Schwarzes Loch hinter Ring aus kosmischem Staub
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie astronews.com
17. Februar 2022
Mit dem Very Large Telescope Interferometer konnte
nun eine Wolke kosmischen Staubs im Zentrum der Galaxie NGC 1068 detailliert
beobachtet werden. Hier befindet sich auch ein supermassereiches Schwarzes Loch.
Die Beobachtungen liefern einen weiteren Beweis für die Theorie über Aussehen
und Funktionsweise aktiver Galaxienkerne.
Der zentrale Bereich der aktiven Galaxie NGC
1068, wie er mit dem MATISSE-Instrument am Very
Large Telescope Interferometer der ESO bei
Infrarot-Wellenlängen beobachtet wurde.
Bild: ESO / Jaffe, Gámez-Rosas et al. [Großansicht] |
Aktive Galaxienkerne, im Englischen "Active Galactic Nuclei", kurz: AGN, sind
extrem energiereiche Strahlungsquellen, die von supermassereichen Schwarzen
Löchern angetrieben werden und sich im Zentrum bestimmter Galaxien befinden.
Grund für die hohe Strahlungsintensität sind zentrale Schwarze Löcher, die
gerade große Mengen an kosmischem Staub und Gas verschlingen. Dieses Material
bewegt sich spiralförmig auf das Schwarze Loch zu und heizt sich dabei auf,
wodurch enorme Energiemengen freigesetzt werden, die oft das Licht aller Sterne
in der Galaxie in den Schatten stellen. Auf die AGN aufmerksam geworden war man
erstmals in den 1950er Jahren.
Dank des Very Large Telescope Interferometer (VLTI) der europäischen
Südsternwarte ESO gelang einem Team unter der Leitung von Violeta Gámez Rosas
von der Universität Leiden in den Niederlanden nun ein entscheidender Schritt
zum Verständnis der genauen Abläufe rund um die gewaltigen Schwarzen Löcher:
Durch außerordentlich detaillierte Beobachtungen des Zentrums der Galaxie NGC
1068 (auch bekannt als Messier 77) bei Infrarot-Wellenlängen im Bereich von drei
bis zwölf Mikrometern entdeckten Gámez Rosas und ihr Team einen dicken Ring aus
kosmischem Staub und Gas, der ein supermassereiches Schwarzes Loch verbirgt.
Diese Entdeckung ist ein wichtiger Beleg für eine seit 30 Jahren bestehende
Theorie, die als einheitliches Modell oder Standardmodell für AGNs bekannt ist.
Die Forscher wissen, dass es verschiedene Arten von AGN gibt. Einige AGN
leuchten hell im sichtbaren Licht, während bei anderen, wie NGC 1068, die
Leuchtkraft im Optischen eher unterdrückt erscheint. Das einheitliche Modell
besagt nun, dass alle AGN trotz ihrer Unterschiede dieselbe Grundstruktur haben:
ein supermassereiches Schwarzes Loch, das von einem dicken Ring aus Staub
umgeben ist.
Diesem Modell zufolge sind die Unterschiede im Erscheinungsbild der AGNs auf
die Ausrichtung zurückzuführen, mit der wir das Schwarze Loch und seinen dicken
Gas- und Staubring von der Erde aus betrachten. Das Bild, das wir sehen, hängt
davon ab, wie sehr der Ring das Schwarze Loch aus unserer Sicht verdunkelt, in
manchen Fällen sogar völlig verdeckt. Verschiedene Forscherinnen und Forscher
hatten bereits zuvor Beweise für das einheitliche Modell gefunden, darunter die
Entdeckung von warmem Staub im Zentrum von NGC 1068. Es blieben jedoch Zweifel,
ob dieser Staub ein Schwarzes Loch vollständig verdecken kann und somit erklärt,
warum AGNs dieser Art im sichtbaren Licht weniger hell leuchten als andere.
"Die tatsächliche Natur der Staubwolken und ihre Rolle bei der Fütterung des
Schwarzen Lochs sowie bei der Bestimmung ihres Erscheinungsbilds von der Erde
aus waren in den letzten drei Jahrzehnten zentrale Fragen bei der Erforschung
von AGNs. Obwohl kein einzelnes Beobachtungsergebnis alle Fragen klären kann,
haben wir einen wichtigen Schritt auf dem Weg zum Verständnis der Funktionsweise
von AGNs gemacht", sagt Gámez Rosas. "Unsere Ergebnisse sollten zu einem
besseren Verständnis der inneren Funktionsweise von AGNs führen. Sie könnten uns
auch helfen, die Geschichte unserer Milchstraße besser zu verstehen, in deren
Zentrum sich ein supermassereiches Schwarzes Loch befindet, das in der
Vergangenheit aktiv gewesen sein könnte."
