Einer von vielen - 2011 ES4 passiert die Erde
Redaktion
/ Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt astronews.com
31. August 2020
Morgen Abend fliegt der Asteroid 2011 ES4 an der Erde
vorüber - und dies in einem Abstand, der nur rund einem Drittel der
Mondentfernung entspricht. Eine Gefahr für unseren Planeten besteht nicht. Würde
der hausgroße Brocken allerdings die Erde treffen, könnten zumindest lokale
Schäden die Folge sein. Deswegen versucht man, auch kleinere Asteroiden zu
erfassen und zu überwachen.
Konstellation der Bahnen von Asteroid 2011
ES4 und der Erde: Die grafische Bahnsimulation
zeigt die nahe Begegnung von 2011 ES4 mit der
Erde innerhalb der Mondbahn am 1. September. Zu
erkennen ist auch, dass 2011 ES4 die
Bahnkriterien erfüllt, um zu den
Apollo-Asteroiden gerechnet zu werden. Für einen
kompletten Sonnenumlauf benötig er 416 Tage.
Bild: NASA / JPL [Großansicht] |
Am 1. September wird um 18:12 Uhr MESZ ein kleiner Asteroid mit der
Bezeichnung 2011 ES4 die Erde in nur ein Drittel Monddistanz passieren. Solche
vergleichsweise knappen Erdvorbeiflüge von kleinen Himmelskörpern finden jedoch
recht häufig statt, werden aber von der Öffentlichkeit in der Regel kaum
wahrgenommen; in diesem Jahr waren es allein schon rund 60. Nur wenige
Asteroiden sind darunter, deren Ausmaße im Falle einer Kollision mit der Erde
wirklich bedrohlich wären.
Auch der Asteroid 2011 ES4 ist weniger gefährlich, obschon er mit einem
geschätzten Durchmesser zwischen 22 und 49 Metern zu den etwas größeren seiner
Art zählt. Ein Einschlag oder ein Auseinanderbrechen in der Atmosphäre würde
voraussichtlich zu einem ähnlichen Ereignis führen, wie wir es am 15. Februar
2013 in der Gegend um die russische Stadt Tscheljabinsk erlebt haben. Damals
zerbrach ein rund 19 Meter großer Meteor dreißig Kilometer hoch über der Stadt
in der Atmosphäre und löste mit seiner Druckwelle zahlreiche Gebäudeschäden und
Verletzungen bei Personen durch zerberstende Glasscheiben aus.
Der einige zehn Meter große Asteroid 2011 ES4 zieht jedoch am 1. September in
einer sicheren Distanz von etwa 120.000 Kilometer an der Erde vorbei. "Der
Weltraum ist zum Glück relativ leer und auf der Zeitskala eines Menschenlebens
muss man - statistisch betrachtet - nicht unbedingt mit einem gewaltigen
Einschlag rechnen wie zum Beispiel mit jenem, der vor 65 Millionen Jahren
schlagartig zum Aussterben der Dinosaurier und anderer Arten geführt haben
soll", erläutert Dr. Manfred Gaida, Astronom am Deutschen Zentrum für Luft- und
Raumfahrt (DLR). "Dennoch, der nächste Impakt kann jeder Zeit geschehen."
2011 ES4 wird zu den sogenannten Apollo-Asteroiden gerechnet: Bei diesen
liegt der sonnennächste Punkt der Bahn, das Perihel, zwar innerhalb der
Erdbahnebene, die große Halbachse der Bahn aber mehr als eine Astronomische
Einheit von der Sonne entfernt. Demzufolge "überqueren" diese Asteroiden
regelmäßig die Erdbahn und zählen deshalb zu den sogenannten Erdbahnkreuzern.
Ein relativ gut bekannter und erforschter Brocken aus dieser Gruppe ist der 2
mal 4 kilometergroße Asteroid 4179 Toutatis, der alle vier Jahre die Erdbahn mal
mehr oder mal weniger weit entfernt kreuzt, zuletzt am 29. Dezember 2016 in
100facher Monddistanz. Mit der Erde befindet er sich in einer 1:4 und mit
Jupiter in einer 3:1 Bahnresonanz, was einen chaotischen Bahnverlauf bewirkt.
Darüber hinaus kreuzt er auch die Marsbahn. Dank Radarmessungen und Aufnahmen
der chinesischen Mondsonde Chang’e 2 wissen wir, dass Toutatis‘ Gestalt dem Kern
des Kometen Churyumov-Gerasimenko ähnelt.
Während man Toutatis im Jahre 2004 bei seiner Erdpassage in vierfacher
Mondentfernung sogar in einem lichtstarken Fernglas sehen konnte, wird 2011 ES4
am 1. September nur mithilfe eines größeren Teleskops fotografisch zu erkennen
sein, denn mit einer geschätzten, kurzzeitigen Helligkeit von höchstens 12,5.
Größenklasse während seiner minimalen Erddistanz bleibt der Asteroid recht
lichtschwach.
"Freilich ist es wichtig, ein möglichst genaues Bild von allen Objekten zu
bekommen, die der Erde eines Tages gefährlich werden könnten", betont Dr.
Christian Gritzner, Raumfahrtingenieur und Programmleiter für
Sonnensystemmissionen im Raumfahrtmanagement des DLR. "Denn nur so erhalten wir
hinreichend Kenntnis, um uns eines Tages nachhaltig vor den möglichen
Einschlägen erdbahnkreuzender Körper schützen zu können, selbst wenn sie keinen
global verheerenden Schaden anrichten würden."
So hat man in den vergangenen Jahrzehnten weltweit umfangreiche
Überwachungssysteme aufgebaut, die auch noch relativ kleine Asteroiden von
Metergröße auffinden. Und davon werden es immer mehr, wie man der Übersicht des
Center for Near Earth Object Studies der NASA entnehmen kann. Ebenfalls
werden Studien über wirksame Abwehrmöglichkeiten zunehmend detaillierter und es
bleibt zu hoffen, dass ihre Ergebnisse bald raumfahrttechnisch erprobt und
etabliert werden – gleichsam als eine Daseinsvorsorge gegen natürliche
außerirdische Gefahren.
Apolloasteroid 2011 ES4 dürfte jedenfalls noch oft unauffällig an der Erde
vorbeiziehen. Im Jahr 2055 soll er den Berechnungen zufolge wieder näher kommen
und in knapp zehnfacher Mondentfernung an der Erde vorbeisausen. Wenn die
Menschen dann bereits auf dem Erdbegleiter Fuß gefasst und einen lunaren
Außenposten errichtet haben, könnten die Astronauten auf dem Mond solche
Nahbegegnungen wahrscheinlich ungestörter verfolgen, als es von der Erde aus
möglich ist. Und zweifellos ist die von Kratern übersäte Oberfläche des Mondes
selber ein untrügliches und zugleich mahnendes Zeichen, alle Arten von
Asteroiden, ob groß oder klein, nicht auf die leichte Schulter zu nehmen.
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