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ASTEROIDEN
Erklärung für die Größe von Asteroiden
Redaktion / Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Astronomie
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9. April 2021

Warum haben Asteroiden im Sonnensystem die Größe, die wir beobachten? Forscher könnten nun eine Erklärung dafür gefunden haben: Bei der Entstehung des Sonnensystems vor 4,5 Milliarden Jahren spielten Turbulenzen eine wichtige Rolle und könnten so für eine charakteristische Größenverteilung der Objekte gesorgt haben, die nicht zu Planeten wurden, also der Asteroiden.

Planetesimale

Asteroiden und Kometen sind die Überreste von Planetesimalen, aus denen sich die Planeten bildeten.  Bild: NASA/JPL-Caltech  [Großansicht]

In gewisser Weise sind der Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter und der Edgeworth-Kuiper-Gürtel jenseits der Neptunbahn wie kosmische Museen: Beide enthalten Kleinkörper, die ein Zwischenstadium der Planetenbildung in unserem Sonnensystem darstellen. Nun konnten Astronomen des Max-Planck-Instituts für Astronomie zeigen, wie die fundamentale Physik die Größe der ursprünglichen Asteroiden bestimmt hat.

Das Ergebnis könnte ein Kapitel der Planetenentstehung um die Sonne neu schreiben und erlaubt außerdem konkrete Vorhersagen für die Größenverteilung solcher Objekte, die mit Raumsonden in den äußeren Sonnensystemen getestet werden könnten. Auch wichtige Hinweise für die Interpretation der Vielfalt der Eigenschaften von Exoplaneten ergeben sich aus der jetzt veröffentlichten Studie.

Sowohl Asteroiden als auch Kometen sind die Überreste von sogenannten Planetesimalen. Das sind feste Objekte, die groß genug sind, um durch ihre eigene Schwerkraft gebunden zu sein. Planetesimale bildeten sich vor etwa 4,5 Milliarden Jahren, als die Sonne noch von einer Scheibe aus Gas und Staub umgeben war. Aus vielen Planetesimalen bildeten sich schließlich die heutigen Planeten. Doch im Asteroidengürtel verhinderte der Gravitationseinfluss des nahen Jupiter, dass sich die Planetesimale zu noch größeren Objekten zusammenfinden konnten.

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Im äußeren Sonnensystem, jenseits des Neptun, begegneten sich die Planetesimale einfach nicht oft genug, um sich zu größeren Körpern zu verbinden. Deshalb gibt es in diesen beiden Regionen unseres Sonnensystems nach wie vor Objekte, die uns einen Eindruck davon vermitteln können, wie das frühe Sonnensystem ausgesehen hat. Wir nennen diese Objekte heute allerdings nicht Planetesimale, sondern Asteroiden.

Die dazwischen liegenden 4,5 Milliarden Jahre haben die Asteroiden natürlich nicht völlig unverändert gelassen. Der Asteroidengürtel ist zwar viel leerer, als es in Science-Fiction-Filmen den Anschein hat, und Kollisionen sind selten. Aber in den vergangenen Milliarden Jahren gab es dennoch eine Reihe von Kollisionen, die jeweils zahlreiche kleinere Bruchstücke hinterließen. Die Bruchstücke einer Kollision bewegen sich anschließend auf einander ziemlich ähnlichen Bahnen, laufen mit der Zeit allerdings immer weiter auseinander.

Etwa ein Viertel aller bekannten Asteroiden kann einer Familie zugeordnet werden – nämlich einer Gruppe von Bruchstücken, die alle aus der gleichen Kollision hervorgegangen sind. Anhand der Bahnparameter bekannter Asteroiden können Astronominnen und Astronomen abschätzen, welche davon zu einer bestimmten Familie gehören. Es gibt allerdings auch Asteroiden, die offenbar keinerlei Kollisionen erlebt haben und sich noch in demselben Urzustand befinden wie bei der Entstehung des Sonnensystems.

Diese primordialen Asteroiden, und damit vermutlich eben auch die ursprünglichen Planetesimale, haben eine vergleichsweise enge Größenverteilung. Objekte mit einem Durchmesser von etwa 100 Kilometern sind weitaus häufiger als größere oder kleinere Objekte, entsprechend einer sogenannten Gaußverteilung. Aber warum gerade 100 Kilometer? Was ist das Besondere an diesem Maßstab?

An dieser Stelle kommt die Forschung von Hubert Klahr ins Spiel. Klahr ist Leiter der Theoriegruppe in der Abteilung Planeten- und Sternentstehung am Max-Planck-Institut für Astronomie. Er und seine Kollegen haben das letzte Jahrzehnt damit verbracht, immer besser zu verstehen, wie Planeten entstehen. Neue Forschungsergebnisse, die Klahr zusammen mit seinem Doktoranden und späteren Postdoktoranden Andreas Schreiber erzielte, werfen ein ganz neues Licht auf die Frage nach der bevorzugten 100-km-Skala.

