Nachschub für die Ringe des Gasriesen
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung astronews.com
7. Januar 2022
Auch Jupiter verfügt über ein Ringsystem, wenn auch nicht
über ein so spektakuläres wie der Saturn. Die Ringe des größten Planeten im
Sonnensystem bestehen aus winzigen Staubteilchen, die bei Einschlägen von
Mikrometeoriten auf Monde entstehen, die um den Gasriesen kreisen. Eine neue
Studie verrät nun mehr über die Entstehung der Ringe.

Die Jupitermonde Thebe (links) und Amalthea
(rechts).
Bild: NASA / JPL / Cornell University [Großansicht] |
Jupiter ist der größte und massereichste unter den acht Planeten im
Sonnensystem, ihn umkreisen 80 bekannte Monde. Zudem schmückt ihn ein System aus
mehreren Ringen, die allerdings nicht die Pracht der seit Jahrhunderten
bekannten Saturnringe erreichen. Die Ringe des Jupiters sind viel lichtschwächer
und lassen sich nur unter optimalen Bedingungen beobachten. Ganz überwiegend
bestehen sie aus winzigen Staubteilchen, feiner als Zigarettenrauch. Zwei
Wissenschaftler konnten
dem Ringsystem nun mit Computermodellen ein Geheimnis entlocken: Auch die
entlegensten Regionen der Ringe erhalten ihren "Staubnachschub" durch die
Einschläge von Mikrometeoriten auf benachbarte Monde.
Innerhalb der
Bahn des großen Jupitermondes Io, der für seinen intensiven Vulkanismus bekannt
ist, kreisen vier kleine Trabanten auf engen Umlaufbahnen um den Riesenplaneten.
Insbesondere die beiden kartoffelförmigen Monde Amalthea und Thebe sind für die
äußeren Teile von Jupiters Ringsystem wichtig, sie ziehen ihre Bahnen jeweils an
den Außengrenzen der beiden äußeren Ringe. Deshalb sind sie nach diesen Monden
benannt, sie heißen Amalthea-Ring und Thebe-Ring.
Die Ringe und ihre zugehörigen Monde stehen in einem intensiven Wechselspiel,
denn solche atmosphärelosen Himmelskörper sind einem ständigen Bombardement von
Mikrometeoriten ausgesetzt. Das sind winzige Meteorite, die typischerweise kaum
einen Mikrometer messen, also kleiner als ein tausendstel Millimeter sind. Aus
dem Weltall kommend prasseln sie beständig auf die Mondoberflächen und reißen
dort Staubteilchen heraus. Ein weiterer Prozess trägt dazu bei, Staub von den
Oberflächen der Trabanten anzuheben.
"Besonders an den Polen von Amalthea und Thebe werden Staubpartikel an der
Oberfläche dieser Monde durch energiereiche Elektronen aus den Strahlungsgürteln
des Planeten elektrisch aufgeladen und durch das Magnetfeld des Jupiters
mobilisiert", erklärt Nikolay Borisov vom Moskauer IZMIRAN-Zentrum der
russischen Wissenschaftsakademie die Resultate einer bereits 2020 mit Harald
Krüger vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung publizierten Arbeit.
Klar ist also, dass die Ringe aus Staub bestehen, der ursprünglich von den
inneren Trabanten Jupiters stammt.
Die neue Studie von Borisov und Krüger behandelt nun den äußersten Teil von
Jupiters Ringsystem, die sogenannte Thebe-Extension, die sich außerhalb der
Umlaufbahn von Thebe an den Thebe-Ring anschließt. Sie wurde von der NASA-Sonde
Galileo fotografiert, als sie zwischen 1995 und 2003 den Jupiter
umkreiste. Auch der Staubdetektor an Bord, der vom Heidelberger
Max-Planck-Institut für Kernphysik stammte, hatte damals in der Thebe-Extension
die Staubpartikel gemessen. Zwar fand das Instrument dort weniger Partikel als
im Thebe-Ring selbst, gleichwohl war ihre Anwesenheit rätselhaft. Welche Kräfte
befördern den Staub weg vom Jupiter in die weit außen gelegene Extension?
