Ideen für Städte auf dem Mars
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Stuttgart astronews.com
17. November 2020
Bevor erstmals Astronautinnen und Astronauten zum Mars
aufbrechen, dürften noch viele Jahre vergehen, bis eine größere Zahl von
Menschen ständig dort wohnt, noch viele Jahrzehnte. Trotzdem hat sich ein Team
schon einmal Gedanken gemacht, wie eine Stadt auf dem Roten Planeten aussehen
könnte: Sie stellten Nüwa vor, eine Großstadt gelegen an einer Klippe in der
Region Tempe Mensa.
So könnte er aussehen, der Blick beim Anflug
auf die nachhaltige Stadt Nüwa auf dem Mars.
Bild: Gonzalo Rojas, ABIBOO Studio / SONet [Großansicht] |
Die Frage nach Leben auf dem Mars und eine Besiedelung des Roten Planeten
beschäftigt Science-Fiction-Autoren schon seit vielen Jahren. Doch auch für die
Wissenschaft ist das Thema spannend, etwa für das Expertenteam SONet (Sustainable
Offworld Network), dem Dr. Gisela Detrell vom Institut für Raumfahrtsysteme der
Universität Stuttgart angehört. Das von ihr konzipierte Lebenserhaltungssystem
für die Stadt "Nüwa" soll einmal eine Million Menschen auf dem Mars versorgen.
Es wurde als Teil eines Wettbewerbs der Mars Society konzipiert und jetzt
veröffentlicht.
Nüwa, benannt nach einer Muttergöttin der chinesischen Mythologie und am
südlichen Rand der Mars-Region Tempe Mensa gelegen, ist Teil eines Verbunds aus
fünf Städten auf dem Mars und bietet den Bürgerinnen und Bürgern langfristig
einfachen Zugang zu Ressourcen und Mobilität. Das Projekt schlägt nicht nur eine
realisierbare Stadtplanung vor, sondern auch einen sozioökonomischen
Entwicklungsplan sowie Beschreibungen der Industrie, Infrastruktur, Erzeugung
und Verteilung von Energie und Dienstleistungen.
"Zwischen der Entwicklung einer Raumstation für sechs Astronautinnen und
Astronauten auf einer erdnahen Umlaufbahn, wie der ISS, und der Millionen-Stadt
auf dem fernen Mars gibt es viele wissenschaftliche und technische Unterschiede.
Insbesondere muss auf dem Mars erst eine Gesellschaft aufgebaut werden", erklärt
Detrell. Die Konzeptstudie sieht eine Stadt vor, die nicht nur nachhaltig ist,
sondern auch expandieren und wachsen kann, ohne auf die Unterstützung der Erde
angewiesen zu sein.
Hierfür gilt es abzuschätzen, wie viele physische Ressourcen und Energie pro
Kopf gesammelt, umgewandelt und aus der Umwelt in die Stadt integriert werden
müssen. Aufgrund wiederkehrender Abhängigkeiten muss dies schrittweise erfolgen:
So erfordert zum Beispiel die Energieerzeugung mit Sonnenkollektoren
Komponenten, Materialien und andere Mittel. Hierfür braucht man wiederum
Maschinen, die ebenfalls Materialien und Energie benötigen. Da keine Ressourcen
von der Erde zur Verfügung stehen, müssen Ersatzmaterialien sowie Energiequellen
gefunden werden, was wiederum die Wahl des Standorts für die künftige Stadt
beeinflusst.
Die konzipierten Städte sind in die Wände einer felsigen Marsklippe gebaut,
die Schutz vor Druck, Temperaturschwankungen und schädlicher kosmischer
Strahlung aus dem Weltraum bietet. Menschen sind jedoch nicht dafür gemacht,
unter der Erde zu leben. Daher bieten Öffnungen zum Tal eine natürliche
Beleuchtung innerhalb der bewohnten Gebiete. Produktion, Industrie, Lebensmittel
und Energieerzeugung müssen sich entweder am Fuß oder oben auf der Klippe
befinden.
Anstelle von Stadtvierteln besteht die Stadt aus Wohnblöcken, Arbeitsplätzen,
lokalen Dienstleistungen sowie öffentlichen Räumen und grünen Parkanlagen für
jeweils etwa 4000 Menschen. Jeder Block besteht aus zahlreichen miteinander
verbundenen Zylindern, die sich von der beleuchteten Außenseite bis etwa 150 m
in den Felsen erstrecken.
Das Lebenserhaltungssystem ist ein Schlüsselelement, da es autark von der
Erde alles bereitstellen muss, was Menschen zum Überleben benötigen. Als
Hauptnahrungsquelle umfasst Nüwa landwirtschaftliche Module, in denen Pflanzen
und Mikroalgen kultiviert werden. Für eine ausgewogene Ernährung werden diese um
Insekten und Zellfleisch ergänzt. Sowohl aus psychologischen Gründen als auch
als Puffer im System könnte man sich in Nüwa auch einige wenige Tiere
vorstellen.
Pflanzen und Algen sorgen zudem für das Recycling der Luft: Sie nutzen das
vom Menschen produzierte Kohlendioxid und produzieren durch Photosynthese
Sauerstoff. Für diesen Prozess benötigen Pflanzen Licht, das künstlich erzeugt
werden muss. Für energieeffiziente LEDs werden insbesondere blaue und rote
Wellenlängen verwendet. Diese LEDs erfordern allerdings pro Person 37 kW
Leistung, große Kultivierungsflächen, viel Wasser und zudem Nährstoffe,
Sauerstoff und Stickstoff.
Bis eine zukünftige Stadt auf dem Mars möglich sein könnte, gibt es also noch
viele Themen zu erforschen. Doch zeigt das Projekt, so die beteiligten
Forscherinnen und Forscher, dass eine nachhaltige Stadt möglich wäre – nicht nur
auf dem Mars, sondern auch hier auf Erden.
Einen Einblick in die Stadt Müwa liefert auch ein kurzes
Youtube-Video.
|