Wie junge Doppelsterne wachsen
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik astronews.com
9. Oktober 2019
Mithilfe des Radioteleskopnetzwerks ALMA ist es
Astronominnen und Astronomen gelungen, ein junges, noch wachsendes
Doppelsternsystem in einem komplexen Netzwerk aus Gas- und Staubfilamenten zu
beobachten. Sie erhielten so wichtige Informationen darüber, wie
Doppelsternsysteme entstehen und sich entwickeln. So deuten die Daten auf einen
zweistufigen Akkretionsprozess hin.
[BHB2007] 11, beobachtet mit ALMA. Das
Proto-Doppelstern-System ist von Filamenten aus
Staub umgeben, wobei der südliche (hellere) junge
Stern mehr Material ansammelt.
Bild: ALMA (ESO/NAOJ/NRAO), Alves et al. [Großansicht] |
Sterne sind meist keine Einzelgänger: Die meisten von ihnen gehören
Doppel- oder gar Mehrfachsystemen an. Und entsprechend oft kommt es zu
"Mehrlingsgeburten". Eine solche haben Astronomen jetzt mit dem in der
chilenischen Atacamawüste stationierten Teleskopverbund ALMA beobachtet – in
einem Sternsystem namens [BHB2007] 11. Es ist das jüngste Mitglied einer kleinen
Gruppe junger Sonnen im Barnard 59-Kern, einem Teil der als Pfeifennebel
bekannten, ausgedehnten interstellaren Dunkelwolke.
Während früher nur eine Akkretionshülle um eine gemeinsame Scheibe zu
erkennen war, zeigen die neuen Beobachtungen nun auch deren innere Struktur.
"Wir sehen zwei kompakte Quellen, die wir als Materiescheiben um die beiden
jungen Sterne interpretieren", sagt Teamleiter Felipe Alves vom Garchinger
Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik. "Diese Scheiben haben jeweils
eine Größe ähnlich dem Asteroidengürtel in unserem Sonnensystem, und ihr
gegenseitiger Abstand beträgt etwa die 28-fache Distanz zwischen Erde und
Sonne."
Beide Protosterne sind zudem von einer Scheibe mit einer Gesamtmasse von etwa
80 Jupitermassen umgeben – einem komplexen Netzwerk aus Staub, der in
spiralförmigen Strukturen verteilt ist. Die Form der Filamente deutet auf die
Bahnen von einfallendem Material hin, was zudem die Beobachtung von molekularen
Emissionslinien bestätigt.
"Das ist ein wirklich wichtiges Ergebnis", sagt Paola Caselli, Direktorin am
Max-Planck-Institut in Garching und Leiterin des Zentrums für Astrochemische
Studien. "Wir haben nun endlich ein Bild von der Struktur um junge Doppelsterne
und sehen insbesondere Filamente, die diese aus der gemeinsamen Scheibe
speisen." Dies liefere wichtige Informationen, um die derzeitigen Modelle der
Sternentstehung zu verbessern.
Die Astronomen halten die Filamente für Zuflüsse aus der ausgedehnten
umliegenden Scheibe. Dabei wird der stellaren Scheibe um den weniger
massereichen der beiden Protosterne mehr Materie zugeführt, was mit den
theoretischen Vorhersagen übereinstimmt. Die geschätzte Akkretionsrate beträgt
nur etwa 0,01 Jupitermassen pro Jahr; dieser Wert deckt sich mit den geschätzten
Raten für andere protostellare Systeme.
Während die gemeinsame Scheibe die einzelnen Scheiben um jeden Protostern
speist, wird in einem zweiten Prozess von jeder stellaren Scheibe Materie auf
den jungen Stern in ihrem Zentrum übertragen. In diesem Fall ist die
Akkretionsrate für den massereicheren Protostern höher; er sammelt also mehr
Material an. "Wir erwarten, dass der zweistufige Prozess die Dynamik des
Doppelsternsystems während seiner Akkretionsphase antreibt", sagt Alves. "Die
gute Übereinstimmung dieser Beobachtungen mit der Theorie ist recht
vielversprechend. Wir müssen aber mehr junge Doppelsternsysteme im Detail
untersuchen, um Genaueres über die Bedingungen zu erfahren, die zu
Mehrfachsternsystemen führen."
Über die Beobachtungen berichtet das Team in einem Fachartikel, der in der
Zeitschrift Science erschienen ist.
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