Mit Lasern dem Staub auf der Spur
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung des Leibniz-Instituts für Troposphärenforschung e.V. astronews.com
1. Juli 2019
Auch im Raumfahrtzeitalter sind bodengestützte Messungen der
Atmosphäre mithilfe von Laserstrahlen von großer Bedeutung und liefern zudem
wichtige Basisdaten für satellitengestützte Messsysteme. Nun wurde das
Erdbeobachtungsnetz PollyNet um eine Station in Tadschikistan ergänzt. Im Fokus
des Systems stehen insbesondere Messungen des Staubs in der Atmosphäre.

Die operative Dauermessungen in Duschanbe
werden wichtige Langzeitdaten für Klima und
Luftqualität in Zentralasien liefern.
Bild: Dietrich Althausen, TROPOS [Großansicht] |
Das Erdbeobachtungsnetz PollyNet bekommt Verstärkung: Die sechste Station des
weltweiten Atmosphärennetzwerks hat am Mittwoch in Duschanbe, der Hauptstadt
Tadschikistans, ihren Betrieb aufgenommen. Die neue Station ist die erste in
Zentralasien und damit innerhalb des "globalen Staubgürtels", der sich von Marokko
bis China erstreckt. PollyNet ist ein Netzwerk von Lichtradaren, die mit
Laserstrahlen die Atmosphäre vom Boden aus erforschen. Es trägt mit seinen
Messungen zur Europäischen Forschungsinfrastruktur ACTRIS, die Aerosole, Wolken
und Spurengase untersucht, bei. Koordiniert wird es vom Leibniz-Institut für
Troposphärenforschung (TROPOS) in Leipzig.
PollyNet-Stationen messen bereits in Finnland, Deutschland, Griechenland,
Polen, Portugal und Südkorea per Laser kontinuierlich den Staub in der
Atmosphäre. Weitere Stationen sind in Zypern und auf den Kapverdischen Inseln
vorgesehen. Für die Technik der Stationen in Tadschikistan, Zypern und auf den
Kapverdischen Inseln hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)
knapp drei Million Euro zur Verfügung gestellt, um Beobachtungslücken zu
schließen und die erfolgreiche Kooperation mit diesen Ländern zu vertiefen.
Durch die technische Unterstützung aus Deutschland und die Betreuung vor Ort
durch die Akademie der Wissenschaften der Republik Tadschikistan können die
durchgeführten Testmessungen im Rahmen des CADEX-Projektes (Central Asian Dust
Experiment) nun in operative Dauermessungen überführt werden, die wichtige
Langzeitdaten für Klima und Luftqualität in Zentralasien liefern werden.
Insgesamt gelangen pro Jahr Staubpartikel mit einer Masse von etwa 1910
Megatonnen in die Atmosphäre. Als Hauptquelle wird die Sahara mit etwa 1150
Megatonnen vermutet. Bisher kann nur spekuliert werden, wie viel die Wüsten und
Steppen Zentralasiens zur Gesamtmenge an Mineralstaub in der Atmosphäre
beitragen, denn lange Zeit fehlte es an Messungen in dieser wichtigen Region des
Staubgürtels.
Wie lange und wie hoch Staub in der Luft schwebt, ist unterschiedlich und
hängt von den regionalen Wetterbedingungen und der Partikelgröße ab. Große
Partikel haben eine kürzere Verweildauer als kleine und daher leichtere
Partikel, die im Aufwind schnell in große Höhen gelangen können. Im Durchschnitt
verweilen Staubpartikel für ein bis zwei Wochen in der Atmosphäre und verteilen
sich mit dem Wind. Mineralstaub spielt eine große Rolle für das globale Klima,
weil die in der Atmosphäre schwebenden Staubpartikel das Sonnenlicht
reflektieren und die am Boden ankommenden Sonnenstrahlen dimmen.
Neben diesen direkten Effekt gibt es auch einen sogenannten indirekten
Aerosol-Effekt: Die Partikel wirken als Wolkenkeime und beeinflussen die
Wolkenbildung, was ebenfalls Auswirkungen auf den Strahlungshaushalt der Erde
hat und je nach Wolkenart und -höhe kühlen oder wärmen kann. Dazu kommen viele
weitere Effekte, deren Bedeutung erst in den letzten Jahren langsam verstanden
wurde: An der Oberfläche des Staubs können chemische Reaktionen stattfinden.
Spurenmetalle im Mineralstaub düngen den Ozean und treiben so viele
biogeochemische Prozesse im Meer an. Starke Staubausbrüche können die
Infrastruktur vor Ort wie zum Beispiel Photovoltaik-Anlagen beeinträchtigen.
Dazu kommen die Wirkungen auf die Gesundheit der Menschen, die zum Teil unter
heftigen Staubstürmen leiden: Staub beeinflusst die Atemwege negativ und kann
auch Bakterien und damit Krankheiten transportieren. Wichtig ist auch, den lokal
entstandenen Feinstaub vom Ferntransport aus anderen Regionen der Erde
auseinander halten zu können. Nur so lässt sich die Wirksamkeit von Maßnahmen
zum Klima- oder Umweltschutz überprüfen. Außerdem fließen die Lidar-Messungen in
Untersuchungen der komplexen Wechselwirkungsprozesse bei der Wolkenbildung ein.