Eine Studie aus dem Jahr 2008, an der Krüger beteiligt war, versuchte
erstmals eine Erklärung, indem sie auf eine "Schatten-Resonanz" setzte. Die Idee
war, dass es zu einer unterschiedlichen Aufladung der Staubteilchen im
Sonnenlicht und im Schatten von Jupiter kommt, was letztlich die Thebe-Extension
mit Staubteilchen bevölkern sollte. Zu dieser Vorstellung gehörte eine geringe
Dichte des Plasmas im inneren Jupitersystem. Bekannt ist, dass diese elektrisch
geladenen Partikel hauptsächlich aus den Vulkanen des Mondes Io stammen. Mangels
konkreter Messungen wurde damals ein plausibler Wert für die Plasmadichte
angenommen.
Doch mit der Mission der amerikanischen Sonde Juno, die seit Sommer
2016 den Jupiter umkreist, hat sich das Blatt gewendet: "Im Lichte der neuen
Daten ist diese Erklärung überholt", stellt Krüger fest. Obwohl die Raumsonde
Juno noch nicht bis in den innersten Bereich des Jupitersystems vorgedrungen
ist, deuten die bereits vorliegenden Messungen darauf hin, dass das Plasma dort
wärmer und dichter ist als bisher vermutet. Die Schattenresonanz funktioniert
also nicht als Erklärung und die Forscher nahmen sich die alten Daten der
Galileo-Sonde noch einmal vor.
Aus den Messungen des Staubdetektors in der Umgebung der großen Monde konnten
sie die Geschwindigkeit abschätzen, mit der die Staubteilchen durch die
Mikrometeorite auch aus Thebes Oberfläche herausgeschlagen werden. "Die
Staubpartikel erreichen Geschwindigkeiten von etwa 1,5 Kilometern pro Sekunde.
Das reicht, um das schwache Gravitationsfeld des kleinen Mondes zu verlassen",
so der Max-Planck-Forscher. Einmal von den Fesseln von Thebes Schwerkraft
befreit, sind die elektrisch hochgeladenen Teilchen dem gewaltigen Magnetfeld
Jupiters ausgesetzt.
Die Rechnungen des Teams zeigen, dass beide Effekte zusammenwirken: Sowohl
der Stoß durch den Einschlag der Mikrometeorite als auch die elektromagnetischen
Kräfte Jupiters reichen gemeinsam aus, um Staub in die Thebe-Extension zu
schleudern. "Das Verhalten der Partikel ist abhängig von ihrer Größe:
Staubteilchen die mehrere Mikrometer messen, bewegen sich periodisch immer
wieder in die Extension", erklärt Krüger. "Wenn sie in kleinere Partikel
zerbrechen, können sich diese dort trotzdem noch jahrelang aufhalten."
Anders ergeht es den Staubteilchen, die bereits deutlich kleiner als ein
Mikrometer sind, wenn sie Thebe verlassen. Sie schaffen es nur sehr kurz in die
Extension und driften dann schnell in den Thebe-Ring zurück. "Es ist
bemerkenswert, dass fast zwei Jahrzehnte nach Ende der Galileo-Mission mit den
damaligen Daten immer noch neue Einsichten in Jupiters Ringsystem gelingen", so
Krüger. Gespannt erwarten Borisov und Krüger nun neue Plasma-Messungen der
Juno-Sonde. Näher am Ringsystem werden sie helfen, die neue Erklärung zu testen.
Über die neuen Ergebnisse berichten Krüger und Borisov in einem Fachartikel,
der in der Zeitschrift Journal of Geophysical Research: Space Physics erschienen ist.
Die Studie aus dem Jahr 2020 zum Thebe- und Amalthea-Ring wurde in der
Zeitschrift Planetary and Space Science veröffentlicht.
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Borisov, N. und
Krüger, H. (2021): Formation of the Thebe Extension in the Ring
System of Jupiter, Journal of Geophysical Research: Space Physics,
126, e2021JA029654
Borisov, N. und Krüger,
H. (2020): Electrostatic lofting of dust grains from the surfaces of
Thebe and Amalthea, Planetary and Space Science, 183, 104556
(arXiv.org-Preprint) Max-Planck-Institut für
Sonnensystemforschung
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