Riesiger Teilchenbeschleuniger am Himmel
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung des Helmholtz-Zentrums Potsdam - Deutsches
GeoForschungsZentrum GFZ astronews.com
15. September 2020
Um unseren Heimatplaneten gibt es mit den
Van-Allen-Strahlungsgürteln zwei Bereiche, die wegen ihrer hochenergetischen
Teilchenstrahlung von bemannten Raumfahrtmissionen besser gemieden werden
sollten. Messungen von Sonden lieferten nun neue Erkenntnisse über diese Region
und enttarnten die Gürtel als gewaltige Teilchenbeschleuniger.
Wissenschaftliche Satelliten durchqueren die
anspruchsvolle Region des erdnahen Weltraums, die
als Van-Allen-Strahlungsgürtel bezeichnet wird.
Bild: Yuri Shprits / Hintergrund: NASA [Großansicht] |
Das Magnetfeld der Erde fängt hochenergetische Teilchen ein. Als die ersten
Satelliten ins All geschossen wurden, entdeckten Forschende unter der Leitung
von James Van Allen die Regionen mit hochenergetischer Teilchenstrahlung, die
später nach ihrem Entdecker Van-Allen-Strahlungsgürtel benannt wurden.
Visualisiert sehen diese wie zwei gigantische Donuts aus, die unseren Planeten
umschließen.
Nun zeigt eine neue Studie unter der Leitung von Forschenden des Deutschen
GeoForschungsZentrums GFZ, dass Elektronen in den Strahlungsgürteln lokal auf
sehr hohe Geschwindigkeiten beschleunigt werden können. Die von Hayley Allison,
Postdoc-Stipendiatin am GFZ Potsdam, und Yuri Shprits, Sektionsleiter am GFZ und
Professor an der Universität Potsdam, durchgeführte Studie zeigt, dass die
Magnetosphäre wie ein sehr effizienter Teilchenbeschleuniger funktioniert, der
Elektronen auf sogenannte ultra-relativistische Energien beschleunigt.
Um den Ursprung der Van-Allen-Gürtel besser zu verstehen, startete die NASA
2012 die Zwillingsmission der Van-Allen-Sonden, um diese harsche Umgebung zu
durchqueren und detaillierte Messungen in dieser gefährlichen Region
durchzuführen. Die Messungen umfassten eine ganze Reihe von Partikeln, die sich
mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten und in verschiedene Richtungen bewegen,
sowie Plasmawellen.
Plasmawellen ähneln den Wellen, die wir auf der Wasseroberfläche sehen, sind
aber für das bloße Auge unsichtbar. Sie können mit Wellen im elektrischen und
magnetischen Feld verglichen werden. Neuere Beobachtungen haben gezeigt, dass
die Energie der Elektronen in den Strahlungsgürteln bis zu sogenannten
ultra-relativistischen Energien gehen kann. Diese Elektronen mit Temperaturen
etwa 40 Milliarden Grad Celsius bewegen sich so schnell, dass ihre
Bewegungsenergie viel höher ist als ihre Ruheenergie, die durch Einsteins
berühmte Formel E=mc2 gegeben ist. Sie sind so schnell, dass sich der
Zeitfluss für diese Teilchen deutlich verlangsamt.
Die Wissenschaftler waren überrascht, diese ultra-relativistischen Elektronen
zu finden, und nahmen an, dass so hohe Energien nur durch eine Kombination von
zwei Prozessen erreicht werden können: der Transport von Teilchen herein aus den
äußeren Bereichen der Magnetosphäre, der sie beschleunigt, sowie eine lokale
Beschleunigung der Teilchen durch Plasmawellen.
Die neue Studie zeigt jedoch, dass Elektronen solche unglaublichen Energien
lokal, im Herzen der Van-Allen-Gürtel, erreichen, indem sie all diese Energie
den Plasmawellen entziehen. Dieser Prozess erweist sich als äußerst effizient.
Die unerwartete Entdeckung, wie die Beschleunigung von Teilchen auf
ultrarelativistische Energien im erdnahen Raum funktioniert, könnte den
Wissenschaftlern helfen, die grundlegenden Prozesse der Beschleunigung von
Partikeln auf der Sonne, in der Nähe von äußeren Planeten und sogar in den
fernen Winkeln des Universums, die von Raumsonden nicht erreicht werden können,
zu verstehen.
Die Ergebnisse sind in einem Fachartikel beschrieben, der in der Zeitschrift
Nature Communications
erschienen ist.
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