Einblick in die Frühphase der Sternentstehung
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik astronews.com
12. April 2022
Beobachtungen der molekularen Wolke L1544 im Sternbild Stier
mit dem Radioteleskopverbund ALMA haben nun Hinweise darauf geliefert, dass kurz
vor Einsetzen der Sternentstehung so gut wie alle schweren Moleküle in der
zentralen Region einer prästellaren Wolke an Staubkörnern einfrieren.
Diese Infrarotaufnahme von Herschel zeigt
einen Teil der Molekülwolke im Sternbild Stier,
mit der hellen, kalten prästellaren Wolke L1544
unten links. Die Wolke ist etwa 450 Lichtjahre
von der Erde entfernt und damit eine der
nächstgelegenen großen Sternentstehungsregionen.
Foto: ESA / Herschel / SPIRE [Großansicht] |
Eine der zentralen Fragen der modernen Astrophysik ist, wie Planeten und
Sterne entstehen. Während die groben Züge bekannt sind – eine kalte Molekülwolke
kollabiert unter ihrer eigenen Schwerkraft, eine Akkretionsscheibe entsteht und
in ihrem Zentrum ein Protostern – steckt der Teufel im Detail. Ein
entscheidender Schritt ist die Phase des sogenannten prästellaren Kerns, wenn
sich die interstellare Gaswolke zusammenzieht und abflacht, um schließlich eine
proto-planetare Scheibe zu bilden, aber noch bevor die Gravitationskraft einen
zentralen Protostern erzeugt.
Forschende des Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik haben nun
mit den ALMA-Radioteleskopen einen solchen prästellaren Kern mit der Bezeichnung
L1544 im Sternbild Stier in noch nie dagewesener Auflösung beobachtet. "Studien
von prästellaren Kernen in nahen Wolken haben bereits Hinweise auf ihre
physikalische und chemische Struktur geliefert, aber es war immer noch unklar,
was im Zentrum passiert", erklärt Paola Caselli. "Jetzt können wir die
Strukturen innerhalb der zentralen 2000 Astronomischen Einheiten (AE)
untersuchen, wo das zukünftige Sternsystem entstehen wird."
Zum Vergleich: Neptun, der äußerste bekannte Planet in unserem eigenen
Sonnensystem befindet sich in einer Entfernung von 30 AE zur Sonne, während sich
der Kuiper-Gürtel und die sogenannten transneptunischen Objekte, kurzlebige
Kometen und andere Eiskörper, auf etwa 200 AE erstrecken. Die Beobachtungen
umfassten sowohl die Kontinuumsemission von Staubkörnchen in diesem prästellaren
Kern als auch Beobachtungen der Spektrallinien von deuteriertem Ammoniak, d. h.
einem Molekül aus Stickstoff und Wasserstoff, bei dem ein Wasserstoffatom durch
ein Deuteriumatom ersetzt ist (NH2D).
Während die Kontinuumsemission des Staubes eine kompakte zentrale Region mit
einer Masse von etwa 1/6 der Masse unserer Sonne erkennen ließ, war die Analyse
der Moleküllinien die eigentliche Überraschung. Zum ersten Mal lieferten die
Beobachtungen Beweise für ein fast vollständiges Ausfrieren: so gut wie alle
(99,99 %) Moleküle und Atome, die schwerer als Helium sind, verschwinden aus dem
Gas und kondensieren auf den Staubkörnchen in den zentralen 2000 AE.
"Dies deutet auf eine 'vollständige Leerzone' hin, in Übereinstimmung mit
Vorhersagen astrochemischer Modelle für den prästellaren Kern", führt Olli
Sipilä aus, der die theoretische Modellierung durchführte. Das hochmoderne
chemische Modell sagt voraus, dass das Ausfrieren bereits bei 7000 AE beginnt
und dass Strahlungstransfereffekte dafür sorgen, dass die Emission einiger
Moleküle auf das Zentrum konzentriert zu sein scheint. "Dies hat verhindert,
dass das Ausfrieren in früheren Beobachtungen, bei denen das Zentrum nicht
aufgelöst werden konnte, entdeckt wurde", fügt er hinzu.
Die Staubkörner in einem solchen prästellaren Kern sind also von dicken
Eishüllen umgeben, reich an Wasser und organischen Molekülen, welche die
Bausteine für zukünftige Planeten bilden. Eine kürzlich durchgeführte
Untersuchung des Kometen 67P/Churyumov-Gerasimenko zeigte tatsächlich, dass die
relativen Häufigkeiten der Moleküle dort ähnlich sind zu denen von prästellaren
Kernen und jungen Sternentstehungsgebieten. "Wir konnten zeigen, dass
prästellare Moleküle vor der Bildung eines Sternsystems ähnlich dem unserem im
Eis 'gespeichert' werden", betont Jaime Pineda.
Einige dieser prästellaren Eiskörper, insbesondere die Eiskörnchen im äußeren
Teil der Scheibe, könnten spätere Stadien der Planetenbildung überleben und die
chemische Signatur dieser frühen Phasen kurz vor dem Aufleuchten eines neuen
Sterns konservieren. "Eisige Objekte an den Rändern unseres Sonnensystems
könnten tatsächlich die 'eingefrorene' chemische Geschichte unseres präsolaren
Kerns enthalten, der Wolke, aus der alles entstanden ist, was wir heute in
unserem Sonnensystem sehen – einschließlich uns selbst", fasst Caselli
abschließend zusammen. "Da wir wissen, dass im jungen Sonnensystem einige der
eisigen Körnchen in Richtung der Entstehungszone der terrestrischen Planeten
gedriftet sind, könnten diese sogar zu den flüchtigen Molekülen, einschließlich
Wasser und organischen Stoffen, auf unserer Erde beigetragen haben. D. h. sie
könnten wertvolle Zutaten für den Ursprung des Lebens auf unserem Planeten
geliefert haben."
Über ihre Ergebnisse berichtet das Team in einem Fachartikel, der in der
Zeitschrift Astrophysical Journal erschienen ist.
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