Zumindest in groben Zügen ist die Geschichte der Planetenentstehung bereits seit Jahrzehnten bekannt: Von der anfänglichen Scheibe aus Gas und Staub, die die junge Sonne umgab, blieb Materie übrig und verklumpte zu Planeten. Aber die Details dieses Prozesses nachzuvollziehen hat sich als erstaunlich schwierig erwiesen. Der Staub in der Gasscheibe, die einen neugeborenen Stern umgibt, kann zwar tatsächlich recht einfach zu dem verklumpen, was Astrophysiker als "Pebbles" bezeichnen, wörtlich "Kieselsteinchen", nämlich Klumpen von einigen Millimetern bis zu einigen Zentimetern Größe. Aber der Schritt von dort zu kilometergroßen Objekten hat den Planetenentstehungsforscherinnen und -forscher lange Zeit Probleme bereitet.

Werden Pebbles größer, passieren mehrere Dinge. Zum einen neigen Pebbles ab einer gewissen Größe dazu, bei einer Kollision eher zu zerbrechen als aneinander zu haften. Eine Zeit lang sah es zwar so aus, als könne Wassereis auf der Oberfläche der Pebbles da Abhilfe schaffen und sozusagen als Klebstoff dienen. Doch das funktionierte weniger gut als erhofft, nicht zuletzt, weil Eis bei sehr niedrigen Temperaturen nicht besonders klebrig ist. Dennoch gehen eine Reihe von Forscherenden davon aus, dass Eis für den Übergang von Kieselsteinen zu größeren Objekten eine Rolle spielt.

Insgesamt haben die konventionellen Szenarien, ob mit oder ohne Eis, ein Zeitskalenproblem. Das Gas der protoplanetaren Scheibe läuft um den jungen Stern mit einer geringeren Geschwindigkeit um, als es ein einzelnes festes Objekt tun müsste, das den Stern umkreist. Deswegen neigen größere Pebbles dazu, nach innen zu driften und schließlich in den Stern zu fallen. Bei langsamen Wachstumsraten wären die fraglichen Objekte im Inneren ihres Sterns gelandet, bevor sie die erforderliche Größe erreicht hätten. Nur Objekte, die größer als etwa ein Meter sind, können dieser fatalen Drift entgehen – sie werden weitgehend unabhängig von den Stößen des umgebenden Gases. Doch wie können Objekte diese Größe erreichen?

Seit einigen Jahren sind Klahr und seine Kollegen der Rolle der Turbulenz als Lösung des Pebble-Wachstums-Problems auf der Spur. Turbulenz bezeichnet Bewegungen innerhalb eines Fluids – hier des Gases – während derer sich Flussgeschwindigkeit und Druck chaotisch ändern. Beobachtungen zeigen, dass die Gasströmung in protoplanetaren Scheiben in der Tat turbulent ist, mit chaotischen lokalen Variationen der Gasgeschwindigkeit. Ohne Turbulenz würden Staub und Kieselsteine eine Scheibe bilden, die so hauchdünn ist wie die Ringe des Saturns. Beobachtungen zeigen jedoch, dass der Staub stattdessen überall in der dicken Gasscheibe anzutreffen ist, die junge Sterne umgibt.

Auf größeren Skalen kann die turbulente Gasbewegung in protoplanetaren Scheiben Regionen mit stark erhöhten Pebble- und Staubkonzentrationen erzeugen. Solche Regionen können vorübergehend zu regelrechten Pebblefallen werden, in denen Pebbles aus den umliegenden Regionen gefangen werden. In solchen Regionen können sich Pebbles mit einer so großen Gesamtmasse ansammeln, dass sie durch ihre gegenseitige Schwerkraft aneinandergebunden werden.

Auf diese Weise können binnen kurzer Zeit größere Objekte entstehen. Erste Hinweise darauf, dass Turbulenz eine Schlüsselrolle bei der Planetenentstehung spielt, lieferten numerische Simulationen und deren Vergleich mit detaillierten Beobachtungen der protoplanetaren Scheiben um junge Sterne. Klahr und Schreiber wollten aber möglichst direkt verstehen, wie sich das, was die Simulationen gezeigt hatten, aus den zugrundeliegenden physikalischen Gesetzen ergibt.

Die Physik hinter der turbulenten Bildung von Planetenembryonen erwies sich dabei als überraschend einfach. Sie hat grundlegende Ähnlichkeiten mit der Entstehung von Sternen: Astronomen wissen schon lange, dass es eine Mindestmasse für einen neugeborenen Stern gibt. Das liegt daran, dass die Gaswolken, aus denen junge Sterne entstehen, einen inneren Druck aufweisen; erst ab einer bestimmten Gesamtmasse kann die Schwerkraft diesen Druck überwinden und das Gas zu einem Stern zusammenziehen. Die betreffende Minimalmasse wird als Jeans-Masse bezeichnet und hängt von der Gasdichte und der Temperatur ab. Klahr und Schneider fanden eine neue Art von Jeans-Masse, diesmal für die Bildung von Planetesimalen. Dort ist der zu überwindende Druck nicht von der Gastemperatur abhängig, sondern von der turbulenten Bewegung von Gas und Staub.

