Von Europa aus der Sonne noch näher
Redaktion
/ Pressemitteilung des Leibniz-Instituts für Sonnenphysik astronews.com
2. September 2020
Das größte europäische Sonnenteleskop GREGOR auf Teneriffa,
das von einem deutschen Konsortium betrieben wird, hat gestochen scharfe Bilder
der Feinstruktur der Sonne aufgenommen. Vorausgegangen war eine umfassende
Neugestaltung der Optik des Teleskops, so dass die Sonne von Europa aus nun mit
einer höheren Auflösung als je zuvor beobachtet werden kann.

Ein Sonnenfleck in höchster Auflösung,
beobachtet mit dem GREGOR-Teleskop bei einer
Wellenlänge von 430 nm.
Bild: Leibniz-Institut für Sonnenphysik [Großansicht] |
Die Sonne ist "unser" Stern und hat einen signifikanten Einfluss auf unseren
Planeten, unser Leben und unsere Zivilisation. Indem wir den Magnetismus auf der
Sonne untersuchen, können wir ihren Einfluss auf die Erde verstehen und somit
auch mögliche Schäden an Satelliten und technologischer Infrastruktur
minimieren, die beispielsweise nach gewaltigen Eruptionen auf der Sonne drohen.
Mit dem GREGOR-Teleskop können Wissenschaftler nun Details von nur 50
Kilometer auf der Sonne auflösen, was einem winzigen Bruchteil des
Sonnendurchmessers von 1,4 Millionen Kilometer entspricht. Dies ist, als würde
man eine Nadel auf einem Fußballfeld aus einer Entfernung von einem Kilometer
perfekt scharf sehen. "Dies war ein sehr aufregendes, aber auch äußerst
herausforderndes Projekt. In nur einem Jahr haben wir Optik, Mechanik und
Elektronik komplett neu gestaltet, um die bestmögliche Bildqualität zu
erzielen," sagte Dr. Lucia Kleint, die das Projekt und die deutschen
Sonnenteleskope auf Teneriffa leitete.
Ein großer technischer Durchbruch gelang dem Projektteam im März dieses
Jahres während der Ausgangssperre, als sie am Observatorium gestrandet waren und
das optische Labor von Grund auf umbauten. Leider verhinderten Schneestürme
damals Sonnenbeobachtungen. Als Spanien im Juli wiedereröffnet wurde, flog das
Team sofort zurück und nahm die Bilder auf mit der höchsten Auflösung der Sonne,
die jemals von einem europäischen Teleskop erreicht wurde.
Prof. Dr. Svetlana Berdyugina, Professorin an der Albert-Ludwig-Universität
Freiburg und Direktorin des Leibniz-Instituts für Sonnenphysik (KIS), freut sich
sehr über die hervorragenden Ergebnisse: "Das Projekt war ziemlich riskant, da
solche Teleskop-Umbauten in der Regel Jahre dauern. Aber die großartige
Teamarbeit und die sorgfältige Planung haben zu diesem Erfolg geführt. Jetzt
haben wir ein mächtiges Instrument, um Rätsel auf der Sonne zu lösen."
Mit der neuen Optik des Teleskops können Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler Magnetfelder, Konvektion, Turbulenzen, Sonneneruptionen und
Sonnenflecken detailliert untersuchen. Erste Bilder, die im Juli 2020
aufgenommen wurden, zeigen erstaunliche Details der Sonnenfleckenentwicklung und
komplizierter Strukturen im Solarplasma.
Teleskopoptiken sind höchst komplexe Systeme aus Spiegeln, Linsen,
Glaswürfeln, Filtern und weiteren optischen Elementen. Wenn nur ein Element
nicht perfekt ist, beispielsweise aufgrund von Herstellungsproblemen, leidet die
Leistung des gesamten Systems. Dies ähnelt dem Tragen einer Brille mit falschem
Rezept, was zu einer verschwommenen Sicht führt. Anders als bei Brillen ist es
jedoch sehr schwierig zu erkennen, welche Elemente in einem komplexen Teleskop
Probleme verursachen können.
Das GREGOR-Team fand mehrere dieser Probleme und berechnete Optikmodelle, um
sie zu lösen. Zum Beispiel ist der Astigmatismus eines dieser optischen
Probleme. Er beeinträchtigt das Sehvermögen von 30 bis 60 Prozent der Menschen,
aber auch komplexe Teleskope. Bei GREGOR wurde dies korrigiert, indem zwei
Elemente durch sogenannte Off-Axis-Parabolspiegel ersetzt wurden, die mit einer
Genauigkeit von sechs Nanometern poliert werden mussten, was etwa 1/10000 eines
Haardurchmessers entspricht. In Kombination mit mehreren weiteren Verbesserungen
führte die Neugestaltung zu einer verbesserten Sicht des Teleskops. Neue
wissenschaftliche Beobachtungen mit GREGOR sollen noch in diesem Monat beginnen.
Eine technische Beschreibung des Redesigns wurde kürzlich in der Zeitschrift
Astronomy & Astrophysics veröffentlicht.
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