Gewaltiger Nebel um besonderes Sternpaar
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Innsbruck astronews.com
22. Dezember 2021
Die Amateurastronomie konnte einen wichtigen Beitrag zur
Erforschung der Entwicklung von Doppelsternsystemen leisten: Auf alten Aufnahmen
entdeckte ein Team einen bislang unbekannten Nebel. In dessen Zentrum fand sich
ein Sternpaar, das von einer gemeinsamen Hülle umgeben ist. Sogar eine
Verbindung zu einer historischen Nova könnte es geben.
Entdeckungsbild des Nebels. Für dieses Bild
mussten 120 Einzelaufnahmen kombiniert werden, um
eine Gesamt- Belichtungszeit von 20 Stunden zu
erhalten. Die Bilder wurden über mehrere Monate
hinweg von Brasilien aus gemacht.
Bild: Maicon Germiniani [Großansicht] |
Erstmals ist es Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ausgehend von einer
Entdeckung durch wissenschaftliche Laien gelungen, einen Nachweis für eine voll
entwickelte Hülle eines sogenannten "Common-Envelope-Systems" zu liefern, mit
dem die Phase der gemeinsamen Hülle eines Doppelsternsystems gemeint ist.
"Gegen Ende ihres Lebens blähen normale Sterne sich zu roten Riesensternen
auf. Da ein sehr großer Anteil von Sternen in Doppelsternen steht, beeinflusst
dies die Entwicklung am Ende ihres Lebens", erklärt der Astrophysiker Stefan
Kimeswenger vom Institut für Astro- und Teilchenphysik der Universität
Innsbruck. "Denn bei engeren Doppelsternsystemen verschmilzt der sich
aufblähende äußere Teil eines Sterns als gemeinsame Hülle um beide Sterne. Im
Inneren dieser Hülle verhalten sich die Kerngebiete der beiden Gestirne aber
praktisch ungestört und verfolgen ihre Entwicklung, als wären sie unabhängig
voneinander."
Bereits seit Längerem sind viele Sternsysteme bekannt, die aufgrund
diverser chemischer und physikalischer Eigenschaften Überreste solcher
Entwicklungen sein müssen. Auch Sternsysteme, die gerade erst eine gemeinsame
Hülle entwickeln, wurden durch ihre besondere Helligkeit bereits entdeckt. Die
voll entwickelte Hülle eines Common-Envelope-Systems und deren Abstoßung in den
interstellaren Raum konnte jedoch bisher in dieser Form nicht beobachtet werden.
"Gerade diese Hüllen sind von großer Bedeutung für das Verständnis der
Entwicklung von Sternen in ihrer Endphase. Darüber hinaus helfen sie uns, zu
verstehen, wie sie den Raum mit schweren Elementen anreichern, die dann wiederum
für die Entwicklung von Planetensystemen, wie auch unserem eigenen, wichtig
sind", erklärt Kimeswenger. Zu entdecken sind solche galaktischen Nebel nicht so
leicht: "Für moderne Teleskope sind sie zu groß und gleichzeitig sind sie sehr
leuchtschwach. Außerdem ist ihre Lebensdauer, zumindest in kosmischen Zeitskalen
betrachtet, eher gering. Sie beträgt nur wenige hunderttausend Jahre."
Genau hier kommt nun die Amateurastronomie ins Spiel und eine
deutsch-französische Gruppe: In mühsamer Kleinarbeit hat sie in den mittlerweile
digitalisierten Archiven historische Himmelsbilder nach unbekannten Objekten
gesucht und schließlich ein Fragment eines Nebels auf Fotoplatten aus den
1980er-Jahren gefunden. Mit ihrem Fund kontaktierte die Gruppe wissenschaftliche
Expertinnen und Experten, darunter auch das auf diesem Gebiet sehr erfahrene
Institut für Astro- und Teilchenphysik der Universität Innsbruck.
Durch das Zusammentragen und Kombinieren von Beobachtungen der letzten 20
Jahre aus öffentlichen Archiven verschiedener Teleskope und mit den Daten von
vier verschiedenen Weltraumsatelliten konnten die Forschenden in Innsbruck die
erste Annahme, nämlich die Entdeckung eines Planetarischen Nebels, der durch die
Überreste von sterbenden Sternen verursacht wird, ausschließen. Das enorme
Ausmaß des Nebels wurde schließlich mithilfe von Vermessungen durch Teleskope in
Chile ersichtlich, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in den USA haben
diese Beobachtungen mittels Spektrographen schließlich vervollständigt.
"Der Durchmesser der Hauptwolke ist mit 15,6 Lichtjahren fast eine Million
Mal größer als der Abstand der Erde zur Sonne und viel größer als der Abstand
unserer Sonne zu ihrem nächsten Nachbarstern. Aber auch Fragmente mit einer
Ausdehnung von sogar 39 Lichtjahren wurden gefunden. Da das Objekt etwas über
der Milchstraße liegt, konnte der Nebel sich weitestgehend ungestört von anderen
Wolken im umliegenden Gas entwickeln", beschreibt Kimeswenger die Entdeckung.
Durch eine Kombination all dieser Informationen ist es nun gelungen, ein
Modell des Objektes zu erstellen: Es besteht aus einem engen Doppelsternsystem
eines 66.500 Grad heißen Weißen Zwergsterns und eines normalen Sterns mit einer
Masse etwas unter der der Sonne. Beide umkreisen sich in nur acht Stunden und
zwei Minuten und in einem Abstand von nur 2,2 Sonnenradien. Durch den geringen
Abstand wird der nur etwa 4.700 Grad heiße Begleitstern an der dem Weißen Zwerg
zugewandten Seite stark angeheizt, was zu extremen Erscheinungen im Spektrum des
Sterns und zu sehr regelmäßigen Helligkeitsschwankungen führt.
Um beide Sterne befindet sich eine gigantische Hülle, die aus dem äußeren
Material des Weißen Zwergs besteht. Dieses Material wurde vor etwa 500.000
Jahren in den Weltraum ausgeworfen. "Möglicherweise steht dieses System sogar
mit einer von koreanischen und chinesischen Astronomen 1086 gemachten
Nova-Beobachtung in Verbindung", spekuliert Kimeswenger. "Die Positionen der
historischen Beobachtungen passen jedenfalls sehr gut mit jenen unseres hier
beschriebenen Objekts überein.“
Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift Astronomy &
Astrophysics veröffentlicht.
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