Das mysteriöse Verschwinden eines Riesensterns
von
Stefan Deiters astronews.com
1. Juli 2020
Astronominnen und Astronomen sind auf der Suche nach einem
massereichen Stern: Die gewaltige Sonne ließ sich über mehrere Jahre in einer
Zwerggalaxie nachweisen und stand kurz vor dem Ende ihres nuklearen Lebens. Nun
ist sie offenbar verschwunden. Wurde sie ohne Supernova-Explosion zu einem
Schwarzen Loch oder hat sich nur ihre Helligkeit deutlich verringert?
Künstlerische Darstellung des Riesensterns, der über mehrere
Jahre in der Kinman-Zwerggalaxie nachgewiesen wurde,
nun aber verschwunden ist.
Bild: ESO / L. Calçada [Großansicht] |
Astronominnen und Astronomen ist ein massereicher Stern verloren gegangen.
Dies ist insbesondere deshalb ungewöhnlich, weil diese Sterne in der Regel recht
hell sind und ihr Ende mit einer noch deutlich helleren Supernova-Explosion
verbunden ist. Trotzdem rätseln die Forschenden nun, was mit einem massereichen Stern
passiert sein könnte, den sie zwischen 2001 und 2011 in einer rund 75 Millionen
Lichtjahre entfernten Zwerggalaxie nachweisen konnten.
Dieses auch als Kinman-Zwerggalaxie bekannte System im Sternbild Wassermann
ist zu weit entfernt, um hier einzelne Sterne ausmachen zu können. Im Licht der
Galaxie lassen sich aber die Signaturen bestimmter Sterne nachweisen, etwa von
sogenannten leuchtkräftigen blauen Veränderlichen. Und genau ein solcher wurde
wiederholt in der Zwerggalaxie detektiert. Der Stern dürfte etwa 2,5 Millionen
Mal leuchtkräftiger als unsere Sonne sein.
Im Jahr 2019 allerdings fehlten die Signaturen dieses Sterns plötzlich in den
Spektren, die man von der Kinman-Zwerggalaxie aufgenommen hatte. "Es wäre sehr
ungewöhnlich für einen so massereichen Stern, dass er so ohne weiteres
verschwindet, ohne zuvor für eine helle Supernova-Explosion zu sorgen",
unterstreicht Andrew Allan, Doktorand am Trinity College in Dublin. Die
Signatur des Sterns blieb aber bei Beobachtungen mit zwei modernen Instrumenten
unsichtbar, die beide am Very Large Telescope der europäischen
Südsternwarte ESO auf dem Gipfel des Paranal in Chile montiert sind.
"Wir könnten hier einen der massereichsten Sterne im lokalen Universum
entdeckt haben, der sein Leben einfach so ausgehaucht hat", meint Teammitglied
Jose Groh vom Trinity College. Die Gruppe wertete auch ältere
Beobachtungen aus den ESO-Archiven aus und stellte dabei fest, dass der Stern
eventuell eine besondere Phase durchlaufen hat, bei der er starke Ausbrüche
zeigte. Diese muss dann nach 2011 zu Ende gegangen sein. Für leuchtkräftige
blaue Veränderliche sind solche Phasen durchaus nicht ungewöhnlich.
Daraus leitet das Team zwei mögliche Szenarien für das Verschwinden des
Sterns ab: Durch den Ausbruch könnte die massereiche Sonne einiges an Helligkeit
eingebüßt haben und zudem noch hinter Staubwolken verborgen sein. Oder aber
- und dies würde die Entdeckung besonders spannend machen - könnte der Stern in
ein Schwarzes Loch kollabiert sein, ohne dass es vorher zu einer
Supernova gekommen ist.
Vielleicht können künftige Teleskope bei der Aufklärung dieses Rätsels
helfen: Mit dem Extremely Large Telescope, das aktuell ganz in der Nähe
des Very Large Telescope entsteht, dürfte es ab 2025 möglich sein, auch
in entfernteren Galaxien wie der Kinman-Zwerggalaxie einzelne Sterne aufzulösen.
Über ihre Beobachtungen berichtet das Team in einem Fachartikel, der in der
Zeitschrift The Monthly Notices of the Royal Astronomical Society
erschienen ist.
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