Auch der Erdmantel ist magnetisch
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Münster astronews.com
7. Juni 2019
Das Magnetfeld der Erde ist für das Leben von enormer
Bedeutung. Die altbekannten Quellen des Magnetfelds sind der tief im Inneren
liegende Erdkern, aber auch der Boden, auf dem wir stehen – die Erdkruste. Der
Erdmantel hingegen wurde bisher weitestgehend als magnetisch tot angesehen. Doch
dies könnte ein Irrtum sein, wie neue Untersuchungen jetzt zeigten.
Leben auf der Erde dürfte ohne das
schützende Magnetfeld kaum möglich sein.
Bild: NASA/JPL [Großansicht] |
Das riesige Magnetfeld, das die Erde umgibt, sie vor Strahlen und geladenen
Teilchen aus dem All schützt und an dem sich viele Tiere sogar orientieren
können, ist in ständigem Wandel – weshalb es auch unter ständiger Beobachtung
von Geowissenschaftlern ist. Die altbekannten Quellen des Erdmagnetfelds sind
der bis etwa 6000 Kilometer im Erdinneren liegende Kern, aber auch der Boden,
auf dem wir stehen – die Erdkruste. Der Erdmantel hingegen, 35 bis 2900
Kilometer tief, wurde bisher weitestgehend als "magnetisch tot" angesehen.
Ein internationales Forscherteam aus Deutschland, Frankreich, Dänemark und
den USA hat nun gezeigt, dass eine Form des Eisenoxids, das Hämatit, auch tief
im Erdmantel seine magnetischen Eigenschaften behalten kann. Das passiert in
verhältnismäßig kalten Gesteinsplatten, die vor allem unter dem Westpazifischen
Ozean vorkommen. "Das neue Wissen über den Erdmantel und die stark magnetische
Region im Westpazifik könnte ein neues Licht auf die Beobachtungen des
Erdmagnetfelds werfen", sagt Mineralphysiker und Erstautor Dr. Ilya Kupenko vom
Institut für Mineralogie an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster
(WWU).
Zum Beispiel können die Erkenntnisse für zukünftige Beobachtungen der
erdmagnetischen Auffälligkeiten relevant sein. Darüber hinaus könnten sie auch
Aufschlüsse über den Magnetismus anderer Planeten wie den Mars geben. Der Grund:
Der Mars besitzt keinen sogenannten Dynamo in seinem Kern und damit auch keine
Quelle, um ein starkes Magnetfeld wie die Erde aufzubauen – es könnte sich nun
aber lohnen, einen genaueren Blick auf seinen Mantel zu werfen.
Tief im metallischen Erdkern ist es flüssiges Eisen, das elektrische Ströme
auslöst. In der äußersten Erdkruste wiederum rufen Gesteine die magnetischen
Signale hervor. Aufgrund der sehr hohen Temperaturen und Druckbedingungen in den
tieferen Regionen des Erdinneren war angenommen worden, dass Gesteine ihre
magnetischen Eigenschaften verlieren. Die Forscher sahen sich nun die
potenziellen Quellen für Magnetismus im Erdmantel genauer an: Eisenoxide, die
eine hohe kritische Temperatur aufweisen – sprich die Temperatur, ab der
Materialien ihre magnetischen Eigenschaften verlieren.
Eisenoxide treten im Erdmantel in Gesteinsplatten auf, die durch
Plattenverschiebungen von der Erdkruste weiter in den Mantel gedrückt wurden.
Die Platten können eine Tiefe zwischen 410 und 660 Kilometer im Erdinneren
erreichen, die sogenannte Übergangszone zwischen dem oberen und unteren
Erdmantel. Bisher war es allerdings nicht gelungen, die magnetischen
Eigenschaften des Eisenoxids während der extremen Druck- und
Temperaturbedingungen zu messen, die dort unten herrschen.
Nun kombinierten die Wissenschaftler zwei Methoden miteinander. Mithilfe
einer sogenannten Diamantstempelzelle, einem Verfahren, bei dem sehr kleine
Materialproben zwischen zwei Diamanten zusammengepresst werden, übten sie einen
Druck von bis zu 90 Gigapascal auf das Eisenoxid Hämatit aus. Zusätzlich
erhitzten sie die winzige Gesteinsprobe mit einem Laser auf bis zu mehr als 1000
Grad Celsius. Dieses Verfahren kombinierten sie mit der sogenannten
Mößbauer-Spektroskopie, bei der mithilfe von Synchrotron-Strahlen der
magnetische Zustand der Proben untersucht werden kann.
Dieser Teil der Studie wurde in der Synchrotronanlage ESRF in Grenoble
(Frankreich) durchgeführt und machte es möglich, die Veränderungen des
Eisenoxids zu beobachten. Das überraschende Ergebnis: Das Hämatit blieb
magnetisch bis zu einer Temperatur von rund 925 Grad – der Temperatur, die am
Ort ihres Vorkommens in den "abgetauchten" Platten im Erdmantel unter dem
Pazifischen Ozean herrscht. "Damit zeigen wir, dass der Erdmantel bei weitem
nicht so 'magnetisch tot' ist, wie zuvor angenommen", sagt Prof. Dr. Carmen
Sanchez-Valle vom Institut für Mineralogie der WWU. "Diese Erkenntnisse könnten
Schlussfolgerungen für das gesamte Magnetfeld der Erde zulassen."
Forscher beobachten das Erdmagnetfeld und die ständigen lokalen und
regionalen Veränderungen in der magnetischen Stärke, indem sie Satelliten
einsetzen und Gesteine untersuchen. Die geomagnetischen Pole der Erde – nicht zu
verwechseln mit den geografischen Polen – sind nämlch laufend in Bewegung.
Infolge ihrer Wanderung haben sie in der jüngeren Erdgeschichte sogar alle paar
hunderttausend Jahre ihre Position miteinander getauscht. Der letzte Polsprung
ereignete sich vor 780.000 Jahren, und seit ein paar Jahrzehnten berichten
Wissenschaftler davon, dass sich die magnetischen Pole der Erde schneller
bewegen.
Ein Umdrehen der Magnetpole hätte Auswirkungen auf die moderne menschliche
Zivilisation, zum Beispiel wären Satelliten weniger geschützt und die Funktion
von Stromnetzen bedroht. Eine der beobachteten Routen der Pole bei ihrer
Wanderung verläuft über den Westpazifik – und stimmt damit auffällig mit den nun
aufgedeckten elektromagnetischen Quellen im Erdmantel überein. Daher ziehen die
Forscher die Möglichkeit in Betracht, dass die im Pazifik beobachteten
Magnetfelder nicht die Wanderungsroute der auf der Erdoberfläche gemessenen Pole
darstellen, sondern von der bisher unbekannten elektromagnetischen Quelle der
Hämatit-haltigen Gesteine im Erdmantel unter dem Westpazifik stammen.
"Das neue Wissen, dass es dort unten im Erdmantel magnetisch geordnete
Materialien gibt, sollte bei zukünftigen Untersuchungen des Magnetfelds der Erde
und der Bewegung ihrer Pole miteinbezogen werden", unterstreicht Prof. Dr.
Leonid Dubrovinsky vom Bayerischen Geoinstitut der Universität Bayreuth.
Über ihre Ergebnisse berichten die Forscher in dieser Woche in der
Fachzeitschrift Nature.
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