Neues vom Hundeknochen-Asteroiden
von
Stefan Deiters astronews.com
9. September 2021
Die europäische Südsternwarte ESO hat heute die bislang
detailliertesten Bilder des Asteroiden Kleopatra veröffentlicht. Der Brocken
umkreist die Sonne im Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter und hat eine
Form, die an einen Hundeknochen erinnert. Die neuen Beobachtungen lieferten auch
Hinweise auf die Entstehung des Asteroiden.
Verschiedene Ansichten von Asteroid (216) Kleopatra,
aufgenommen mit dem Instrument SPHERE am VLT.
Bild: ESO / Vernazza, Marchis et al. /
MISTRAL algorithm (ONERA / CNRS)
[Großansicht] |
"Kleopatra ist ein wirklich einzigartiges Objekt im Sonnensystem", erzählt
Franck Marchis vom SETI Institute in Kalifornien und dem
Laboratoire d'Astrophysique de Marseille, der die jetzt vorgestellte Studie
leitete. "Die Wissenschaft macht große Fortschritte, indem sie Objekte
untersucht, die nicht der Norm entsprechen. Ich glaube, dass auch Kleopatra zu
diesen Objekten gehört. Wenn wir verstehen, wie dieses komplexe Asteroidensystem
entstanden ist, werden wir auch viel über unser Sonnensystem lernen können."
Der Asteroid (216) Kleopatra umkreist die Sonne im Asteroidengürtel
zwischen Mars und Jupiter und wurde am 10. April 1880 vom österreichischen
Astronomen Johann Palisa am Pula-Observatorium in Kroatien entdeckt. Der
Asteroid zählt zu den größeren Objekten in dieser Region des Sonnensystems und
verfügt mit Alexhelios und Cleoselene auch über zwei Monde. Radarbeobachtungen
vor rund 20 Jahren hatten gezeigt, dass der Asteroid aus zwei keulenförmigen
Bereichen besteht, die durch einen etwas dünneren Abschnitt verbunden sind (astronews.com
berichtete). Seine Form erinnert somit an einen Hundeknochen.
Marchis und sein Team werteten Bilder von Kleopatra aus, die in den Jahren
2017 bis 2019 mit dem Instrument Spectro-Polarimetric High-contrast
Exoplanet REsearch (SPHERE) am Very Large Telescope (VLT) der
europäischen Südsternwarte ESO gewonnen wurden. Da sich der Asteroid dreht,
gelang es so, den Brocken aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten und auf
diese Weise ein 3D-Modell von Kleopatra zu erstellen. Dabei bestätigte sich die
Hundeknochenform, wobei sich allerdings eine der beiden Verdickungen als größer
erwies als die andere. Die Länge von Kleopatra beträgt rund 270 Kilometer.
Ein zweites Team um Miroslav Brož von der Karls-Universität im tschechischen
Prag hat sich die Bahnen der beiden Monde angeschaut, die 2008 von einem Team um
Marchis entdeckt worden waren. Für die Orbits hatte es zuvor nur
Abschätzungen gegeben, die allerdings nicht zu den neuen VLT-Beobachtungen
passten. "Das musste wir klären", so Brož. "Wenn nämlich die Bahnen der Monde
falsch sind, ist alles falsch, auch die Masse von Kleopatra."
Dem Team in Prag gelang es, präzise zu beschreiben, wie die Anziehungskraft
von Kleopatra die Bewegung der Monde beeinflusst und ihre komplexen Umlaufbahnen
zu berechnen. Dadurch stellte sich heraus, dass die Masse von Kleopatra rund 35
Prozent geringer ist als bislang vermutet. Auch die Dichte des Brockens liegt
damit unter dem Wert früherer Schätzungen, nämlich bei 3,4 Gramm pro Kubikzentimeter.
Dies deutet darauf hin, dass Kleopatra recht porös sein muss und eventuell aus
Material besteht, das sich nach einer gewaltigen Kollision nur locker zu einem
neuen Objekt zusammengefunden hat.
Auch für die Entstehung der Monde des Asteroiden gibt es eine spannende
Theorie: Kleopatra rotiert annährend mit kritischer Geschwindigkeit um die
eigene Achse und ist damit kurz davor, auseinanderzufallen. Schon ein kleiner
Einschlag auf dem Brocken würde somit ausreichen, Material von der Oberfläche zu
lösen. Marchis und sein Team vermuten daher, dass sich aus den winzigen
Gesteinsbrocken, die so von der Oberfläche ins All geschleudert wurden,
schließlich die beiden Monde gebildet haben.
Über die neuen Erkenntnisse berichten die Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler in zwei Fachartikeln, die in der Zeitschrift Astronomy &
Astrophysics erschienen sind.
|