Kein Signal und trotzdem erfolgreich
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Kernphysik astronews.com
4. Januar 2021
Das Team des GERDA-Experiments im Untergrundlabor Laboratori
Nazionali del Gran Sasso hat sein Endergebnis der Suche nach dem neutrinolosen
Doppelbetazerfall von Germanium-76 vorgestellt. Der gesuchte Zerfall, dessen
Nachweis einige kosmologische Rätsel lösen könnte, wurde zwar nicht entdeckt,
das Experiment gilt aber trotzdem als Erfolg, da es einige wichtige Ziele
erreichte.
Die Germanium-Detektoren von GERDA.
Foto: GERDA-Kollaboration [Großansicht] |
Die Untergrenze für die Halbwertszeit des neutrinolosen doppelten
Betazerfalls (0νββ) von 76Ge beträgt 1,8 × 1026 Jahre, so
das Endergebnis des Experiments GERDA (GERmanium Detector Array) im
Untergrundlabor Laboratori Nazionali del Gran Sasso (LNGS) des INFN in Italien.
Dieser Wert stimmt mit dem erwarteten Wert für die Empfindlichkeit des
Experiments überein; ein höherer Wert für den Zerfall eines 0νββ-Isotops wurde
nie zuvor gemessen. Die berichtete Hintergrundsignalrate steht ebenfalls keiner
anderen auf dem Gebiet nach, was nicht nur die Durchführbarkeit eines
hintergrundfreien Experiments bei hoher Exposition demonstriert, sondern auch
die Grundlagen liefert für ein Experiment der nächsten Generation mit wesentlich
höherer Empfindlichkeit.
Der hypothetische neutrinolose doppelte Betazerfall ist ein Prozess jenseits
des Standardmodells der Teilchenphysik: zwei Neutronen in einem Kern, hier
76Ge, wandeln sich gleichzeitig in zwei Protonen und zwei Elektronen
("Betateilchen") um, und zwar ohne die übliche Emission von zwei Antineutrinos.
Seine Entdeckung hätte erhebliche Folgen für Teilchenphysik und Kosmologie: der
Nachweis von Leptonzahl-Verletzung und der Majorana-Natur der Neutrinos, also
der Identität von Neutrinos und Antineutrinos, den Zugang zur
Neutrino-Massenskala und ein wichtiger Hinweis zum Verständnis, warum es so viel
mehr Materie als Antimaterie im Universum gibt.
Bereits vor gut 50 Jahren stand die Leptonzahl-Verletzung im Fokus der ersten
Suche nach dem neutrinolose doppelte Betazerfall mit einem Detektor aus 0,1 kg
Germanium, den eine Gruppe aus Mailand wegen seiner hervorragenden intrinsischen
Energieauflösung gewählt hatte. Seitdem konnte die Empfindlichkeit um einen
Faktor von einer Million gesteigert werden. Entscheidend auf diesem Weg war eine
kontinuierliche Zunahme der Masse des Detektors, der gleichzeitig die Quelle des
Zerfalls ist, auch durch Anreicherung des Isotops 76Ge von
natürlichen 7,8 % auf fast 90 %.
Dazu kam eine ständige Reduktion des Hintergrunds im Signalbereich,
insbesondere durch Betreiben der Experimente tief im Untergrund, um die
kosmische Strahlung abzuschirmen. Das GERDA-Experiment war seit 2011 im Gran-Sasso-Untergrundlabor
(LNGS) in Italien in Betrieb, unter Gestein entsprechend 3500 Meter Wasser. In
der Schlussphase enthielt es 42 Germaniumdetektoren mit zusammen 44,2 kg bei
einer Anreicherung von 86 bis 88 % 76Ge.
Eine Reihe von Neuentwicklungen war der Schlüssel zum Erfolg: Anders als in
vorherigen Experimenten wurden die Ge-Detektoren ohne Einkapselung in einem
Kryostaten mit flüssigem Argon (LAr) betrieben, der sich in einem
instrumentierten Wassertank zur Abschirmung gegen Photonen, Neutronen und Myonen
befand. Das LAr sorgte für Kühlung und Abschirmung und half außerdem, die Menge
an Montagematerial zu verringern, das trotz sorgfältiger Auswahl immer noch
einen winzigen Rest radioaktiver Verunreinigungen enthält. Zur aktiven
Abschirmung war das LAr mit Lichtsensoren bestückt, die anzeigten, wenn Signale
im Ge-Detektor von radioaktivem Hintergrund stammten. Auch der zeitliche Verlauf
der Detektorsignale liefert eine ähnliche Information.
Die GERDA-Kollaboration hat Detektoren mit neuartigem Design eingesetzt und
Analysemethoden entwickelt, um das Optimum aus dieser
Hintergrundreduktionstechnik herauszuholen. Aus den Erfahrungen mit GERDA
resultiert die Erwartung, dass eine weitere Reduktion des Hintergrunds
erreichbar ist, sodass ein hintergrundfreies Experiment mit noch größerer
Quellstärke bzw. Exposition möglich wird. Dies ist im Rahmen der
LEGEND-Kollaboration geplant: Das Team strebt an, die Empfindlichkeit für die
Halbwertszeit des gesuchten Betazerfalls auf 1028 Jahre zu steigern.
In einer ersten Phase wird sie 200 kg angereicherte Ge-Detektoren in der leicht
modifizierten GERDA-Infrastruktur einsetzen und die Messungen 2021 starten.
Über die finalen GERDA-Ergebnisse berichtet das Team in einem Fachartikel, der in der
Zeitschrift Physical Review Letters erschienen ist.
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