Manche Weiße Zwerge altern anders
von
Stefan Deiters astronews.com
8. September 2021
Weiße Zwerge sind die ausgebrannten Überreste von
sonnenähnlichen Sternen. Ihre Entwicklung sollte dementsprechend wenig
spektakulär sein: Sie sollten einfach allmählich abkühlen. Neue
Beobachtungen mit dem Weltraumteleskop Hubble deuten nun aber darauf hin, dass
manche Weiße Zwerge auf ihrer Oberfläche noch Wasserstoff verbrennen.
Die beiden untersuchten Sternhaufen Messier 3 (unten) und
Messier 13.
Bild: ESA/Hubble & NASA, G. Piotto et al.
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Die meisten Sterne, einschließlich unserer Sonne, beenden ihr nukleares Leben
als Weißer Zwerg: Diese Phase in der Entwicklung eines Sterns gilt gemeinhin als
Endphase, da der glühend heiße Überrest des Sterns nun nur noch allmählich
abkühlt und dadurch dunkler wird. Neue Beobachtungen mit dem Weltraumteleskop
Hubble deuten nun darauf hin, dass dies nicht für alle Weißen Zwerge gelten
muss: Manche können offenbar auf ihrer Oberfläche Wasserstoff verbrennen und so
ihren Alterungsprozess quasi verlangsamen.
"Wir haben erstmals durch Beobachtungen Hinweise darauf gefunden, dass es auf
Weißen Zwergen noch stabile thermonukleare Aktivität geben kann", erläutert
Jianxing Cheng von der Universität im italienischen Bologna und dem
Osservatorio Astronomico di Bologna der INAF, der die jetzt vorgestellte
Untersuchung leitete. "Das war schon eine Überraschung, da es der bisherigen
Lehrmeinung widerspricht."
Für ihre Studien haben die beteiligten Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler die Population von Weißen Zwergen in zwei Kugelsternhaufen der
Milchstraße untersucht - in Messier 3 und Messier 13. Die beiden Haufen haben
ungefähr das gleiche Alter und unterscheiden sich auch in ihrer
Elementhäufigkeit nicht. Allerdings scheint es einen Unterschied in der
Zusammensetzung ihrer Sternenpopulation zu geben: In Messier 13 gibt es offenbar
eine Population heißerer Sterne, die so nicht in Messier 3 zu finden ist.
"Die hohe Qualität der Hubble-Beobachtungen hat uns einen umfänglichen Blick
auf die Sternpopulationen in den beiden Kugelsternhaufen ermöglicht", so Chen.
"So konnten wir die Unterschiede in der Sternentwicklung zwischen M 3 und M 13
schön erkennen." Insgesamt umfasste die Studie mehr als 700 Weiße Zwerge in den
beiden Haufen. In M 3 scheint es sich um "normale" Weiße Zwerge zu handeln, die
lediglich abkühlen.
In M 13 allerdings entdeckte das Team zwei verschiedene Populationen von
Weißen Zwergen: Eine Gruppe normaler Weißer Zwerge und zusätzlich Zwerge, die
offenbar eine äußere Hülle aus Wasserstoff besitzen, in der noch die Fusion von
Wasserstoff zu Helium stattfindet, so dass sie langsamer abkühlen.
Computersimulationen ergaben, dass rund 70 Prozent der Weißen Zwerge in M 13
noch Wasserstoff auf ihrer Oberfläche verbrennen und so ihren Alterungsprozess
hinauszögern.
Die Entdeckung könnte Folgen für die Altersbestimmung von Sternhaufen haben:
Bislang hat man nämlich das vermeintlich einfache Abkühlverhalten von Weißen
Zwergen genutzt, um aus der beobachteten Temperatur auf ihr Alter und das Alter
des Sternhaufens zu schließen. Weiße Zwerge, die nun durch das Verbrennen von
Wasserstoff auf ihrer Oberfläche langsamer abkühlen, könnten zu einer Abweichung
bei der Altersschätzung von bis zu einer Milliarde Jahren führen.
"Unsere Entdeckung ist eine Herausforderung für die Definition von Weißen
Zwergen, da wir nun eine ganz neue Perspektive für den Alterungsprozess von
Sternen in Betracht ziehen müssen", unterstreicht auch Chens Kollege Francesco
Ferraro, der die Studie koordiniert hat. "Wir schauen uns nun andere Sternhaufen
an, die M 13 ähnlich sind, um herauszufinden, unter welchen Bedingungen sich
Sterne eine dünne Hülle aus Wasserstoff erhalten können und dadurch dann
langsamer altern."
Über ihre Ergebnisse berichtet das Team in einem Fachartikel, der in
Nature Astronomy erschienen ist.
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