Immer genauere Messungen
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Leibniz Universität Hannover astronews.com
9. August 2019
Wissenschaftler haben eine Methode entwickelt, die
quantenmechanische Zustände ausnutzt, um zwei Messgrößen genauer bestimmen zu
können, als es klassische Zustände erlauben. Das ermöglicht hochpräzise
spektroskopische Untersuchungen an Molekülen, über die eine mögliche
Wechselwirkungen zwischen herkömmlicher und Dunkler Materie erforscht werden
kann.
Das durchgeführte Experiment kann als die
quantenmechanische Version eines Fadenpendels
veranschaulicht werden.
Bild: Fabian Wolf / PTB [Großansicht] |
Seit Jahrhunderten erweitert die Menschheit ihr Verständnis der Welt durch
immer genauere Messungen von Licht und Materie. Heute sind mit Quantensensoren
extreme Messgenauigkeiten möglich. Ein Beispiel ist die Entwicklung von
Atomuhren, die in 30 Milliarden Jahren lediglich eine Sekunde falsch gehen
würden. Auch der Nachweis von Gravitationswellen erfolgte mit Quantensensoren,
in diesem Fall mit optischen Interferometern.
Quantensensoren können Empfindlichkeiten erreichen, die nach den Gesetzen der
klassischen Physik, wie wir sie aus unserem Alltag kennen, nicht möglich sind.
Sie werden nur erreichbar, wenn man in die Welt der Quantenmechanik mit ihren
faszinierenden Eigenschaften eintaucht. Wie etwa dem Phänomen der Superposition,
wonach Dinge an zwei Orten gleichzeitig sein können oder ein Atom zu einem
Zeitpunkt zwei unterschiedliche Energieniveaus einnehmen kann.
Sowohl die Erzeugung als auch die Kontrolle solcher nicht-klassischer
Zustände ist extrem aufwendig. Die hohe Sensitivität für Messungen macht sie
auch anfällig gegenüber äußeren Störungen. Zudem müssen nicht-klassische
Zustände präzise auf eine bestimmte Messgröße optimiert werden. "Leider geht das
oft zu Lasten einer erhöhten Ungenauigkeit in einer anderen relevanten
Messgröße", erklärt Fabian Wolf die Herausforderung. Dieses Prinzip ist eng
verknüpft mit der Heisenberg’schen Unschärferelation.
Wolf ist Teil eines Teams aus Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der
Leibniz Universität Hannover, der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt in
Braunschweig und des nationalen Instituts für Optik in Florenz, das nun eine
Methode vorgestellt hat, die auf einem nicht-klassischen Zustand basiert, der
für zwei Messgrößen gleichzeitig optimiert wurde. Das Experiment kann als die
quantenmechanische Version eines Fadenpendels veranschaulicht werden. Die beiden
optimierten Messgrößen sind in diesem Fall die maximale Auslenkung (Amplitude)
und die Anzahl der Schwingungen pro Sekunde (Frequenz) des Pendels.
Das Pendel wurde dabei durch ein einzelnes Magnesium-Ion realisiert, das in
einer sogenannten Ionenfalle eingeschlossen wurde. Durch Wechselwirkung mit
Laserlicht konnte das Magnesium-Ion bis in den quantenmechanischen Grundzustand,
den kältesten erreichbaren Zustand, gekühlt werden. Von dort aus wurde ein
sogenannter Fockzustand der Bewegung erzeugt und das Einzel-Atom-Pendel mit
einer externen Kraft in Schwingung gebracht. Amplitude und Frequenz konnten
anschließend mit einer Empfindlichkeit gemessen werden, die mit einem
klassischen Pendel unerreichbar wären.
Im Gegensatz zu vorherigen Experimenten war dies für beide Messgrößen der
Fall, ohne dass der nicht-klassische Zustand angepasst werden musste. Mit seinem
neuen Ansatz konnte das Team die Messzeit bei gleicher Auflösung halbieren
beziehungsweise bei gleicher Messzeit die Auflösung verdoppeln. Hohe Auflösungen
sind besonders wichtig für Spektroskopietechniken, die auf einer Änderung des
Bewegungszustands beruhen.
Im konkreten Fall wollen die Forscher einzelne Molekül-Ionen untersuchen,
indem sie diese mit einem Laser bestrahlen und darüber eine Bewegung des
Moleküls anregen. Das neue Verfahren soll eine Untersuchung des Zustands des
Moleküls ermöglichen, bevor dieser vom Laser durch zu lange Bestrahlung gestört
wird. "Präzisionsmessungen an Molekülen könnten uns beispielsweise etwas über
die Wechselwirkung von herkömmlicher und Dunkler Materie verraten und damit
einen wichtigen Beitrag zur Aufdeckung eines der größten Rätsel der aktuellen
Physik leisten", so Wolf.
Das erstmalig demonstrierte Messprinzip könnte auch in optischen
Interferometern wie zum Beispiel Gravitationswellendetektoren die Auflösung
verbessern und damit tiefere Einblicke in die Frühzeit des Universums
ermöglichen.
Die Studie ist im Rahmen des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft
geförderten Sonderforschungsbereichs "DQ-mat – Designte Quantenzustände der
Materie" entstanden. Ihre Ergebnisse haben die Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler im Fachjournal Nature Communications veröffentlicht.
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