Die Sinfonie der Sonnenflecke
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung astronews.com
27. Januar 2022
Auch Sonnenflecke sollten für Schwingungen auf unserem
Zentralstern sorgen, allerdings lässt sich diese besondere "Musik der
Sonnenflecke" nur äußerst schwer nachweisen. Nun ist es mithilfe eines
Sonnenteleskops im US-Bundesstaat New Mexiko erstmals gelungen, magneto-akustische
Wellen zu messen, die mit einem besonders großen Sonnenfleck verbunden waren.
Mithilfe von Beobachtungen mit dem Dunn
Solar Telescope (oberes Bild) und
Computersimulationen (unteres Bild) fanden
Wissenschaftler mehr als 30 charakteristische
magneto-akustische Wellen eines riesigen
Sonnenflecks.
Bild: NASA / SDO, Dunn Solar Telescope [Großansicht] |
Sterne wie die Sonne schwingen wie ein gefüllter Wasserballon. Neben diesen
globalen akustischen Schwingungen, die den gesamten Stern überziehen, sind
weitere bekannt: So können Sonnenflecke, dunkle Gebiete auf der
Sonnenoberfläche, Ausgangspunkt für magneto-akustische Wellen sein. Eine
internationale Forschergruppe unter Beteiligung des Max-Planck-Instituts für
Sonnensystemforschung (MPS) hat mithilfe des Dunn Solar Telescope,
eines Sonnenteleskops im US-amerikanischen Bundesstaat New Mexiko, erstmals eine
Vielzahl solcher Schwingungen in Zusammenhang mit einem außergewöhnlich großen
Sonnenfleck beobachtet. Der Sonnenfleck misst im Durchmesser etwa 40 000
Kilometer auf der Sonnenoberfläche. Das entspricht mehr als dem Dreifachen des
Erddurchmessers. Numerische Simulationen der Forschergruppe bestätigen diesen
Fund.
Sonnenflecke sind Gebiete hoher Magnetfeldstärke an der sichtbaren Oberfläche
unseres Sterns. Da die starken Magnetfelder dort verhindern, dass heißes, hell
leuchtendes Plasma aus dem Innern der Sonne aufsteigt, zeigen sich die
Sonnenflecke im Vergleich zu ihrer Umgebung als dunkle Bereiche. Sie können über
mehrere Tage oder Wochen stabil sein. In Phasen hoher Sonnenaktivität treten sie
häufig auf; in Phasen geringer Aktivität kann die Oberfläche der Sonne für
mehrere Monate völlig frei von Sonnenflecken sein.
Theoretische Überlegungen legen nahe, dass das komplexe Zusammenspiel aus
strömendem Plasma und Magnetfeldern unterhalb der Sonnenflecke eine Vielzahl
sogenannter magneto-akustischer Wellen anregen kann, die sich bis in die
Atmosphäre der Sonne fortsetzen. Gemeint sind Druckwellen, in denen auch die
magnetischen Kräfte, die auf das Sonnenplasma wirken, eine wichtige Rolle
spielen. Je nach Größe und Magnetfeldstärke erzeugt jeder Sonnenfleck eine
andere Gruppe von Schwingungen – und zeichnet sich somit durch eine
charakteristische "Sonnenfleck-Sinfonie" aus.
Doch obwohl diese Zusammenhänge seit etwa 40 Jahren bekannt sind, hat sich die
"Musik der Sonnenflecke" als schwer zu greifen erwiesen: Bisher wurden nur
wenige Schwingungsarten in kleinen magnetischen Strukturen beobachtet. Die
aktuelle Studie, an der unter Leitung der italienischen Weltraumagentur ASI
insgesamt zwölf Forschungseinrichtungen aus sechs Ländern beteiligt waren,
zeichnet nun erstmals ein umfassendes Bild der Schwingungen, die zu einem
riesigen Sonnenfleck gehören.
Zu diesem Zweck nahmen sich die Forscherinnen und Forscher Messdaten des
Sonnenteleskops Dunn Solar Telescope vom Mai 2016 vor. Zu diesem
Zeitpunkt hatte die Sonne ihr letztes Aktivitätsmaximum zwar bereits
durchschritten, zeigte sich aber immer noch von ihrer dynamischen Seite. In der
Nähe des Sonnenäquators schmückte sie sich mit einem besonders großen
Sonnenfleck: Mit einem Durchmesser von etwa 40.000 Kilometern war er einer der
größten der vergangenen 20 Jahre. Auch sein Magnetfeld war gewaltig. Mit einer
Stärke von 3,5 Kilogauss überstieg es das Magnetfeld der Erde um etwa vier
Größenordnungen.
"Die hohe zeitliche und räumliche Auflösung des Dunn Solar Telescope
zusammen mit dem starken Magnetfeld sorgten für einzigartige Messdaten", erklärt
Dr. Shahin Jafarzadeh vom MPS, der an der Studie beteiligt war. Die Analyse der
etwa drei Stunden überspannenden Messdaten vom 20. Mai 2016 zeigte ein breites
Spektrum von Schwingungen: Mehr als 30 charakteristische, magneto-akustische
Wellen ließen sich identifizieren, von denen viele ebenso wie der Sonnenfleck
selbst bis zu 40.000 Kilometer überdeckten. Numerische Modellierungen der
Forscherinnen und Forscher bestätigen diese Ergebnisse.
Da sich die nun gefundenen Schwingungen bis in die Sonnenatmosphäre fortsetzen,
können sie nach Einschätzung der Forscherinnen und Forscher helfen, den
Energietransport der Sonne in diese äußeren Schichten besser zu verstehen. Zudem
ist es denkbar, dass sie als Grundlage für magneto-helioseismologische Studien
dienen: Aus der Art, wie sich die Wellen in der Umgebung des Sonnenflecks
ausbreiten, ließe sich auf Struktur und dynamische Prozesse in diesem Bereich
schließen. Das Team hofft nun auf weitere hochaufgelöste Messdaten. Diese
könnten etwa die ESA-Raumsonde Solar Orbiter, die sich der Sonne in den
nächsten Jahren auf etwa 42 Millionen Kilometer annähern wird, sowie das
kürzlich fertig gestellte Daniel-K.-Inouye-Sonnenteleskop auf Hawaii liefern.
Die Ergebnisse der Studie sind in der Fachzeitschrift Nature Communications erschienen.
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