Ermöglicht wurden die Beobachtungen durch das "Multi AperTure Mid-Infrared
SpectroScopic Experiment" (MATISSE) am VLTI, das sich auf dem Gipfel des Paranal
in der chilenischen Atacamawüste befindet. MATISSE kombiniert Infrarotlicht von
allen vier 8,2-Meter-Teleskopen des Very Large Telescope der ESO auf
interferometrische Weise. Das Team nutzte MATISSE, um das Zentrum der Galaxie
NGC 1068 abzuscannen, die in einer Entfernung von 47 Millionen Lichtjahren in
Richtung des Sternbilds Walfisch liegt.
"MATISSE ist in der Lage, ein breites Spektrum an Infrarot-Wellenlängen zu
erfassen, wodurch wir durch den Staub hindurchsehen und die Temperaturen genau
messen können. Da es sich beim VLTI in der Tat um ein sehr großes Interferometer
handelt, haben wir die nötige Auflösung, um selbst in so weit entfernten
Galaxien wie NGC 1068 Einzelheiten studieren zu können. Die Bilder, die wir
erhalten haben, zeigen detailliert die Temperatur- und Absorptionsveränderungen
der Staubwolken um das Schwarze Loch", erläutert Walter Jaffe, Professor an der
Universität Leiden.
Durch die Kombination der durch die intensive Strahlung des Schwarzen Lochs
verursachten Temperaturveränderungen des Staubs von ungefähr Raumtemperatur bis
auf etwa 1200 °C mit den Absorptionskarten konnte das Team ein detailliertes
Bild des Staubs erstellen und genau feststellen, wo sich die Position des
Schwarzen Lochs befindet. Der Staub - in einem dicken inneren Ring mit einer
ausgedehnteren Scheibe - und das Schwarze Loch in seinem Zentrum unterstützen
das einheitliche Modell. Das Team nutzte ebenfalls Daten des Atacama Large
Millimeter/submillimeter Array (ALMA), das in internationaler Kooperation
unter anderem von der ESO betrieben wird, und des Very Long Baseline Array
(VLBA) des amerikanischen National Radio Astronomy Observatory, um das
aktuelle Bild zu erstellen.
Die Forscher wollen das VLTI der ESO weiterhin nutzen, um Belege für das
einheitliche Modell der AGNs zu finden, indem sie eine größere Anzahl von
Galaxien damit untersuchen. "NGC 1068 ist ein wichtiger Prototyp eines AGNs und
eine wunderbare Motivation, unser Beobachtungsprogramm zu erweitern und MATISSE
zu optimieren, um eine größere Stichprobe von AGNs zu untersuchen," so Bruno
Lopez, Projektleiter für MATISSE am Observatoire de la Côte d'Azur im
französischen Nizza.
"Für die Rekonstruktion der Bilder wurden ausgefeilte
Datenverarbeitungsmethoden entwickelt. Es sind die ersten hochauflösenden Bilder
von NGC 1068 bei langen Infrarot-Wellenlängen im Bereich von drei bis zwölf
Mikrometern, wo die Staubstrahlung am stärksten ist", erklärt Karl-Heinz Hofmann
vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR) in Bonn. "Zukünftige
Beobachtungen mit dem MATISSE-Instrument mit niedriger und zusätzlich auch hoher
spektraler Auflösung werden es uns ermöglichen, die detaillierte Struktur von
AGNs bei verschiedenen wichtigen Wellenlängen zu untersuchen", schließt Gerd
Weigelt, ebenfalls vom MPIfR. "Kombiniert mit interferometrischen Beobachtungen
bei Radiowellenlängen und anderen komplementären Beobachtungen wird dies die
Untersuchung der Zentralregionen von AGNs mit noch nie dagewesener Präzision
ermöglichen und unser Verständnis der Physik dieser Objekte verbessern."
Über die Beobachtungen berichtet das Team in einem Fachartikel, der in
der Zeitschrift Nature erschienen ist.
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