Was Helligkeitsschwankungen verraten
Redaktion
/ Pressemitteilung der TU Berlin astronews.com
8. Dezember 2020
Was kann die Astronomie durch die Beobachtung eines fernen
Planeten lernen, etwa aus dessen geringfügigen Helligkeitsschwankungen? Bislang
war man davon ausgegangen, dass man aus der Messung des reflektierten
Sternlichts etwa auf die Beschaffenheit der Oberfläche oder die Atmosphäre
schließen kann. Beobachtungen der Venus zeigten nun, dass dies nicht so einfach
ist.
Beobachtungen der dichten Atmosphäre der
Venus könnten auch bei der Auswertung von Daten
von fernen Planetensystemen helfen.
Bild: NASA/JPL-Caltech [Großansicht] |
Die Wissenschaftlerin Dr. Yeon Joo Lee vom Zentrum für Astronomie und
Astrophysik der Technischen Universität Berlin und ihr Kollege Dr. Antonio
García Muñoz, der auch Mitglied des Instituts für Planetenforschung des
Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) ist, haben jetzt Beobachtungs-
und Messdaten des japanischen Akatsuki Orbiter zur Venus ausgewertet.
Ihre Ergebnisse legen nahe, dass aus den Helligkeitsschwankungen nicht, wie
bisher angenommen, auf die Atmosphäre des Planeten geschlossen werden kann.
"Bisher ging man davon aus, dass die häufig wechselnden Helligkeiten auf die
Rotationsgeschwindigkeit des Planeten und den Durchmesser der Atmosphäre
hinweisen. Nach unseren genauen Messungen und Berechnungen ist das allerdings
keineswegs zwingend", erläutert Lee ihre Beobachtungen. Diese hatten ergeben,
dass die unterschiedlichen Helligkeitsmodulationen keineswegs auf die Rotation
des Festkörpers der Venus schließen lassen, sondern vielmehr mit den in der
Atmosphäre aktiven Winden zusammenhängen.
Die Venus-Daten seien also nicht zuverlässig für die Interpretation von
Helligkeitsunterschieden anderer terrestrischer Exoplaneten verwendbar. Die
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler schlagen daher Berechnungsmodelle vor,
die eher auf das Vorhandensein, nicht aber auf den Durchmesser einer Atmosphäre
hinweisen könnten. Zudem können die Modelle für eine exaktere Analyse von Daten
aus künftigen Beobachtungsmissionen herangezogen werden.
Gespannt warten die Forscherinnen und Forscher nun auf die aktuellen Daten
der vierteiligen europäisch-japanischen Weltraumsonde BepiColombo, die
vor zwei Jahren vom Weltraumbahnhof Kourou in Französisch-Guyana startete. Auf
ihrer bis 2025 dauernden Reise zum Merkur passierte sie die Venus Mitte Oktober
2020 ganz nah – in 10.000 Kilometer Entfernung. BepiColombo ist eine
Kooperation zwischen der ESA und der japanischen Raumfahrtbehörde JAXA. Mit
mehreren Experimenten sind die Astrophysikerinnen und Astrophysiker der TU
Berlin ebenfalls an dieser bislang größten europäischen Planetenmission
beteiligt.
"Wir versprechen uns aus den Messdaten Aufschluss über die Komplexität der
Venus-Atmosphäre", erklärt Lee. Denn die Atmosphäre der Venus ist besonders
dicht. Sie besteht zu mehr als 90 Prozent aus Kohlendioxid, und eine 20
Kilometer dicke, stark schwefelsäurehaltige Wolkenschicht verhindert, dass man
auf die Oberfläche schauen kann.
Ein Thermal-Infrarot-Spektrometer und Radiometer an Bord von BepiColombo
soll nun Aufschluss über Dichte, Temperatur und chemische Zusammensetzung der
mittleren Atmosphäre rund um die Venus geben. Ein UV-Spektrometer misst
Reflexionen und Emissionen der oberen atmosphärischen Schichten und ein
Magnetometer zeichnet die magnetische Umgebung. Weitere Instrumente studieren
die Interaktion zwischen Sonne und der oberen Venus-Atmosphäre.
"Mit einer von dem starken Treibhauseffekt hervorgerufenen
Oberflächentemperatur von 470 Grad, die das Vorhandensein von Wasser auf der
Oberfläche ausschließt, befindet sich die Venus momentan außerhalb der
habitablen Zone", erklärt Lee. "Doch möglicherweise war sie in der Vergangenheit
bewohnbar und wies ähnliche Bedingungen auf wie die Erde. Wann sie aus diesem
Zustand abdriftete, weiß man nicht genau."
Die beteiligten japanischen Kolleginnen und Kollegen forschen an der
University of Tokyo, des Planetary Exploration Research Center
(PERC), des Institute of Space and Astronautical Science (ISAS/JAXA)
sowie der Hokkaido Information University. Die Ergebnisse wurden jetzt
in Nature Communications veröffentlicht.
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