Diese neue Jeans-Masse hängt nur von der lokalen Stärke der Turbulenz ab, und die Turbulenz-Stärke hängt ihrerseits davon ab, wie sich die Struktur der Gasscheibe ändert, wenn man sich weiter vom Zentralstern entfernt: Fällt der Gasdruck mit der Entfernung hinreichend schnell ab, dann führt die sogenannte "Strömungsinstabilität" unweigerlich zu turbulenten Bewegungen des Gases und des Staubs. Anstatt ruhig in Richtung der Regionen mit größerem Druck zu sinken, also in Richtung des Sterns, bewegen sich die Pebbles chaotisch und wirbeln das umgebende Gas auf.

Für die meisten Regionen innerhalb unseres Sonnensystems entspricht die Jeans-Masse für eine Pebble-Wolke, die sich aus dem "Turbulenz-Gegendruck" ergibt, einem Planetesimalen mit einer Größe von etwa 100 Kilometern. Für Pebble-Wolken mit geringerer Masse ist deutlich weniger wahrscheinlich, dass sie kollabieren – dort wäre schon eine seltene, zufällige Fluktuation nötig, um die Pebbles alle auf einmal hinreichend dicht zusammenzubringen. Dass sich deutlich größere Pebble-Wolken bilden, ist weniger wahrscheinlich, da solche Wolken ja bereits anfangen zu kollabieren, sobald sie die kritische Masse überschreiten. Dass sich Planetesimale mit deutlich mehr oder deutlich weniger als 100 Kilometern Durchmesser bilden, ist damit durchaus unwahrscheinlich.

Damit hatten Klahr und Schneider nicht nur die Physik der Planetesimalen-Entstehung besser verstanden, sondern gleichzeitig eine mögliche Erklärung dafür gefunden, warum es in unserem Sonnensystem eine einheitliche Längenskala für die ursprünglichen Asteroiden-Größen gibt: die Jeans-Grenzmasse für die Entstehung von Planetesimalen. Aus den Rechnungen der beiden lässt sich auch eine Vorhersage dafür ableiten, wie groß die Überreste des frühen Planetenbildungsprozesses im äußeren Sonnensystem sein sollten.

Basierend auf dem, was wir von den Eigenschaften der protoplanetaren Scheiben unserer Sonne wissen, schrumpft die Größe von primordialen Objekten, die sich in dieser äußeren Region gebildet haben, beim hundertfachen Abstand Erde-Sonne auf rund 10 Kilometer. Nach Ansicht der Forscher wäre es somit lohnendes Ziel einer zukünftigen Weltraummission im äußeren Sonnensystem, zu untersuchen, wie die typische Größe der dortigen sogenannten Kuiper-Gürtel-Objekte mit zunehmender Entfernung von der Sonne abnimmt. So würde sich die Vorhersage von Klahr und Schneider direkt überprüfen lassen.

"Die Stärke unseres Modells liegt in seiner Vorhersagekraft", so Klahr. "Wir können beschreiben, wann und wo sich Planetesimale bilden sollten, ebenso wie die Größen der neugeborenen Planetesimale. Diese Vorhersagen können getestet werden, was notwendig ist, um unsere Kolleginnen und Kollegen von der Anwendbarkeit der zugrunde liegenden Physik zu überzeugen." Eine Reihe anderer Forscher favorisiert alternative Erklärungen, bei denen beispielsweise die Klebrigkeit von Eis für die Planetesimalenbildung die zentrale Rolle spielt, oder ein Szenario, bei dem sich nanometergroße Silikatflocken direkt zusammenlagern.

Für Klahr und Schreiber ist klar, dass solche Effekte zwar durchaus eine Rolle spielen können, dass sie aber wenig beitragen können, wenn es darum geht, Objekte rasch auf eine Größe von 100 Kilometern anwachsen zu lassen. Klahr sagt: "Selbst wenn Kollisionen zu einem Wachstum bis 100 Kilometer führen würden, ohne irgendwann in einen Gravitationskollaps überzugehen, würde diese Methode die Größenverteilung der Planetesimale im Sonnensystem und vor allem die hohe Häufigkeit von binären Objekten im Edgeworth-Kuiper-Gürtel nicht beschreiben, die beide recht direkt mit dem Gravitationskollaps von Pebble-Wolken erklärbar sind."

Klahr und Schreiber berichten über ihre Erebnisse in zwei Artikeln, die in der Fachzeitschrift Astrophysical Journal erschienen sind.

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siehe auch
New Horizons: Die Entstehung von Arrokoth - 14. Februar 2020
Meteoriten: Planetenbausteine formten sich schnell - 13. Juni 2014
Links im WWW
Klahr, H. und Schreiber, A. (2021): Testing the Jeans, Toomre and Bonnor-Ebert concepts for planetesimal formation: 3D streaming instability simulations of diffusion regulated formation of planetesimals, ApJ, in press (arXiv.org-Preprint)
Klahr, H. und Schreiber, A. (2020): Turbulence Sets the Length Scale for Planetesimal Formation: Local 2D Simulations of Streaming Instability and Planetesimal Formation, ApJ, 901, 54 (arXiv.org-Preprint)
Max-Planck-Institut für Astronomie
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