung der Universität
UniKasselTransfer die Metapher der diesjährigen documenta fifteen auf: Lumbung –
den indonesischen Begriff für einen gemeinschaftlich genutzten Reisspeicher, in
dem die eingefahrene Ernte der Dorfgemeinschaft zur Verfügung gestellt und
geteilt wird. "Das passt wunderbar zur Kernidee von Wissenschaft, neue
Erkenntnisse und Innovationen zu schaffen, die sie dann mit der Gesellschaft
teilt", so Daniel Opper, Leiter von UniKasselTransfer. Die Ausstellung ist noch
bis zum 21. August zu sehen.
Über ihre Studie und die PhexPhem-Karte berichtete das Team in einem
Fachartikel, der in der Zeitschrift Journal of Physics B: Atomic, Molecular
and Optical Physics vorgestellt wurde.
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