Nahaufnahme eines sterbenden Riesen
Redaktion /
Pressemitteilung des MPIfR astronews.com
27. Mai 2008
Astronomen ist es jetzt erstmals gelungen, eine Nahaufnahme
eines Überriesensterns im letzten Stadium seiner Entwicklung zu machen. Der
Stern mit Namen WOH G64 befindet sich in der Großen Magellanschen Wolke in etwa
160.000 Lichtjahren Entfernung. Die Beobachtung gelang durch die Kombination von
zwei der vier großen Teleskope des Very Large Telescope (VLT) der ESO
in Chile.
Künstlerische Darstellung des Staubrings um den
Stern WOH G64 in der Großen Magellanschen Wolke.
Der Durchmesser dieses Überriesensterns ist so
groß wie die Bahn von Saturn in unserem
Sonnensystem. Die innere Lücke in der
Staubscheibe (in Gelb) ist bereits 120-mal
größer als die Erdbahn um die Sonne.
Bild: ESO |
Einem Team von Forschern am Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR)
in Bonn und an der Europäischen Südsternwarte (ESO) in Garching bei München ist
es zum ersten Mal gelungen, eine Nahaufnahme eines Überriesensterns im letzten
Stadium seiner Entwicklung zu machen. Dieser Stern, mit der Katalogbezeichnung
WOH G64, befindet sich in der Großen Magellanschen Wolke, unserer nächsten
Nachbargalaxie in etwa 160.000 Lichtjahren Entfernung. Die Beobachtung gelang
durch die Kombination von zwei der vier 8,2-Meter-Teleskope der ESO in Chile zu
einem Interferometer mit einem Auflösungsvermögen eines virtuellen
60-Meter-Teleskops. Die Beobachtungen zeigen einen dicken Staubring um den
sterbenden Überriesen.
Dass Sterne Material ins All abstoßen ist nicht ungewöhnlich: Besonders
ältere Sterne blasen große Mengen von Material in Form eines heftigen
Sternenwindes in ihre Umgebung. Dadurch verhüllen sie sich mit der Zeit durch
einen dicken Ring aus unterschiedlichen Molekülen und Staub. Bereits seit
Jahrzehnten versuchen die Forscher zu verstehen, wie genau massereiche Sterne in
ihren späten Entwicklungsstadien derart große Mengen von Material verlieren,
bevor sie ihr Leben als Supernova beenden.
Die vielleicht beste Möglichkeit dazu bietet die detaillierte Untersuchung
der Hülle, die den Stern umgibt. Aber das ist leichter gesagt als getan, vor
allem aufgrund der gewaltigen Entfernungen, in denen solche Sterne zu finden
sind - im Fall von WOH G64 bereits außerhalb unserer Heimatgalaxie, der
Milchstraße. Sogar mit den größten optischen Teleskope weltweit, mit
Spiegeldurchmessern von acht bis zehn Metern, bleibt es schwierig, die Hüllen
selbst der nächstgelegenen entwickelten Riesensterne detailliert zu untersuchen.
Bei Objekten, die dazu noch außerhalb der Milchstraße liegen, wird das zu
einem nahezu aussichtlosen Unterfangen. Die Verwendung von zwei oder mehr
Teleskopen, zusammengeschaltet zu einem "Interferometer", ermöglicht ein
wesentlich höheres Auflösungsvermögen als mit einem einzelnen Teleskop allein.
Das Very Large Telescope Interferometer (VLTI) der ESO in Chile, bei
dem zwei oder drei der 8,2 Meter-Teleskope auf dem Cerro Paranal
zusammengeschaltet werden, ist eines der größten und leistungsstärksten
Instrumente dieser Art.
Ein Forscherteam von MPIfR und ESO hat Beobachtungen durchgeführt mit dem
VLTI-Instrument MIDI (MID-infrared Instrument), das in zwei
Frequenzbändern im mittleren Infrarotbereich des elektromagnetischen Spektrums
arbeitet. MIDI ist ideal geeignet zur Beobachtung der thermischen Strahlung aus
der Staubhülle, die durch den Zentralstern aufgeheizt wird. Das mit MIDI
erzielte Auflösungsvermögen ist so hoch, dass man damit von Bonn aus einen
Tennisball auf dem Brandenburger Tor in Berlin identifizieren könnte.
Dieses ausgezeichnete Auflösungsvermögen bot nun auch die Möglichkeit,
die unmittelbare Umgebung des sterbenden Überriesensterns WOH G64 in der Großen
Magellanschen Wolke zu untersuchen. "Zum ersten Mal konnten wir eine Nahaufnahme
von einem Stern gewinnen, der außerhalb unserer Milchstraße liegt. Das ist ein
sehr wichtiger erster Schritt, um zu verstehen, wie sterbende Sterne in anderen
Galaxien sich von denen in unserer Milchstraße unterscheiden", sagt Keiichi
Ohnaka vom MPIfR, der auch Erstautor eines Fachartikels in der Zeitschrift
Astronomy & Astrophysics ist.
"Wir haben herausgefunden, dass dieser Überriesenstern in der letzten Phase
seines Lebens von einem dicken Staubring umgeben wird, der, wenn man es mit
theoretischen Modellrechnungen vergleicht, ein bisschen so wie ein 'Bagel' aus
der Bäckerei aussieht." Der Durchmesser des Giganten ist so groß wie die
Umlaufbahn von Saturn um die Sonne. Die Ausdehnung des gesamten Staubrings
übertrifft dies noch bei weitem. Der innere Rand des Staubrings liegt bereits
bei 120 Astronomischen Einheiten, also dem 120-fachen des Abstands Erde-Sonne.
Und die Gesamtgröße des Staubrings dürfte beinahe ein Lichtjahr umfassen.
Die Forscher schätzen, dass die Gesamtmasse des Sterns WOH G64 zum Zeitpunkt
seiner Entstehung ungefähr 25-mal so groß war wie die Masse der Sonne. Sie haben
auch herausgefunden, dass inzwischen 10 bis 40 Prozent der ursprünglichen Masse
durch einen sehr heftigen Sternwind in den Staubring hinausgeblasen worden sind.
Das wird aber nicht mehr lange so bleiben: In vielleicht 1.000 oder 10.000
Jahren, wird dieser Stern als Supernova explodieren, ganz ähnlich wie die
berühmte Supernova 1987A, die ebenfalls in der Großen Magellanschen Wolke
explodiert ist. Legt man die Masse von WOH G64 zu Grunde, ist anzunehmen, dass
diese Supernova ähnlich hell wird wie 1987A und ebenfalls mit dem bloßen Auge zu
sehen sein dürfte - allerdings nur auf der Südhalbkugel der Erde.
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