"Hier spielen Messstandorte in Gebieten mit hoher Wüstenstaubbelastung eine
herausragende Rolle, da Staubpartikel gute Eiskeime sind. In diesem Zusammenhang
ist nochmals zu betonen, dass es auf globaler Skala wenige Regionen gibt, in
denen sich wie auf Zypern und in Tadschikistan die Belastungen durch vom
Menschen verursache Partikel einerseits und natürliche Partikel aus Waldbränden
und Wüstenstaub anderseits so gut untersuchen lassen. Hier wollen wir einen
wichtigen Beitrag zur Umwelt und Klimaforschung leisten. Die
Atmosphärenforschung benötigt dringend derartige Beobachtungen zur Validierung
der globalen Aerosolmodelle, die dann wiederum der Verbesserung der Klimamodelle
zugutekommen", betont Prof. Andreas Macke, Direktor des TROPOS.
Die automatisierten Ramanlidarsysteme vom Typ Polly (POrtabLe Lidar sYstem)
werden vom TROPOS seit über zehn Jahren entwickelt, weltweit eingesetzt und
wurden inzwischen zu zentralen Instrumenten auf verschiedenen Messstationen wie
Leipzig oder Punta Arenas in Chile. Diese Lidarsysteme messen
Partikeleigenschaften, optische Eigenschaften dünner Wolken sowie
Feuchteprofile. "In den letzten Jahren wurde die Polarisations-Lidartechnik
deutlich weiterentwickelt und ermöglicht es jetzt, die Umweltbelastung durch Wüsten und Bodenstaub (feine Staubpartikel) zu erfassen und die Klimawirkung
und Wolkenbildung (grobe Partikel als Kondensationskeime und Eiskeime) vertikal
aufgelöst zu bestimmen", erklärt Dr. Dietrich Althausen vom TROPOS, einer der
Hauptinitiatoren dieser Technik. "Das Polarisationslidar erlaubt darüber hinaus
die vertikal aufgelösten Abschätzungen der Konzentrationen an Kondensations- und
Eiskeimen in den verschiedensten Partikelmischungen."
Das PollyNET-Konzept ist methodisch vergleichbar mit dem globalen
Aerosolmessnetz AERONET (AErosol RObotic NETwork), dessen Sonnenphotometer von
der NASA und der Universität Lille koordiniert werden. "Es existiert ein
standardisierter Messgerätetyp, eine standardisierte Auswertesoftware inklusive
Qualitätskontrolle sowie eine leitende und verantwortliche Forschungsgruppe.
PollyNET und AERONET ergänzen sich sehr: PollyNet erfasst die vertikale Struktur
und AERONET die vertikale Summe des troposphärischen Aerosols in den
Luftschichten", unterstreicht Dr. Ronny Engelmann vom TROPOS, der beide Geräte
auf diversen Schiffsexpeditionen seit Jahren betreut. "Außerdem eignet sich PollyNET auch hervorragend als Ankerstation für die ESA-Weltraummissionen
Aeolus und EarthCARE.
Im Rahmen des Central Asian Dust Experiments (CADEX) werden seit 2015 Lidarmessungen
zur Untersuchung des Mineralstaubs über Tadschikistan mit einer kleineren,
portablen Lidar-Version durchgeführt. Diese Messungen mit diesem PollyXT
zeigten erstmals die detailliere Staubverteilung in der Luftsäule über
Zentralasien. Es wurden sehr häufig Staubschichten bis in große Höhen, zum Teil
bis in 10 km Höhe beobachtet. Die Auswertung der Daten sowie regionale
3D-Modellierung ist noch in Arbeit.
Das CADEX-Projekt wurde durch das Bundesministerium für Bildung und
Forschung im Rahmen von "Partnerschaften für nachhaltige Problemlösungen in
Schwellen- und Entwicklungsländern" finanziert. In diesem Rahmen wurde eine enge
wissenschaftliche Zusammenarbeit zwischen dem Physikalisch-Technischen Institut
der Akademie der Wissenschaften von Tadschikistan und dem Leibniz-Institut für
Troposphärenforschung aufgebaut. Das Projekt wurde inzwischen vom BMBF als ein
"Leuchtturmprojekt"“ ausgezeichnet, da es herausragende Ergebnisse erbrachte.
Das CADEX-Projekt war allerdings nur auf die Erfassung einiger
Beispielmessungen angelegt. Deshalb wurde am TROPOS in Leipzig mit Unterstützung
des BMBF ein Messcontainer konzipiert und gebaut, der Ende Mai auf dem Landweg
nach Tadschikistan transportiert wurde. Mit der Inbetriebnahme der PollyNet-Station
in Duschanbe werden die Messungen nun in Langzeitbeobachtungen überführt.
"Auf Staubereignissen folgten oft Starkregenereignisse. Das legt einen
Zusammenhang nahe. Aber wie und in welchem Maße hat der Staub einen Einfluss auf
diese Prozesse? Vielleicht geben uns die Messungen dazu in den kommenden Jahren
entscheidende Hinweise", hofft Julian Hofer vom TROPOS, der die Messungen in
Tadschikistan vor Ort mit betreut hat. Mit den Langzeitmessungen werden Trends
sichtbar, die sich erst über mehrere Jahre zeigen. Die Lidar-Messungen in
Tadschikistan werden damit wichtige Daten zum Klimawandel und zur Luftqualität
in Zentralasien liefern.
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